Pressemitteilung vom 24.07.2024

Kabinettsbeschluss zum „Steuerfortentwicklungsgesetz“

Zum heutigen Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zu den umfassenden Regelungen im „Steuerfortentwicklungsgesetz“ erklärt Katharina Beck, Sprecherin für Finanzpolitik:

Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein der Wirtschafts- und Wachstumsinitiative der Bundesregierung und enthält sehr gute Maßnahmen auch zur Stärkung von Kindern und Familien und eine bessere finanzielle Stellung bei der Erwerbstätigkeit vor allem von Frauen.

Insgesamt ist das Kinderpaket ein großer Erfolg. Sehr wichtig sind die Planungen im vorliegenden Gesetzentwurf, Kinder und Familien weiter steuerlich zu entlasten. Aspekte wie eine weitere Kindergelderhöhung sind mit dem Gesetzentwurf angestoßen, was wir sehr begrüßen. Die Ampelkoalition legt nach ihrer historisch höchsten Kindergelderhöhung aus dem Jahr 2022 noch einmal nach, damit wir auf dem Weg zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland endlich weiterkommen. Auch wenn tatsächlich alle Kinder profitieren, was sehr gut ist - uns ist und bleibt wichtig: Kinder aus weniger gut verdienenden Familien sollten stärker berücksichtigt werden als im vorliegenden Gesetzentwurf, der noch ein Ungleichgewicht zugunsten einer Bevorteilung von Familien mit hohen Einkommen beinhaltet.

Jetzt ist die Reform der Lohnsteuerklassen, die bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, und auf die wir im Parlament lange gedrungen haben, endlich auf den Weg gebracht. Eine Abschaffung der Steuerklasse 5, die starke Anreize zur Nicht- oder Wenigarbeit setzt und damit Verarmung von Frauen und perspektivisch zu Altersarmut von Frauen beiträgt, war mehr als überfällig. Es werden auch Steuernachzahlungen am Ende des Jahres vermieden. Ich begrüße die Änderung bei den Steuerklassen auch aus einem wirtschaftspolitischen Grund sehr. Viel zu häufig finden wir immer noch Rahmenbedingungen vor, die eine Aufnahme oder Ausweitung von Erwerbsarbeit bei Frauen negativ anreizen - in kaum einem anderen EU-Land ist der Anteil von Frauen in Teilzeit höher. Mit der nun geplanten Reduktion von steuerlichen Negativanreizen kann dem aktuellen Arbeitskräftebedarf in Deutschland begegnet werden. Wir schaffen so Anreize für Mehrbeschäftigung und das ist gut und zeitgemäß. Dem großen Potential der Erwerbstätigkeit von Frauen wurde unter uniongeführten Regierungen leider viel zu selten Priorität eingeräumt. Daher ist es wichtig, dass diese Reform zügig Anwendung findet, wir werden die Regierung an ihre Vereinbarung erinnern, dass die Neuregelung der Steuerklassen früher als 2030 umgesetzt ist.

Mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz sollen auch weitere Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative der Bundesregierung umgesetzt werden.

Wir begrüßen insbesondere die Ausweitung der steuerlichen Forschungszulage. Die Forschungszulage ist ein ebenso zielgerichtetes wie wenig bürokratisches Instrument, das die Innovationskraft unserer Wirtschaft stärkt. Es handelt sich bei der Forschungszulage um einen sogenannten „tax credit“, ein Instrument, das die USA sehr erfolgreich im Rahmen ihres „Inflation Reduction Act“ anwenden. Die Koalitionsfraktionen hatten im Rahmen des Wachstumschancengesetzes die Bundesregierung um eine Anwendung von „tax credits“ für bessere Anreize für Schlüsseltechnologien aufgefordert. Dieser Aufforderung ist das Kabinett nicht nachgekommen, was wir bedauern und im parlamentarischen Verfahren noch einmal genau anschauen werden.

Die Entbürokratisierung von Abschreibungen für geringer wertige Wirtschaftsgüter ist sehr zu begrüßen, auch wenn wir Details sicher noch verbessern können im parlamentarischen Verfahren. Die Ausweitung der degressiven AfA über mehrere Jahre kann durch bessere, mittelfristige Planbarkeit nicht nur zu Mitnahmeeffekten, sondern zu wirklichen Investitionsanreizen vor allem im Mittelstand führen. Die hohen haushalterischen Konsequenzen für Bund, Länder und Kommunen werden aber sicherlich noch für Diskussionen in Bundestag und Bundesrat führen.

