Rede von Canan Bayram StGB – Kommunikationsmittel und Handlungen im Ausland

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18.06.2020

Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident; jetzt ist ja wieder Stimmung hier in der Bude. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf ist eine der sehr seltenen Beispiele für systematisches Arbeiten der Bundesregierung am Strafgesetzbuch. Auch wenn es dabei überwiegend um formale Änderungen geht: Zentrale Aufgabe des Bundesjustizministeriums ist es, die Einheit der Rechtsordnung, die Einheit des Strafgesetzbuches im Blick zu behalten und dabei die Grundsätze des Strafrechts mit der nötigen Festigkeit zu wahren. Dabei weder vor der „Bild“-Zeitung noch vor dem Koalitionspartner einzuknicken, gelingt hier allerdings nicht. Was wir derzeit zum § 176 Strafgesetzbuch erleben, ist jenseits jeder rationalen Kriminalpolitik, gegen alle wissenschaftliche Erkenntnis und bringt das System des Strafgesetzbuches durcheinander – es rettet übrigens auch kein Kind, meine Damen und Herren.

Was an systematischer Arbeit beim Strafgesetzbuch zum Beispiel fehlt, ist die seit Jahren ausstehende Gesamtüberarbeitung seines Dreizehnten Abschnitts, der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dafür liegt ein Expertenbericht dem BMJV vor. Über punktuelle Änderungen hinaus wird aber nichts getan.

Was ebenfalls seit Jahren fehlt, ist die Überarbeitung und Reform der Tötungsdelikte. Da traut sich die Koalition nicht heran.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

2015 hatte eine Expertengruppe Empfehlungen vorgelegt, dann gab es, 2016, einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, und dann ist die SPD vor der Union eingeknickt. Bei dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, werden richtigerweise überholte Begriffe wie „Schwachsinn“ und „Abartigkeit“ ersetzt. Auch bei den Tötungsdelikten gibt es Begriffe, die auf die sogenannte Tätertypenlehre der Nationalsozialisten zurückgehen und reformiert werden müssten.

Selbst kleine Veränderungen, die Gegenstand des heute zu beratenden Gesetzentwurfs hätten sein können, bleiben unbearbeitet. Was ist etwa mit dem Begriff der schädlichen Neigung im Jugendgerichtsgesetz? Der ursprünglich 1941 eingeführte Begriff ist stigmatisierend und unterstellt eine Defektpersönlichkeit; er ist zudem viel zu unbestimmt. Die Unionsländer hatten dazu im Bundesrat schon vor einigen Jahren einen guten Vorschlag gemacht, den könnte man einfach übernehmen.

Und was ist mit dem Begriff der rassischen Gruppe im Volksverhetzungsparagrafen, § 130 StGB: Kann die Koalition oder das Bundesjustizministerium einmal erklären, wer mit diesem Begriff gemeint sein soll? Mit dem vorliegenden Gesetz wird zwar § 130 Strafgesetzbuch geändert, was im Inland wahrnehmbare Handlungen, die im Ausland stattfinden, angeht – gut so! –, aber eine wirkliche Reform bekommt die Bundesregierung auch bei dieser Gelegenheit nicht zustande.

Insgesamt handelt es sich gleichwohl um einen ordentlichen Gesetzentwurf, den wir wohlwollend beraten werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner, SPD, hat seine Rede zu Protokoll

gegeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Alexander Hoffmann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)