Rede von Helge Limburg Zu Protokoll: Rechtshilfe mit Brasilien

27.06.2024

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das Verbrechen hält sich nicht an nationale Grenzen. Und darum ist es grundsätzlich gut, wenn demokratische Rechtsstaaten international zusammenarbeiten. Grenzüberschreitende Verbrechen können nur effektiv bekämpft werden, wenn es eine strukturierte Zusammenarbeit der jeweiligen nationalen Strafverfolgungsbehörden gibt. Verbrecher, die aus einem Land in ein anderes Land fliehen, dürfen sich nicht sicher fühlen. Die Strafverfolgung darf nicht durch nationale Grenzen blockiert werden. Und deshalb ist es grundsätzlich richtig und wichtig, wenn es Abkommen zwischen demokratischen Rechtsstaaten zur Zusammenarbeit in Strafsachen gibt. Das vorliegende Abkommen zwischen Deutschland und Brasilien ist ein solches Abkommen. Der Abschluss ist ein wichtiges Zeichen für bilaterale Kooperation und auch ein Ausrufezeichen im Kampf gegen internationale Verbrechen und die Organisierte Kriminalität. Bisher erfolgte die Rechtshilfe zwischen beiden Staaten auf vertragloser Grundlage. In den Jahren 2020 bis 2022 sind jeweils zwischen zehn und 15 Rechtshilfeersuchen gestellt und empfangen worden. In der Vergangenheit wurden zwar gestellte Rechtshilfeersuchen durch brasilianische Behörden umgesetzt, bis dahin vergehen jedoch im Durchschnitt 18 Monate. Deshalb ist zu begrüßen, dass dieser Vertrag zu einer Beschleunigung der Zusammenarbeit und dieser Verfahren beiträgt.

Das Abkommen regelt also eine deutlich effizientere Zusammenarbeit bei strafrechtlichen Ermittlungen, um der Zunahme der internationalen Kriminalität, insbesondere im Bereich der Betäubungsmittelstraftaten, der Sexualdelikte, des Menschenhandels und der Vermögensstraftaten, entgegenzuwirken. Es geht um Hilfe bei Zeugenvernehmungen, Auskünfte, den Austausch von Daten und Beweismitteln. Auch eine Vernehmung per Videokonferenz wird ermöglicht.

Das Abkommen regelt ausdrücklich nicht die Auslieferung von Verdächtigen. Geregelt wird nur die vorübergehende Überstellung von (inhaftierten) Zeugen zwecks Vernehmung und zur Unterstützung von Ermittlungen im jeweils anderen Land, und das auch nur mit vorheriger Zustimmung des Zeugen selbst. Das ist insofern wichtig, weil die Haftbedingungen in Brasilien nach wie vor nicht den menschenrechtlichen Standards entsprechen. Das sind Feststellungen, die der oberste Gerichtshof in Brasilien selbst getroffen hat. Eine eventuelle Auslieferung ist also unabhängig von diesem Abkommen und immer in Ansehung der tatsächlichen Verhältnisse in Brasilien zu beurteilen. Aber natürlich muss auch hier gelten, dass es für Verbrecher auf der Flucht keinen sicheren Hafen geben darf, nirgendwo.

In den vergangenen Jahren wurde Brasilien von einem rechtsextremen, rechtsstaatsfeindlichen, demokratiefeindlichen Präsidenten regiert. Unter der Regierung Bolsonaro kam ein Abschluss dieses Abkommens zu Recht nicht infrage. Der jetzige Präsident Lula führt Brasilien zurück auf den Weg zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Und deshalb ist der jetzige Abschluss auch als Unterstützung für seinen Kurs zu sehen. Klar ist aber: Das Abkommen stellt – was Standard ist – die Zusammenarbeit unter einen Ordre-public-Vorbehalt. Jeder Einzelfall wird geprüft und die bestehende Rechtspraxis, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtssituation in Brasilien berücksichtigt. Sollte es im Einzelfall oder unter zukünftigen Regierungen generell Zweifel an rechtsstaatlichen Mindeststandards geben, dann können und werden wir die Zusammenarbeit versagen. Dieses Abkommen darf nicht für rechtsstaatswidrige Zwecke missbraucht werden. Und das stellen wir sicher mit der ausdrücklichen Möglichkeit, die Rechtshilfe im Einzelfall zu versagen. Auch kann die Rechtshilfe von der Erfüllung konkreter Bedingungen abhängig gemacht werden.

Weiterhin wird ein Mindestschutzniveau für den Umgang mit betroffenen Daten festgelegt und klargestellt, dass die im jeweiligen Land geltenden Übermittlungsverbote einzuhalten sind. Zudem kann die übermittelnde Stelle in Deutschland Bedingungen stellen, die den konkreten Umgang mit personenbezogenen Daten in Brasilien festlegen. Dadurch wird dem Risiko der Aushöhlung des Datenschutzes in der Praxis entgegengewirkt.

Dieses Abkommen fördert die internationale Verbrechensbekämpfung, es stärkt die Zusammenarbeit von Deutschland und Brasilien, und es verschließt den Verbrechern ein weiteres Schlupfloch in die Straffreiheit. Also ist es gut, dass wir es heute verabschieden.