Rede von Sabine Grützmacher Vermögenseinziehung

Sabine Grützmacher MdB
05.07.2024

Sabine Grützmacher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und der Gruppe!

(Frank Rinck [AfD]: Oh ja, das war wichtig!)

Auch wenn ich nicht unglücklich bin, so kurz vor der Sommerpause über Geldwäsche sprechen zu dürfen, bin ich doch ein bisschen enttäuscht; denn in Ihrem Antrag, liebe Union, findet sich jetzt eher kalter Kaffee.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Aber nur mit Eis!)

Der mag angesichts der bevorstehenden Sommerpause als Eiskaffee ganz erfrischend sein, aber im Bereich der Bekämpfung von Finanzkriminalität haben Sie in den letzten Jahren statt Schlagkräftigkeit eher eine Art Schattenboxen veranstaltet. Der italienische Antimafiastaatsanwalt Nicola Gratteri beschreibt das Problem anschaulich – Zitat –:

„In Deutschland kann jemand mit Geldkoffern aufkreuzen – und niemanden interessiert es, ob der das Geld mit Kokain, menschlichen Organen oder Sklaven verdient hat.“

Solche Befunde zeigen: Wir haben von Ihnen ein Geldwäscheparadies geerbt,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ja, und was haben Sie bisher dagegen getan?)

und das müssen wir jetzt mühsam bearbeiten.

(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

– Herr Hauer, die Mafia hat nicht gerade erst Volljährigkeit gefeiert, die gibt es schon ein bisschen länger, und die gab es auch schon während Ihrer 16-jährigen Regierungszeit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber ausgerechnet die AfD hat gerade ausdrücklich bewiesen, wo das Problem liegt. So soll im März letzten Jahres der spätere AfD-Spitzenkandidat 30 000 Euro an eine wohl weitgehend inaktive Schuhfirma überwiesen und am selben Tag wieder abgehoben haben. Daraufhin gab die betreffende Bank konsequenterweise eine Geldwäscheverdachtsmeldung an die zuständige Behörde FIU ab. Diese brauchte dann ein ganzes Jahr für die Weiterleitung an die Generalstaatsanwaltschaft München. Jetzt ist die FIU dank neuer Leitung und neuem Gesetz auf den Weg gebracht.

(Jörn König [AfD]: Weil das erst jetzt vor der Wahl herauskommen sollte!)

Das Beispiel zeigt aber zwei Dinge: a) Behörden brauchen personell und technisch ausreichende Schlagkraft.

(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

b) Das größte Sicherheitsrisiko für unser Land – Sie von der AfD sprechen ja liebend gerne von Sicherheit in unserem Land – sind Sie von der AfD.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Nun warten Sie doch mal ab!)

Aber zum Antrag. Es ist kein Geheimnis, dass für uns zur Schlagkraft auch eine effektive Vermögensermittlung und -einziehung gehört. Aber, liebe Union, auch in der Expertenanhörung ist ja deutlich geworden, dass der schiere Ruf nach einer Zollpolizei diese Probleme nicht mal eben in Luft auflöst. Die Probleme müssen endlich angegangen werden; denn Geldwäsche ist ganz klar auch eine Frage nationaler Sicherheit.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wann kommt das Gesetz denn?)

Geldwäsche unterstützt rechtsextreme Desinformation und Terrorismus.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ihr schlaft seit zwei Jahren!)

Und: Das Geldwäscheproblem ist auch eine soziale Frage. Jährlich heizen 100 Milliarden schmutzige Euros, welche auch von der Mafia gewaschen werden, den deutschen Immobilienmarkt an und machen Wohnen unbezahlbar. Während Sie zwei Jahre geschlafen haben, Herr Hauer, was Sie gerade selber gesagt haben,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Nein, Sie haben geschlafen! Zwei Jahre schlummert das Gesetz!)

möchte ich daran erinnern, dass es die Law-and-Order-Partei Union war, die jahrzehntelang zugelassen hat, dass man mit dem Koffer voller Bargeld genau diese jetzt nicht mehr bezahlbaren Immobilien erwerben konnte. Als Koalition haben wir nämlich nicht geschlafen, sondern wir haben das Bargeldverbot beim Immobilienkauf endlich durchgebracht und diesem Spuk ein Ende bereitet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Genau dasselbe trifft auf das Geschäft mit Schrottimmobilien zu. Bei Zwangsversteigerungen reicht eine Anzahlung in Höhe von 10 Prozent, um nicht sanierte und oft in schlimmen Zuständen befindliche Gebäude weiterzuvermieten – bis zur nächsten Zwangsversteigerung. „Zahl ein Zehntel, und bekomme 100 Prozent der Mieterlöse“, das ist ein ganz toller Deal, nur nicht für die Mieterinnen und Mieter. Auch damit ist jetzt dank dem Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz Schluss. Wenn wir in der Sommerpause ein bisschen Zeit für Scrabble haben, gewinnen wir als Abgeordnete jede Partie.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Aber auch nur das!)

