Rechtsstaat

Wir stärken die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts

Aussenaufnahme des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Baden-Württemberg), aufgenommen am 16.01.2018. Das Gericht verhandelt mündlich zur Grundsteuer.
Das Bundesjustizministerium und die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU haben sich auf Vorschläge für Grundgesetzänderungen zum besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verständigt. Hiermit stärken die demokratischen Kräfte die Wehrhaftigkeit und Resilienz unseres Rechtsstaats. dpa
23.07.2024
  • Das Bundesjustizministerium und die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU haben sich auf Vorschläge für Änderungen des Grundgesetzes zum besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verständigt.
  • Der Status des Gerichts als Verfassungsorgan soll deutlicher ausgeformt werden. Zugleich sollen die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit im Grundgesetz selbst abgesichert werden.
  • Dieser gemeinsame Erfolg ist ein Beleg für die Handlungsfähigkeit der demokratischen Kräfte bei der Stärkung der Wehrhaftigkeit und der Resilienz unseres Rechtsstaats.

Als das Grundgesetz am 24. Mai 1949 in Kraft trat, war die neuartige Institution „Bundesverfassungsgericht“ (BVerfG) im Grundgesetz nur bruchstückhaft ausgeformt. Es war in der Folge die Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, Stellung und Struktur des Gerichts näher zu regeln. Mittlerweile hat sich das Gericht als Verfassungsorgan etabliert. Es ist für unseren Rechtsstaat als Garant der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unverzichtbar geworden.

Das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes ist ein guter Anlass, um die verfassungsrechtliche Absicherung vorzunehmen und die Elemente, die den Status des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan wesentlich prägen, im Grundgesetz deutlicher sichtbar zu machen. Bei anderen Verfassungsorganen wie dem Bundestag, dem Bundesrat, dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung ist das bereits jetzt der Fall. Die Verankerung der Stellung des Gerichts in der Verfassung selbst dient der Stärkung der Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit. Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, diese Unabhängigkeit infrage zu stellen, sind seit einiger Zeit in einzelnen europäischen Ländern zu beobachten.

Inhalt der Vorschläge

Der gemeinsame Vorschlag sieht punktuelle Ergänzungen derjenigen Artikel vor, die auch bisher schon den Status des Gerichts im Grundgesetz regeln (Artikel 93 und 94 GG). Ihr Inhalt soll gleichzeitig systematisch neu geordnet werden.

Übernahme zentraler Strukturvorgaben in das Grundgesetz
Zentrale Strukturvorgaben, die sich nach einhelliger Beurteilung bewährt haben, sollen vom einfachen Gesetzesrecht auf die Ebene der Verfassung gehoben werden. Das sind insbesondere:

  • der Status des Gerichts,
  • die Amtszeit der Richter*innen (12 Jahre),
  • die Altersgrenze der Richter*innen (68 Jahre),
  • die Zahl der Richter*innen (16),
  • die Zahl der Senate (2),
  • der Ausschluss der Wiederwahl der Richter*innen,
  • die Fortführung der Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines*r Nachfolgers*in,
  • die Bindungswirkung der Entscheidungen des Gerichts und
  • die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichts.
     

Möglichkeit eines Ersatzwahlmechanismus
Es soll dem einfachen Gesetzgeber erlaubt werden, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass das gesetzlich zuständige Wahlorgan (Bundestag oder Bundesrat) eine vakante Richter*innenstelle nicht rechtzeitig neu besetzt. Für diesen Fall soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Wahlrecht auch durch das andere Wahlorgan ausgeübt werden kann. In das Grundgesetz soll dazu eine Öffnungsklausel eingefügt werden. Eine solche ist notwendig, weil damit – zeitweilig – von der verfassungsrechtlichen Vorgabe abgewichen werden kann, dass die Mitglieder des BVerfG zur Hälfte vom Bundesrat und Bundestag gewählt werden. Damit wird sichergestellt, dass das BVerfG handlungsfähig bleibt, auch wenn es im zuständigen Wahlorgan zu dauerhaften Schwierigkeiten kommt, sich auf einen von einer Zweidrittelmehrheit getragenen Kandidaten oder Kandidatin zu einigen.

Auf Basis dieser Öffnungsklausel soll im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) zeitgleich ein solcher Ersatzwahlmechanismus eingeführt werden: Kann sich ein Wahlorgan nicht auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen oder wird die Wahl durch eine Sperrminorität blockiert, schlägt – wie bisher schon im BVerfGG vorgesehen – das BVerfG drei Kandidat*innen vor. Bundestag und Bundesrat sind an diese Vorschläge weiterhin nicht gebunden.

Hat das zuständige Wahlorgan nach drei Monaten keine*n Nachfolger*in gewählt, kann auch das andere Wahlorgan an seiner Stelle eine*n Richter*in wählen. Dies bedeutet, dass beide Wahlorgane weiterhin gleichermaßen zur Wahl berechtigt sind. Keines hat dabei einen Vorrang; zum Zuge kommt das Organ, in dem die Wahl zuerst gelingt.

Weiteres Vorgehen

Es wird bald ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestages eingebracht. Die Länder, Verbände und insbesondere auch das Bundesverfassungsgericht werden in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen. Ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens soll noch in dieser Legislaturperiode erfolgen.