Rede von Misbah Khan Tätigkeitsbericht Datenschutz

26.06.2024

Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmal ist keinmal, zweimal ist Tradition, und dreimal ist Brauchtum. Wir besprechen dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge den BfDI-Tätigkeitsbericht in diesem Hohen Haus. Ich freue mich, sagen zu können: Wir begründen damit eine neue Tradition. Ich glaube, das zeigt auch die Bedeutung der Themen „Datenschutz“ und „Informationsfreiheit im digitalen Zeitalter“.

Ich möchte mit dem Thema Datenschutz beginnen und gleich von Anfang an betonen: Wir sprechen hier nicht über Banalitäten. Die IT-Sicherheitslage des Bundes ist laut BSI ungebrochen kritisch. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet das, dass ihr jedes Jahr ein Schaden von 200 Milliarden Euro entsteht. Warum?

(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])

Wegen Datendiebstahl, Cybercrime und Ähnlichem. Das ist ein Problem. Gleichzeitig wird hier im Parlament, wie gerade wieder von der Union, das Thema Datenschutz hauptsächlich als Innovationshemmnis dargestellt.

(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Die Folgen des Datenschutzes!)

Auch in unserer Koalition stellt es uns vor Herausforderungen, weil wir die IT-Sicherheit aus Kostengründen depriorisieren.

Wer allerdings ernsthaft glaubt, dass wir die beiden Fragen nicht zusammendenken können, hat fundamentale Logiken der digitalen Welt überhaupt nicht verstanden und gefährdet damit den Wohlstand dieses Landes und auch Bürgerrechte.

Der Tätigkeitsbericht verdeutlicht die Breite und gleichzeitig auch die Dringlichkeit datenschutzrechtlicher Themen; angesichts neuer Technologien wird das immer herausfordernder. Der BfDI sieht da einen dringenden Handlungsbedarf zum Schutz der Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern. Da gibt es einiges zu tun.

Drei Beispiele: einmal die Diskussion über das Verbot biometrischer Videoüberwachung im öffentlichen Raum, dann das Auslesen unserer privatesten Kommunikation dank der Chatkontrolle – das hatten wir vorhin schon zum Thema – und die Frage, ob wir hoheitlich erhobene biometrische Daten privaten Unternehmen zur Verfügung stellen wollen. All das sind grüne Forderungen, und wir sagen ganz klar: Der Datenschutz ist keine Lappalie. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag deutlich gemacht und uns gemeinsam darauf geeinigt, dass dem nicht so ist. Wir als Abgeordnete tun gut daran, unserer Verantwortung für Freiheit und Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger an der Stelle gerecht zu werden.

Der zweite Block, für den der BfDI zuständig ist, ist die Informationsfreiheit, also das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Informationen über die Tätigkeiten öffentlicher Stellen. Das Open Data Ranking – das ist ein Projekt der Open Knowledge Foundation – hat den Bund mit den 16 Bundesländern verglichen. Wo stehen wir da? Im Mittelfeld – eine nicht so gute Position für uns, würde ich sagen. Das liegt daran, dass wir kein Recht auf Open Data haben und weil Aufholbedarf beim Datenportal und bei der Qualität besteht. Das kann und das darf nicht unser Anspruch sein. Zu Recht hat deshalb das „Bündnis Transparenzgesetz“ genau 51 550 Unterschriften gesammelt, um zu betonen: Das ist ein Missstand, der behoben werden muss.

Wie ist der Stand jetzt? Bürgerinnen und Bürger haben ein berechtigtes Interesse an einer Information und fragen sie an. Dann überprüft die Behörde, ob und wie sie die Information bereitstellen kann. Das kann eine Weile dauern. Manchmal wird sogar eine Gebühr dafür verlangt, eine Information herauszugeben, deren Erstellung bereits mit Steuergeldern bezahlt worden ist. Das ist nicht die Art des transparenten Staates, den wir im 21. Jahrhundert haben wollen.

Natürlich muss der Staat dafür sorgen, dass die Verwaltung im 21. Jahrhundert digital ist. Wir wollen Mitarbeitende entlasten, und sie sollen auch für andere wichtige Arbeit Zeit haben. Aber das erreichen wir nur durch einen Automatismus, der von Anfang an Transparenz schafft. Würden wir Daten grundsätzlich offen zur Verfügung stellen, könnten zum einen Bürgerinnen und Bürger, zum anderen auch die Wirtschaft von diesen Daten profitieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wer kann denn etwas dagegen haben, die engagierte Zivilgesellschaft und die Wirtschaft gleichzeitig glücklich zu machen? Daher bitte ich an der Stelle auch die Bundesregierung, ihr Versprechen einzulösen und die Verwaltungsdigitalisierung mit einem Schub voranzutreiben.

Auch ich möchte das Ende meiner Rede an Professor Kelber adressieren. Es ist Ihr letzter Tätigkeitsbericht; das haben wir gerade schon gehört. Auch von grüner Seite einen ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie mit Ihrer Arbeit die Wahrung der Grundrechte und das Recht auf Privatsphäre, das in diesen herausfordernden Zeiten immer durch Sie geschützt worden ist, gewährleistet haben! Während andere Akteure immer wieder und immer weiter tote Pferde geritten haben – ganz konkret: die Vorratsdatenspeicherung –, haben Sie sich um die neuen herausfordernden Themen gekümmert, zum Beispiel die künstliche Intelligenz. Das ist auf immer wieder neuen und kreativen Wegen passiert, wie mit Pixi-Büchern, in denen Sie auf Informationsfreiheit und auf Datenschutz aufmerksam gemacht haben.

Nicht zuletzt füllten Sie ohne jeden Zweifel die unabhängige Aufsichtsfunktion aus, die Sie in dieser Rolle haben sollten, und haben dadurch auch ganz praktisch zur Durchsetzung von Datenschutz geführt. Was mich persönlich angeht – ich darf diesen Job jetzt fast drei Jahre machen –: Für die Begleitung bei Gesetzesvorhaben durch Sie und durch Ihr Team, für die Fachexpertise, dafür kann man nur danken.

Mit großer Mehrheit haben wir im Bundestag vor Kurzem Ihre Nachfolge mit Professor Dr. Louisa Specht-Riemenschneider bestimmt. Ich bin sicher, sie wird diese Aufgabe genauso versiert annehmen. Die jetzt anstehende kurze Vakanz ist natürlich nicht ganz günstig und gleichzeitig auch keine Seltenheit in der Geschichte des BfDI. Deshalb möchte ich an der Stelle auch dem Stellvertreter Jürgen Müller danken, der unzweifelhaft die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit dieser Behörde gewährleistet.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt also ganz zum Schluss zu sagen: Vielen herzlichen Dank, Herr Professor Kelber, für die Arbeit von Ihnen und Ihren Mitarbeitern im letzten Jahr und dafür, dass Sie das digitale Zeitalter auch an der Stelle sichergestellt haben. Ich möchte enden mit Kelber’s Law, das uns sicher auch nach Ihrer Amtszeit weiter begleiten wird: Wann immer es heißt, irgendetwas Sinnvolles gehe nicht wegen Datenschutz, liegt es sicher nicht am Datenschutz.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Steffen Janich für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)