Die Anpassung des Einkommensteuertarifs soll Millionen von Menschen, die arbeiten, entlasten. Auch hier begrüßen wir die Entlastung vor allem derjenigen, die wenig oder mittel verdienen, sehr, denn diese Gruppen leiden am meisten unter den gestiegenen Preisen und der Inflation, die lange sehr hoch war. Dass nun erneut, nach dem Inflationsausgleichsgesetz aus dem Jahr 2022, viel Verdienende absolut gesehen deutlich stärker entlastet werden sollen als wenig Verdienende, erachten wir sowohl von den finanziellen als auch von den gesellschaftlichen Effekten her als wenig sinnvoll. Hier sollte es Verbesserungen bei der Zielgerichtetheit geben.

Aus Sicht der Grünen Bundestagsfraktion gibt es im Gesetzentwurf also viel Licht, vor allem für Kinder, für die Entlastung für arbeitende Menschen und für die Wirtschaft – aber eben auch Schatten im Gesetzentwurf. Diskussionswürdig sind vor allem die hohen finanziellen Mindereinnahmen, neben dem Bund auch auf der Kommunal- und Länderebene, wo derzeit viel Geld für wichtige Investitionen wie in funktionierende Schulgebäude fehlt. An dieser Stelle wird sicherlich noch viel gesprochen werden müssen. Verbesserungswürdig ist für uns auch der Gerechtigkeitsaspekt: Sowohl bei der Entlastung bei der Einkommensteuer, als auch bei den Entlastungen für Kinder sollte ein größerer Schwerpunkt auf die Entlastung von unter der Inflation besonders leidenden Menschen mittlerer und unterer Einkommen liegen. Gerade im Lichte der finanziellen Lage von Bund, Ländern und Kommunen sind Entlastungen mit der Gießkanne derzeit wenig vertretbar, sondern sie sollten gezielt sein.

Zu Licht und Schatten gehört auch der Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts: Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf eine Klarstellung enthält, dass Vereine auch zu tagespolitischen Themen Stellung beziehen dürfen, ohne dass sie ihre Gemeinnützigkeit gefährden. Die Äußerungen müssen jedoch aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und ihrer in der Satzung festgeschriebenen Zweckverfolgung, z.B. Förderung von Sport oder Kunst, untergeordnet sein. Das größere im Koalitionsvertrag vereinbarte Paket zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, das auch eine Schaffung von Rechtssicherheit bei nicht nur gelegentlicher politischen Betätigung von Organisationen vorgesehen hatte, wird somit nicht umgesetzt. Ebenso fehlen die anderen Punkte des Pakets, wie die Gemeinnützigkeit von E-Sports. Wir bedauern, dass das Kabinett das Paket nicht einen konnte, und werden hoffentlich im Parlament noch gute Einigungen erzielen. Diese wären für diverse gesellschaftliche Bereiche sehr relevant.

Hinweisen möchten wir Unternehmen und Menschen in Deutschland auf sicher noch kommende Änderungen am Gesetzesumfang, denn insgesamt würden die Maßnahmen im Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetz zu Mindereinnahmen in Höhe von 75 Mrd. Euro für die nächsten vier Jahre führen, die durchschnittliche volle Jahreswirkung ist auf 21 Milliarden geschätzt. Es muss beim Erwartungsmanagement klar sein: Gerade nach den Erfahrungen des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz, durch welchen das Finanzvolumen des damaligen Gesetzes aufgrund knapper Kassen bei Ländern und Kommunen auf „nur“ gut drei Milliarden halbiert wurde, ist es mehr als fraglich, ob und in welchem Umfang der Bundesrat diese erneuten starken Mindereinnahmen mittragen wird. Wir sind hierzu in konstruktiven Gesprächen mit Landesregierungen und werden diese nun, da das Gesetz ins parlamentarische Verfahren geht, als Bundestagsfraktion noch intensivieren.

Hintergrundinfos zu Kindergeld und Kinderfreibetrag:

Mit dem Gesetz will das Kabinett den Kinderfreibetrag und das Kindergeld anheben. Leider werden die jährlichen Erhöhungen beim Kinderfreibetrag die Entlastungswirkung durch die Anhebung des Kindergeldes deutlich übersteigen und die Spreizung zwischen beiden Leistungen weiter zunehmen. Während beispielsweise Familien mit sehr hohem Einkommen bereits aktuell über die Steuer einen Zuschlag zum Kindergeld und dann insgesamt bis zu 368 Euro pro Monat für ihr Kind bekommen, erhalten Familien ohne diesen Zuschlag mit dem Kindergeld lediglich 250 Euro monatlich. Diese Ungerechtigkeit wird durch die geplanten Änderungen weiter zunehmen – das Gegenteil, auf was sich die Ampelregierung eigentlich im Koalitionsvertrag verständigt hatte. Insbesondere von Anpassungen im oberen Bereich des Einkommensteuertarifs und von der Anhebung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag profitieren ebenso ausschließlich Menschen mit sehr hohem Einkommen. Hier sollten wir andere Prioritäten setzen.