Sicherheitspaket

Für eine grundrechtlich fundierte Sicherheitspolitik

Bundespolizei kontrolliert Waffenverbotszone
Der Bundestag hat ein Sicherheitspaket beschlossen. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in den parlamentarischen Verhandlungen wesentliche Verbesserungen erreicht. Markus Scholz | picture alliance
18.10.2024
  • Wir wollen mehr Sicherheit für alle. Die schrecklichen Taten von Solingen und Mannheim zeigen die Bedrohung durch Terrorismus. Auch Angriffe autoritärer Staaten auf unsere Demokratie nehmen stetig zu.
  • In der Bundesregierung wurde ein Sicherheitspaket erarbeitet. Wir haben als Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen dazu intensiv verhandelt und im Bundestag dringend notwendige rechtsstaatliche Änderungen erreicht.
  • Das betrifft Regelungen für Asylbewerber*innen ebenso wie die neuen Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Denn unser Kompass sind die Menschenwürde und die Grundrechte. Im Waffenrecht haben wir endlich Verschärfungen für unser aller Sicherheit erreicht. Und wir stärken mit einem begleitenden Entschließungsantrag die Extremismusprävention.

Die Maßnahmen des Sicherheitspakets sind eine Reaktion auf den schrecklichen Terroranschlag in Solingen. Uns ist wichtig, dass solche Terroranschläge mit allen rechtsstaatlichen Möglichkeiten bekämpft werden. Dazu gehören dringend notwendige Investitionen in die innere Sicherheit, aber genauso gute Rechtsgrundlagen und insbesondere auch Prävention. Und ganz wichtig: Menschen oder gar ganze Gruppen dürfen dabei nicht unter Generalverdacht geraten.

Verschärfungen im Waffenrecht

Im Waffenrecht haben wir Regelungen erreicht, die lange Zeit in der Koalition blockiert worden waren. Für Verfassungsfeind*innen und Extremist*innen wird es schwieriger, legal in den Besitz von Waffen zu kommen. Außerdem werden die Regelungen zum individuellen Waffenverbot und der vorläufigen Sicherstellung von Waffen deutlich verschärft, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Waffenbesitzers bestehen. All das sind große Schritte nach vorn, auch wenn wir uns noch mehr gewünscht hätten.

Teil des Pakets zum Waffenrecht sind auch anlasslose Kontrollen innerhalb von Waffen- und Messerverbotszonen. Das bleibt aus unserer bürgerrechtlichen Perspektive ein kritischer Punkt. Hier konnten wir aber die wichtige gesetzliche Klarstellung erreichen, dass tatsächlich nur innerhalb der ausgewiesenen Verbotszonen kontrolliert werden darf und dass die Polizei dabei rechtsstaatliche Grundsätze einhalten muss.

Befugnisse der Sicherheitsbehörden

Im Sicherheitspaket werden zwei neue Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei geschaffen: 1. Die automatisierte Datenanalyse, die zur Verhinderung und Verfolgung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten ermöglicht, dateisystemübergreifend Daten zusammenzuführen, zu analysieren und weiterzuverarbeiten, wobei auch der Einsatz von KI nicht ausgeschlossen ist. 2. Der nachträgliche biometrische Abgleich im Internet. Diese Befugnis ermöglicht es, bei bestimmten Straftaten das Internet nach biometrischen Treffern zu durchsuchen, um die Identität oder den Aufenthaltsort einer Person zu bestimmen. Und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll zur Feststellung der Identität geflüchteter Menschen einen Internetabgleich vornehmen dürfen, wenn diese auf andere Weise nicht aufgeklärt werden kann.

Mit diesen neuen Befugnissen sind tiefgreifende Grundrechtseingriffe verbunden, die hohe Hürden und Standards für den rechtskonformen Einsatz unumgänglich machen. Sicherheitsbehörden müssen auch im digitalen Zeitalter ihren Job machen können. Neue Technologien können hier einen Mehrwert bieten, ihr Einsatz muss aber zwingend grundrechtskonform ausgestaltet sein. Die von der Regierung ursprünglich vorgelegten neuen Ermächtigungsgrundlagen für BKA, Bundespolizei und BAMF wurden diesem Anspruch nicht gerecht, sie waren viel zu weit gefasst, häufig diffus und unkonkret. Das hat auch eine Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestages drastisch dargelegt.

Unter hohem Einsatz ist es uns als Grüner Bundestagsfraktion in den Verhandlungen gelungen, das Gesetz an gleich mehreren Stellen zu verbessern und klare Vorgaben zum Schutz der Bürgerrechte einzubauen. Es sieht nun deutlich schärfere Sicherungen vor: Der Einsatz der neuen Werkzeuge ist nun wesentlich zielgerichteter und wird mit robusten Monitoringmechanismen ausgestattet. Einige Beispiele dazu:

