Rede von Dr. Manuela Rottmann Wirtschaftsstreitigkeiten

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04.07.2024

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die deutsche Sprache ist wunderschön.

(Stephan Brandner [AfD]: Das stimmt!)

Sie wird leider oft gequält, besonders in den Reden der AfD, um damit Hass und Hetze in diesem Haus zu verbreiten,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP] – Stephan Brandner [AfD]: Das stimmt nicht! Besser als grüner Mist!)

und dafür ist diese Sprache eigentlich nicht gemacht.

Unsere Bürgerinnen und Bürger können sicher sein, dass sie in Zukunft vor Gericht in ihrer eigenen Muttersprache verstanden werden; daran gibt es keinen Zweifel. Es gibt sicher Handlungsbedarf, dass man die deutsche Juristensprache verständlicher macht. Also, nur weil wir Deutsch sprechen, werden wir nicht immer verstanden von denjenigen, um die es geht. Aber darauf, dass sie vor Gericht verstanden werden, können sich die Menschen verlassen.

Worum es in diesem Gesetz geht – und das haben Sie vielleicht nicht verstanden –, ist, Schiedsverfahren – die es längst gibt und die längst in englischer Sprache geführt werden, weil wir halt nicht mehr in den Zeiten von Max Weber leben, sondern die Exportnation auf der Welt sind – öffentlicher zu machen, zur Rechtsfortbildung zu nutzen und der englischen Sprache zu öffnen. Wenn Sie zu diesem Schritt nicht in der Lage sind, dann, würde ich sagen, legen wir Deutschland besser nicht in Ihre Hände; denn sonst entwickelt es sich zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Da redet ja die Expertin! Was haben Sie alle aus Deutschland gemacht?)

Ich möchte was zum Verhältnis Bund-Länder sagen, weil auch das angesprochen wurde. Wir haben seit 75 Jahren das Grundgesetz. Meine These ist: Der Grundgedanke, mit dem wir uns am meisten herumquälen, ist der Föderalismus.

(Stephan Brandner [AfD]: Uns quält das nicht! Wir sind erwachsene Föderalisten! Und wir mögen ihn!)

Daran schrauben wir immer wieder rum, auch im Rahmen der Föderalismuskommissionen.

Wir haben eigentlich eine klare Regelung: Die Justizverwaltung liegt bei den Ländern; wir im Bund sind dafür zuständig, die Verfahrensrechte gut zu machen. Und ich finde es richtig, dass wir uns um die Digitalisierung kümmern; denn es ist genauso absurd, dass das jedes Bundesland für sich alleine macht, wie wenn wir statt einer deutschen Post eine bayerische oder eine saarländische Post hätten. Das finde ich richtig.

Aber wir können nicht immer weiter die Zuständigkeiten vermischen.

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag!)

Auch die Bürgerinnen und Bürger verstehen irgendwann nicht mehr, ob ihr Landesjustizminister dafür verantwortlich ist, dass es ausreichend Richterinnen, Richter und Staatsanwälte gibt,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, warum schreiben Sie es im Koalitionsvertrag?)

oder ob es der Bundesjustizminister oder der Bundesfinanzminister ist.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Warum schreiben Sie es im Koalitionsvertrag?)

Das müssen wir sortiert halten, und deswegen finde ich den Weg, den diese Koalition in der Zusammenarbeit mit den Ländern geht, genau richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP] – Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Steht aber nicht im Koalitionsvertrag! – Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Ich empfinde es momentan so: Es weht ein Geist der Veränderung durch die Rechtspolitik,

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Ein Lüftchen!)

und zwar durch die Gerichte, durch die Justizministerien in den Ländern und auch durch die Bundespolitik, und dieses Gesetz ist ein Beispiel dafür. Vieles, was vor Corona vielleicht gar nicht denkbar war – wie Digitalisierungsideen –, ist jetzt möglich. Das liegt auch an einem Generationenwechsel.

Ich sage auch: Das mit der Sprachbegabung wird kein Problem sein; denn schon meine Generation ist zum Studieren ins Ausland gegangen. Nur alle die, die in die Justiz gegangen sind, haben gemerkt: Das brauche ich da gar nicht. Es fragt mich keiner danach, ob ich Englisch oder Französisch kann. – Das wird diese neue Generation können, und sie wird es gerne machen.

Es gibt ja schon Commercial Courts in Mannheim und Stuttgart.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ah, Mannheim! Da war doch was!)

Wenn man sich seine Homepage anschaut, sieht man, dass da etwas ganz Ungewöhnliches für deutsche Gerichte steht – also, ich habe bei keinem anderen Gericht so was gefunden –, nämlich: Ihr Topstandort für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten. – Also: Auch das ist ein neuer Geist, dass Gerichte darum werben, wahrgenommen zu werden und ihre Dienstleistungen, ihre Streitschlichtung anbieten zu können. Ich glaube, das ist die richtige Einstellung, mit der wir in die Zukunft gehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Zurück zum Föderalismus. Wir müssen das in Zusammenarbeit mit den Ländern machen, und das hat bei dem Beispiel gut geklappt. Aber die Stärkung des Justizstandorts Deutschland – auch das will ich mal ganz deutlich sagen – kann natürlich nicht nur für große Wirtschaftsunternehmen oder für KMUs gelten.

(Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Stärkung des Justizstandorts Deutschland bedeutet zum Beispiel auch – das sage ich, weil ich gerade die Kollegin Corinna Rüffer im Publikum sehe –: Was ist eigentlich mit unseren Sozialgerichten? Was ist eigentlich mit der Ausstattung der Anwaltschaft im Sozialrecht? Warum kämpfen eigentlich zum Beispiel Eltern von Kindern mit Behinderung so hart und so lange, um an ihre Rechte zu kommen? Also: Wir haben auch beim Justizstandort Deutschland noch viele blinde Flecken, die wir uns angucken müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Letzter Satz zum AGB-Recht, zum Herrn Dr. Plum und zum Klein-Klein. Sie werfen uns Klein-Klein vor. Ich habe bei Ihnen öfter das Gefühl, Sie haben keine Lust, sich mit dem Klein-Klein zu befassen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Na, na, na, na! Waren Sie bei der letzten Debatte auch dabei? – Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: An unseren Änderungsanträgen sehen Sie aber das Gegenteil!)

Das wird unvermeidlich sein, wenn wir vorankommen wollen. Ich teile die Einschätzung, dass wir beim materiellen Recht nach vorn kommen müssen. Aber zum Beispiel in dieser Anhörung haben Sachverständige die vielen Generalklauseln im deutschen Recht kritisiert. Wenn wir das AGB-Recht weglassen – das hasse ich seit meinem Studium; da haben Sie mich auf Ihrer Seite –, dann fallen wir zurück auf § 242 BGB, eine Generalklausel: Leistung nach Treu und Glauben. Das wäre das – das sagen uns viele –, was viele am deutschen Recht nicht mögen, weil das eben nicht so kodifiziert ist.

(Zurufe der Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU] und Dr. Martin Plum [CDU/CSU])

Also lassen Sie uns darüber reden und konkrete Vorschläge machen, aber ohne Klein-Klein wird es nicht gehen.

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Sie haben doch sechs Monate Zeit gehabt, darüber zu reden!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)