Rede von Dr. Ingrid Nestle Netzausbau

Foto von Ingrid Nestle MdB
05.07.2024

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten von uns sind wahrscheinlich in Gedanken noch mit der Einigung der letzten Nacht beschäftigt, den großen Entscheidungen, die gefallen sind, und dem Weg nach vorne, der aufgezeigt worden ist. Trotzdem müssen wir uns jetzt und hier auch wieder um die anderen Dinge kümmern, die unser Land braucht. Es gehört zum guten Regieren,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

dass man sich auch in diesen Momenten, in denen politisch gerade ganz viel passiert, um die Dinge kümmert,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Parallelwelt! Deswegen haben die Cannabis legalisiert!)

die gar nicht so klein sind; denn es geht um den Infrastrukturausbau. Er ist für unser Land wichtig. Deshalb kehren wir zu diesem Thema zurück und werden wichtige Beschlüsse fassen. Es geht um den Infrastrukturausbau. Es geht um den Ausbau der Stromleitungen.

Erst gestern Abend haben Sie von der Unionsfraktion einen Antrag vorgelegt, der sinngemäß sagt: Wenn man die Erneuerbaren schnell ausbaut, braucht man auch viele Stromleitungen. – Da haben Sie völlig recht. Was Sie noch nicht so richtig bemerkt haben, ist – glaube ich –, dass wir den Ausbau der Stromleitungen tatsächlich massiv beschleunigt haben. 2, 4 und 15 sind die Zahlen, die das beschreiben. Wir haben die fertiggestellten Kilometer in diesem Jahr verdoppelt gegenüber 2021; mal zwei. Die Kilometer, die in Bau gegangen sind, werden sich vervierfacht haben und die genehmigten Kilometer mal 15. Faktor 15 in drei Jahren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dort, wo wir uns kümmern, liefern wir, so auch beim Thema Infrastrukturausbau. Genau das ist der Grund, warum wir heute früh hier zusammenkommen und tatsächlich nur über die Stromleitungsbeschlüsse aus diesem Gesetzentwurf sprechen. Der Rest ist noch nicht fertig. Das ist schade. Ich hätte jetzt gern alles gemacht.

Dieser Teil ist dringlich. Er ist dringlich, weil der Ausbau der Stromleitungen so schnell geworden ist. Wir haben im letzten Netzentwicklungsplan festgestellt, dass noch ein paar Leitungen notwendig sind, wenn man tatsächlich bis 100 Prozent erneuerbare Energien guckt und nicht nur bis zu einem Teilausbau, und dass zwei dieser Leitungen – um die geht es heute – mit anderen Leitungen gebündelt werden können, die erst im letzten Bundesbedarfsplangesetz beschlossen worden sind. Obwohl sie erst vor Kurzem beschlossen worden sind, ist die Planung schon so weit, dass wir, wenn wir bündeln und den Menschen vor Ort in den Planfeststellungsverfahren gleich das volle Projekt vorlegen wollen, jetzt Beschlüsse fassen müssen. Es sind schon Hallen für die anderen Projekte aus dem letzten Bundesbedarfsplangesetz gebucht, mit denen wir bündeln wollen, weil die Genehmigungsverfahren so schnell geworden sind. Ich glaube, viele in diesem Land haben das noch gar nicht gemerkt. Und deswegen: Wenn wir vor Ort gleich das volle Paket auf den Tisch legen wollen, wenn wir nicht bei den Menschen Verwirrung stiften wollen, wenn wir nicht den Eindruck erwecken wollen, als würden wir in Salamitaktik nur das eine und dann das nächste sagen, dann ist es so wichtig, dass wir heute diesen Beschluss fassen, und darum bitte ich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

In der Vergangenheit konnte man manchmal den Eindruck der Salamitaktik gewinnen, als würden wir immer kommen und sagen: „Jetzt brauchen wir eine Stromleitung“, und fünf Jahre später sagt man, man braucht noch eine. Das war natürlich niemals Taktik, sondern das war die Netzplanung, die immer zehn, 15 Jahre in die Zukunft geguckt hat, weil man sich gesagt hat: Weiter in die Zukunft zu blicken, ist schon sehr spekulativ. – Wir haben auch das beendet.

Wir haben zum ersten Mal einen Netzentwicklungsplan gemacht, der bis 2045 – also wirklich bis 100 Prozent Erneuerbare – schaut. Ja, natürlich werden sich Dinge anders entwickeln, als wir heute denken. Natürlich wird man hier und dort anpassen müssen. Aber nach bestem Wissen und Gewissen können wir jetzt sagen: Das ist es, was wir brauchen. Das legen wir auf den Tisch, sodass wir es öffentlich diskutieren, dass wir es mit allen gemeinsam besprechen können und die Infrastruktur ausbauen können, die unser Land braucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Inhalt. Ich glaube, der Rhein-Main-Link, eine Nord-Süd-Verbindung – es wird viel darüber gesprochen, dass wir da mehr Leitungen brauchen –, überzeugt relativ einfach. Im Ausschuss hatten wir eine kurze Diskussion zum NordOstLink. Der geht von Schleswig-Holstein nach Osten. Bei Verkehrsverbindungen sagen wir ganz oft: Wir haben so viel Nord-Süd, wir brauchen auch Ost-West. Ich glaube, dass das im Grundsatz auch stimmt. Vor allem aber war die Frage: Warum macht ihr denn Gleichstrom, wenn es doch gar nicht ein so langes Stück ist? Gleichstrom macht man eher auf lange Distanzen. Es gibt eine ganz klare Antwort: Weil der Strom schon als Gleichstrom ankommt. Es ist im Wesentlichen Offshorestrom – Offshorestrom wird immer in Gleichstrom angelandet –, den wir deswegen selbstverständlich technisch effizient auch als Gleichstrom weitertransportieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Die Kosten für diese Ausbauleitungen sind natürlich relevant. Wir hatten auch gestern eine Diskussion: Sind Freileitungen günstiger als Erdkabel? Werte Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, Sie haben dann gesagt: Wir wollen es allen recht machen. Ja, wir sagen erst einmal „Freileitung“, und wir sagen auch gleich dazu: Überall, wo es schwierig wird, versprechen wir doch wieder das Erdkabel. – So funktioniert Regieren nicht. So funktioniert Politik nicht. Man kann nicht alles auf einmal sagen und es allen recht machen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ihr macht es aber niemandem recht! Unfassbar!)

Tatsächlich ist dieses Hoch und Runter, dieses Beides-Wollen, die teuerste Variante von allen. Das ist nicht ehrlich, und es ist die teuerste Variante von allen. Das ist nicht redlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Leitungen werden ungefähr so viel kosten, wie wir ausgegeben haben, um die Schäden der Flutkatastrophe im Ahrtal zumindest teilweise zu beseitigen. Ich will nicht, dass wir immer mehr Geld ausgeben, um die Zerstörungen aufzuräumen, die die Klimakrise verursacht. Ich möchte, dass wir Geld in Infrastruktur investieren, von der wir Jahrzehnte Gutes haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

2, 4, 15 – der Netzausbau geht voran. Wir haben tatsächlich die Klimaemissionen im Stromsektor in diesem Halbjahr gegenüber 2016 halbiert, inklusive Atomausstieg. Das ist ein Riesenerfolg. Es bleibt viel zu tun. Aber heute ist es ein weiterer wichtiger Schritt, die Geschwindigkeit und vor allem die Klarheit und Verlässlichkeit für die Bürger zu verbessern.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung.

(Beifall bei der CDU/CSU)