Rede von Canan Bayram Recht
Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 16 Jahre Strafverschärfungen und Aushöhlung der Beschuldigtenrechte haben ein Ende; damit ist jetzt Schluss. Jetzt ist Zeit für evidenzbasierte Kriminalpolitik und Rechtsstaatlichkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh, Herr Buschmann, dass Sie das in Ihren Interviews, die Sie über den Jahreswechsel gegeben haben, schon deutlich gemacht haben. Denn unsere Verfassung macht klar: Das Strafrecht soll und muss Ultima Ratio sein. Wir werden insoweit, wie Sie es befürchtet haben, Frau Lindholz, liberalisieren, wir werden legalisieren, wir werden entkriminalisieren, und, ehrlich gesagt, freue ich mich auch schon darauf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es kann doch nicht sein, dass Menschen ins Gefängnis kommen, weil sie sich kein U-Bahn-Ticket leisten können – Frau Mohamed Ali hat es hier schon gesagt und freut sich ebenfalls darauf, Herr Buschmann, dass wir das zusammen ändern wollen –; das ist ungerecht, damit machen wir Schluss.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ebenso ungerecht ist es, Menschen dafür zu bestrafen, dass sie Lebensmittel aus dem Müll retten. Nein, das sind für mich Helden. Die will ich feiern und nicht bestrafen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Klar ist für uns auch, dass endlich die Strafbarkeit der sogenannten Werbung für den Schwangerschaftsabbruch nach § 219a des Strafgesetzbuchs zu streichen ist. Die Information darüber, dass Abbrüche in einer Praxis angeboten werden, ist keine Werbung, sondern Teil der medizinischen Versorgung, und die wollen wir gewährleistet haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Der völlig absurden Praxis der strafrechtlichen Verfolgung von Ärztinnen und Ärzten werden wir ein Ende setzen.
Wir konzentrieren uns vielmehr auf die wirklich erforderliche Bekämpfung von Kriminalität, sei es auf die Geldwäschebekämpfung mit der Einziehung von illegalen Vermögenswerten oder auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität durch höhere Transparenz, insbesondere im Bereich der Immobilienwirtschaft. Das ist das, wofür wir uns einsetzen wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Weil Organisierte Kriminalität immer häufiger grenzüberschreitend stattfindet, verbessern wir auch die justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union mit einer starken Europäischen Staatsanwaltschaft und einer klaren Gesetzeslage zur Ausstellung des Europäischen Haftbefehls. Für die effektive Strafverfolgung geben wir den Behörden die finanziellen und technischen Möglichkeiten und Mittel an die Hand, indem wir den Pakt für den Rechtsstaat verlängern – die Kollegin hat das vorhin auch schon gesagt – und um einen Digitalpakt für die Justiz erweitern.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Benjamin Strasser [FDP])
Dazu wollen wir die Strafprozesse reformieren. Wir wollen sie effizienter machen und gleichzeitig die Beschuldigtenrechte durch die Aufzeichnung von Vernehmungen und der Hauptverhandlungen stärken.
Ich kann hier meinem Vorgänger als direkt gewähltem Abgeordneten in Friedrichshain-Kreuzberg einen Gruß schicken. Lieber Hans-Christian Ströbele, wir stehen kurz davor: Wir geben bald das Hanf frei. – Das ist das, wofür wir hier auch stehen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen, dass die Menschen dafür nicht mehr kriminalisiert werden; denn dieses Verbot macht gar keinen Sinn. Wir wollen stattdessen dafür sorgen, dass nur Erwachsene an diesen wertvollen Stoff herankommen
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und dieser dann auch in einer Qualität geliefert wird, die niemandem schadet. Regulierung und Aufklärung statt Repression: Das ist das, was sich diese Koalition vorgenommen hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Weil das in meinem Wahlkreis Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg -Prenzlauer Berg Ost viele Menschen beschäftigt – sie wollen Sicherheit; das haben Sie mehrfach gesagt, Herr Kuhle –: Die Menschen haben Angst vor Verdrängung aus ihren Kiezen, sie haben Angst davor, ihre Wohnung zu verlieren. Sie dürfen nicht frei von Schutz sein. Wir müssen gesetzlich dafür sorgen, dass die Menschen geschützt werden, sodass sie in ihren Wohnungen bleiben können.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen einen Mietenstopp, wir brauchen mietrechtliche Bestimmungen, durch die die Menschen in ihren Wohnungen bleiben können. Wir brauchen ein kommunales Vorkaufsrecht, damit der Staat die Mieter/-innen schützen kann. Ich biete Ihnen natürlich meinen wunderschönen Gesetzentwurf zum Schutz der Gewerbemieter/-innen an; denn auch die Gewerbemieter/-innen sind bedroht von Verdrängung und brauchen Ihren Schutz.
Lassen Sie uns Freiheit und Solidarität gemeinsam denken! In diesem Sinne freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Vielen Dank, Frau Kollegin Bayram. – Als Nächstes erhält das Wort für seine erste Rede im Bundestag der Kollege Macit Karaahmetoğlu für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)