  • Anstelle völlig unbestimmter Ermächtigungen haben wir durchgesetzt, dass die Bundesregierung zunächst in einer Rechtsvorordnung unter Beteiligung der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) ausbuchstabieren muss, wie die Instrumente konkret zum Einsatz kommen sollen, welche Daten verarbeitet werden dürfen und welche Schutzstandards notwendig sind. Erst nach Vorlage dürfen neue Instrumente genutzt werden. 
  • Die neuen Befugnisse von BKA und Bundespolizei sind nicht pauschal einsetzbar, sondern wurden auf die Verfolgung oder Verhinderung schwerster Straftaten - wie Mord und Totschlag, schwerer Raub oder Bildung einer terroristischen Vereinigung beschränkt.
  • Die Kontrollrechte der BfDI über die eingesetzten Systeme haben wir deutlich verbessert. Wir haben eine Evaluation der Maßnahmen im Gesetz verankert. Diese erfolgt nicht durch die Ministerien selbst, sondern durch eine fachunabhängige wissenschaftliche Einrichtung und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer evidenzbasierten Sicherheitspolitik.
  • Wir konnten zudem erreichen, dass der Bundestag in einem Entschließungsantrag nochmals in sehr deutlichen Worten auf verfassungs- und europarechtlichen Leitplanken hinweist, die bei der Umsetzung der neuen Technologien zwingend zu beachten sind. Durch den Entschließungsantrag wird zudem sichergestellt, dass bei der Umsetzung der Tools nicht mit hochproblematischen Unternehmen wir Palantir & Co. zusammengearbeitet werden darf.
  • Der biometrische Abgleich im Internet darf nur bereichsspezifisch und nicht flächendeckend erfolgen, also nur in solchen Bereichen des Internets, die zu den Ermittlungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Der Abgleich mit echtzeitübermittelten Bilddateien wie Livestreams bleibt ebenfalls ausgeschlossen. Auch haben wir durchgesetzt, dass solche Sicherungsmechanismen auch für die BAMF-Befugnis gelten. Wer das Instrument unbefugt nutzt, muss mit dienstrechtlichen Strafen rechnen.

Prävention stärken

Wir verstehen unseren Einsatz für Prävention und Deradikalisierung als elementare Säule harter Sicherheitspolitik. Dies war auch in den Verhandlungen zum Sicherheitspaket für uns leitgebend. Die sogenannte „Task Force Islamismusprävention“ ist bereits umgesetzt worden. Über den Beschluss der Bundesregierung hinaus konnten wir dem Bundesinnenministerium und den Koalitionspartner weitere Maßnahmen, konkrete Projekte und Handlungsschwerpunkte abringen. Konkret legen wir einen Schwerpunkt auf die Prävention von Online-Radikalisierung und richten den Blick auf entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen. Zentral war für uns dabei, die enorm wichtige Arbeit aus der Zivilgesellschaft heraus zu betonen und zu stärken.

Darüber hinaus setzen wir uns in der Koalition weiter mit Hochdruck dafür ein, das Demokratiefördergesetz endlich zu beschließen, um die ungemein wichtig zivilgesellschaftliche Präventionsarbeit auf sichere Füße zu stellen.

Regelungen zu Menschen im „Dublin-Verfahren“

Im Sicherheitspaket hatte die Regierung auch Leistungsausschlüsse für Asylbewerber*innen vorgesehen, für deren Asylverfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist (sogenannte „Dublin-Fälle“). Wir stehen für eine Flüchtlings- und Integrationspolitik, in der der einzelne Mensch zählt. Unterstützung der Kommunen, europäische Lösungen sowie geordnete, faire und schnelle Verfahren stehen für uns im Vordergrund. Dazu müssen die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte mit mehr Personal und anderen Ressourcen ausgestattet werden. Wir mussten Kompromisse in der Koalition eingehen, konnten als Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen aber bei den vorgeschlagenen Regelungen über Leistungskürzungen für die genannten „Dublin-Fälle“ gegenüber dem Regierungsentwurf deutliche Verbesserungen erreichen:

Wir haben klargestellt, dass bei Dublin-Fällen erst dann ein Leistungsausschluss in Deutschland erfolgen darf, wenn es den betroffenen Personen tatsächlich möglich ist, in den zuständigen Mitgliedstaat zu gelangen. Dort muss auch faktisch Zugang zu Leistungen bestehen. Da im Dublin-System nicht vorgesehen ist, selbständig aus- oder weiterzureisen, ist eine Ausreise nicht denkbar, ohne dass die Fahrt durch die Behörde organisiert wird und ein Ticket besorgt wurde. Zuvor darf ein Leistungsausschluss nicht erfolgen. Wir konnten zudem sicherstellen, dass in den überwiegenden Härtefällen (zum Beispiel bei Kindern) weiterhin Leistungen gewährt werden.

Trotz dieser erreichten Verbesserungen des Gesamtpakets hat es – neben den oben genannten Befugnissen – insbesondere dieser Bereich Abgeordneten der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen schwer gemacht, im Bundestag für dieses Kompromiss-Paket zu stimmen. Wir kämpfen gemeinsam weiter für ein faires, funktionierendes EU-Asylsystem, in dem der einzelne Mensch zählt. Wir erwarten eine verfassungsgemäße Umsetzung der Gesetze, die in Zweifelsfragen natürlich gerichtlich überprüfbar sind. Das Grundrecht auf Asyl, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention werden wir stets verteidigen.