Rede von Merle Spellerberg MINUSMA
Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einsätze der Bundeswehr in Mali beschäftigen uns zu Recht seit Beginn dieser Legislatur intensivst und viele von uns im Haus schon deutlich länger. Lange hat die Bundesregierung, haben auch wir versucht, den für die Menschen in Mali so wichtigen Einsatz aufrechtzuerhalten. Aber schlussendlich wurde im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium richtigerweise anerkannt, dass sich die Lage absehbar nicht verbessern wird, dass wir nicht in der Lage sein werden, ausreichend zu Sicherheit und zu Frieden vor Ort beizutragen.
Die malische Übergangsregierung hat den MINUSMA-Einsatz mit ihren anhaltenden Einschränkungen de facto unmöglich gemacht. Das Abzugsmandat war hiernach die angebrachte Schlussfolgerung und deckt auch den neuen Zeitplan ab. Es ist durchaus bitter, dass dieser Zeitrahmen nun weiter gekürzt werden muss. Aber unvorbereitet – das hat die Staatssekretärin ausgeführt – ist die Bundeswehr auf dieses Szenario trotzdem.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Hoppla!)
– Also, unvorbereitet ist sie nicht; sie ist vorbereitet.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Also, was denn jetzt? – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Wir sind gut vorbereitet!)
Wir müssen uns nur darüber bewusst sein, dass ein kürzerer Abzugszeitraum einen Preis mit sich bringt, dass weniger Zeit eben bedeutet, dass mehr Material zurückgelassen werden muss; ich glaube nicht, dass das in Ihrem Sinne ist, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union. Trotzdem bleibt für uns alle klar, dass der Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten die allerhöchste Priorität hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Es schmerzt, dass die Vereinten Nationen mit MINUSMA nicht zur Lösung der Krisen in Mali beitragen konnten. Es schmerzt, dass wir nur kurzfristig und regional begrenzt zur Sicherheit beitragen konnten, dass wir den Menschen in Mali nicht langfristig zu Frieden verhelfen konnten. Die Staatssekretärin Möller hat es gerade angesprochen: Mit unserer militärischen Präsenz konnten wir vor allem in einigen Städten, in einigen Oasen ein wenig Raum zum Atmen schaffen. Dieser kleine Freiraum im alltäglichen Leben für die Menschen in Mali wird jetzt wieder mehr bedroht. Wir müssen gemeinsam mit den Vereinten Nationen verstehen und aufarbeiten, warum wir die gesteckten Ziele nicht erreichen konnten. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass sich die Übergangsregierung insbesondere am Ende eben nicht wie ein Partner verhalten hat. Sie hat dazu beigetragen, dass wir das Mandat schlussendlich nicht mehr ausführen konnten und zu dieser Entscheidung gekommen sind. Wenn die Menschen in Mali in Zukunft unter mehr Unsicherheit leiden, dann wird das auch deren Schuld sein.
Es ist unerträglich, dass wir das Land in dem Wissen verlassen, dass die Wagner-Gruppe in Mali bleibt,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
die Wagner-Gruppe, die mit ihrer Willkür, ihrer dokumentierten Gewalt gegen Zivilistinnen und Zivilisten und als Handlanger der russischen Geopolitik ein Schrecken für die Bevölkerung ist. Das bleibt auch nach den Ereignissen von vor zwei Wochen in Russland Realität. Es bleibt Realität, dass Russland durch die Wagner-Gruppe als einziger internationaler Akteur in Mali verbleiben wird.
Wir dürfen nicht vergessen: Einer der letzten Faktoren für das Zerwürfnis zwischen den Vereinten Nationen und der malischen Regierung war der Bericht der Vereinten Nationen über das Massaker in Moura letztes Jahr. 500 Menschen wurden hierbei von der malischen Armee und der Wagner-Gruppe in einer Militäroperation ermordet. Es gibt unzählige Berichte von Vergewaltigungen. Nach der Veröffentlichung dieses Berichts hat die Übergangsregierung Malis MINUSMA und damit den Vereinten Nationen für die Mitarbeit an der Aufklärung Spionage vorgeworfen. Die Übergangsregierung verdeutlicht damit leider, dass sie kein Garant für Menschenrechte ist, und die Wagner-Gruppe vergiftet das Land weiter mit ihrer Gewalt.
Für die Menschen vor Ort bedeutet das Ende von MINUSMA mehr Unsicherheit. Es bedeutet noch weniger Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen, weil das Land noch unsicherer wird. Es bedeutet noch mehr Sorge um den fragilen Friedensvertrag und die Ausbreitung der terroristischen Gefahr. Laut UN-Schätzungen sind fast 9 Millionen Malierinnen und Malier auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das ist fast die Hälfte der Bevölkerung.
Sicherheit für die Menschen in der Region bleibt weiterhin unser Ziel. Teil unserer Bemühungen ist, dass wir dem Sahel nicht den Rücken kehren, sondern mit der Bundeswehr im benachbarten Niger bleiben. Die Bundesregierung und auch die Wehrbeauftragte haben bereits deutlich gemacht, dass ein geordneter Abzug weiter möglich ist.
Ein geordneter Abzug bedeutet für mich auch, dass wir unsere Partnerinnen und Partner vor Ort mitdenken. Wir müssen uns fragen, welche Einschränkungen auf die Hilfs- und Entwicklungsorganisationen vor Ort zukommen und wie wir sie unterstützen können und müssen. Und auch wenn Mali nicht Afghanistan ist: Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Sicherheit unserer nationalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unserer Ortskräfte ganz klar auch unsere Verantwortung ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Diese Menschen haben mit uns zusammengearbeitet. Sie haben unseren Einsatz überhaupt erst möglich gemacht. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns hier auch ganz grundsätzlich fragen, ob wir ihnen nicht die Möglichkeit geben sollten, einfach und sicher nach Deutschland zu kommen – wenn sie dies möchten.
Das Ende des Bundeswehreinsatzes in Mali kommt anders als von uns erwünscht, aber nichtsdestotrotz geordnet und sicher. Die Sicherheit unserer noch etwa 1 100 Soldatinnen und Soldaten dort ist dabei oberste Priorität. Darin sind wir uns einig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Sevim Dağdelen.
(Beifall bei der LINKEN)