Jüdisches Leben in Deutschland schützen

Nie wieder ist jetzt

Es ist ein wichtiges Zeichen, dass Demokratinnen und Demokraten im Parlament des Landes, das die Shoa zu verantworten hat, gegen Antisemitismus zusammenstehen. Josh Mason-Barkin / Pixabay
07.11.2024
  • Zum Jahrestag der „Reichspogromnacht“ vom 9. November 1938 und auch angesichts zahlreicher antisemitischer Übergriffe nach dem 7. Oktober 2023 haben die demokratischen Fraktionen eine gemeinsame Initiative in den Bundestag eigebracht.
  • Der interfraktionelle Antrag „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ sieht eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung jüdischen Lebens in Deutschland vor.
  • Für ein solches interfraktionelles Vorgehen gegen Antisemitismus haben wir Grüne im Bundestag uns vehement eingesetzt. Demokratieverächter machen weltweit mobil. Daher ist es ein wichtiges Zeichen, dass Demokratinnen und Demokraten im Parlament des Landes, das die Shoa zu verantworten hat, zusammenstehen.

Vor dem Hintergrund der Shoah tragen wir eine besondere Verantwortung für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. Jüdisches Leben in all seinen Facetten und in all seiner Vielfältigkeit ist heute wieder ein selbstverständlicher und integraler Bestandteil unseres Landes. Dafür muss Deutschland unendlich dankbar sein. Umso erschreckender ist es, dass antisemitische Vorfälle und Hetze sei dem 7. Oktober 2023 weltweit und damit auch in Deutschland massiv zugenommen haben. Es ist unerträglich, wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland in Angst leben müssen. Jeder Vorfall ist einer zu viel. Jede einzelne Attacke ist zugleich ein Angriff auf die Werte und Grundsätze, auf denen unser Zusammenleben und unsere Demokratie fußen.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Der Kampf gegen Antisemitismus ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der gemeinsame Antrag im Bundestag umreißt die Handlungsfelder: Den Schutz jüdischer Menschen und jüdischer Einrichtungen, den Kampf gegen Hetze und Hassverbrechen, die historisch-politische Bildungsarbeit, eine breit aufgestellte Präventionsarbeit und ebenso die Erinnerungskultur, zum Beispiel die Arbeit der Gedenkstätten. Auch wichtige Fragen des Alltags wie die Beachtung von jüdischen Feiertagen und die Vereinbarkeit von Religionsausübung und Beruf spricht der Antrag an.

Jede Form von Antisemitismus ist in den Blick zu nehmen: Der völkisch-rechtsextreme Antisemitismus, der in Deutschland zur Shoa geführt hat und heute wieder virulent ist, krude Verschwörungsideologien, islamistisch befeuerter Judenhass sowie israelbezogener Antisemitismus, wie er auch in einigen linken Zusammenhängen zu Tage tritt, genauso aber ein Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft. Hass und Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden sind kein exklusives Merkmal einer bestimmten Gruppe, sondern finden sich in allen gesellschaftlichen Gruppen. Genauso vielfältig wie die Erscheinungsformen des Antisemitismus heute sind, so vielfältig und zielgerichtet müssen auch die Strategien zu seiner Bekämpfung ausfallen. 

Schwerpunkt jüdisches Leben in Deutschland

Daher bekräftigt der Antrag auch Beschlüsse, die der Bundestag bereits in den letzten Jahren gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens gefasst hat, zum Beispiel zur Antisemitismus-Definition, die staatliche Stellen in ihrer Arbeit seit Jahren maßgeblich zu Grunde legen. Der Antrag wird anlässlich des 9. November, des Jahrestages der ‚Reichspogromnacht‘ von 1938 im Bundestag behandelt. Daher setzt er einen deutlichen Schwerpunkt beim Schutz und der Stärkung jüdischen Lebens in Deutschland. Zum Angriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 und seine Auswirkungen hatte der Bundestag bereits im Oktober letzten Jahres eine interfraktionelle Entschließung gefasst.

Gemeinsam gegen Antisemitismus

Die interfraktionellen Beratungen zu dem Antrag „Nie wieder ist jetzt“ haben sehr lange gebraucht. Umso wichtiger ist es, dass am Ende ein gemeinsames Ergebnis der demokratischen Fraktionen steht. Im Laufe des Erarbeitungsprozesses sind anhand von unterschiedlichen Entwurfsfassungen und Zwischenständen Befürchtungen laut geworden, der Antragstext gefährde Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit und könne als pauschale Verdächtigung gelesen werden. Wir haben solche Sorgen stets sehr ernst genommen und in die Verhandlungen immer mit einbezogen. So konnten schließlich zahlreiche wichtige Nachjustierungen erreicht werden.

Der endgültig vereinbarte Entschließungstext betont ausdrücklich die Freiheit des Denkens, die Meinungsfreiheit und die Freiheit von Kunst und Wissenschaften als hohe Güter, die vom Grundgesetz garantiert und geschützt werden. Es kann freilich nicht darüber hinweg gegangen werden, dass es antisemitische Vorfälle bei einzelnen Kulturveranstaltungen und an einzelnen Hochschulen gab. Diese adressiert der Antrag. Er spricht sich für präventive Maßnahmen aus, um solche antisemitischen Vorfälle möglichst zu verhindern, und sie – wenn sie dennoch geschehen – angemessen zu sanktionieren.