Die Kommunen können diese Immobilien nun vorübergehend einziehen, bis der volle Kaufpreis bezahlt wurde. Der Immobilienmarkt war jahrelang ein Höchstrisikobereich, und er ist immer noch ein Hochrisikobereich. Das kleine Einmaleins der Geldwäschebekämpfung wäre es gewesen, hier aufzuräumen. Das holen wir jetzt nach, und so muss es auch weitergehen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ja, wann denn?)

Und ja, es stimmt: Der Referentenentwurf eines Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetzes

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: … kommt noch!)

hat viel Kritik in der Verbändeanhörung bekommen. Auch wir Grüne sehen da noch viel Luft nach oben. Es ist halt, wie auch Herr Merz erfreulicherweise erkannt hat, wie beim Hausbau: Das schönste Gebäude funktioniert am besten mit Wärmepumpe; sonst bleibt es halt kalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um aber heiße Spuren des Geldes verfolgen zu können, arbeiten wir neben der Einrichtung einer schlagkräftigen Behörde daran, dass diese Behörde auch die notwendigen Instrumente, die notwendige Technikausstattung und die notwendige Datengrundlage bekommt, wie zum Beispiel Kriminalistikforschung, ein gepflegtes Transparenzregister oder auch die Ausstattung mit Software zur Verfolgung von Kryptogeldwäsche. Das bekommt sie aber nicht, indem Sie einen Antrag in das Schaufenster stellen, bei dem die ganze Facharbeit erst noch getan werden muss. Einfach zu fordern, bestehende Strukturen nur zu stärken, ist nicht die Lösung. Sie definieren weder, was genau ein „verdächtiger Vermögensgegenstand“ ist, noch, was „unklare Herkunft“ konkret bedeuten soll.

(Jörn König [AfD]: Dafür haben Sie doch Tausende Beamte in der Regierung! Das können die doch machen!)

– Ich weiß, Sie sind sehr weit rechts, aber versuchen Sie mal, die innere Mitte durch Atmen statt durch Brüllen zu finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn König [AfD]: Werden Sie nicht persönlich beleidigend! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD)

Wenn wir zukünftig organisierter als die Organisierte Kriminalität sein wollen, dann braucht es durchdachte und technisch gute Lösungen.

Wir werden für Fortschritte bei der Vermögensermittlung und -einziehung kämpfen und dafür sorgen, dass diese Stellschrauben festgezogen werden. Das erwarten auch wir Grüne sehr deutlich. Verstehen Sie mich bitte nicht bewusst falsch: Wir brauchen einen starken Zoll, und wir sind auch dankbar für die wertvolle Arbeit. Aber nach Ihrem Antrag wäre die Geldwäschebekämpfung bei der Zollpolizei eine von sehr vielen Aufgaben, die alltäglich bewältigt werden müssen. Wir aber wollen die Priorität bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität; denn die 100 Milliarden Euro, die uns jährlich verloren gehen, können wir gerade sehr gut brauchen. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Den Sumpf der Geldwäsche, den legen wir nur so trocken. Deswegen: Nutzen Sie also die Sommerpause, und machen Sie Ihre Hausaufgaben. Wir tun das auch.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir haben Gesetze vorgelegt! Sie haben kein Gesetz vorgelegt!)

Herr Hauer, Sie haben gesagt, das Chaos ist vorprogrammiert. Ich kann Ihnen sagen: Ja, wir Grüne konsultieren sogar das Chaos, nämlich den CCC. Die vom CCC sind wirklich sehr gut im Bereich Bürger/-innenrechte im Einklang mit Ermittlungsverfahren. Und auch das kann ich nur empfehlen.

Vielen herzlichen Dank. Ich wünsche allen eine schöne Sommerpause.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich grüße Sie hier am Freitagmittag.

Wir fahren fort in der Debatte, und als Nächster erhält das Wort Maximilian Mordhorst für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Es wird nicht besser!)