Dr. Paula Piechotta MdB
06.06.2024

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn jetzt teilweise sehr technisch gesprochen wurde, dürfen wir nicht vergessen, dass selbst etwas, was so dröge und trocken daherkommt wie ein sogenanntes Medizinforschungsgesetz, am Ende die Rahmenbedingungen dafür schafft, dass Erkrankungen, die heute noch viel zu oft Familien auseinanderreißen oder Menschen unter Schmerzen alt werden lassen, in fünf oder zehn Jahren eben kein Problem mehr sind. Das entscheidet sich nicht nur, aber auch dadurch, wie in Deutschland die Forschungsrahmenbedingungen für klinische Studien ausgestaltet sind.

Der Minister hat ja richtigerweise darauf hingewiesen: Es geht hier nicht nur darum, wie attraktiv der Standort Deutschland für klinische Studien der pharmazeutischen Industrie ist, es geht auch nicht nur darum, wie wir im internationalen Wettbewerb unsere deutschen Studienzentren und Unikliniken in der Hinsicht kompetitiver machen, sondern es geht auch ganz praktisch um die Frage: Wie viele Kilometer müssen extrem kranke und – in Anführungszeichen – „austherapierte“ Patientinnen und Patienten in ihrem Zustand bis zum nächsten Studienzentrum in diesem Land zurücklegen? Das entscheidet sich an der Frage, wie viele klinische Studien hier durchgeführt werden. Meine Damen und Herren, deswegen gibt es ja auch diese große Einigkeit in diesem Haus bei vielen Detailfragen zu diesem Medizinforschungsgesetz. Wir werden das beraten, in vielen Details sicherlich auch sehr intensiv, gerade auch – das ist uns Grünen besonders wichtig – die Frage des Strahlenschutzes für Kinder im Rahmen klinischer Studien.

Aber es gibt eben einen Punkt, den bislang alle Redner ausgelassen haben, nämlich den sogenannten vertraulichen Erstattungspreis. Der ist so ein bisschen der Fremdkörper im gesamten Gesetzentwurf. Anders als bei klassischen gesundheitspolitischen Reformen, wo man meistens die eine Seite hat, nämlich die GKV und die Versicherten, die alle dafür oder dagegen sind, und auf der anderen Seite vielleicht die private Krankenversicherung und die Unternehmen, geht es beim vertraulichen Erstattungspreis, also dem Anliegen im Gesetzentwurf, darum, dass Arzneimittelpreise in Deutschland eben nicht mehr transparent sind, sondern in Zukunft auch wieder geheim sein können, obwohl Deutschland auf europäischem Boden der letzte Arzneimittelmarkt mit transparenten Preisen ist. Dieser Punkt zieht quasi die Gegnerschaft des gesamten Gesundheitswesens in Deutschland auf sich.

Es ist eben nicht nur die gesetzliche Krankenversicherung, die sagt: Hier entstehen jährliche Kosten von bis zu 33 Milliarden Euro on top, von denen uns niemand sagen kann, wie die Mittel zu deren Deckung finanziert werden sollen. Auch die private Krankenversicherung ist dagegen. Es ist die große Mehrheit der pharmazeutischen Unternehmen dagegen, weil sie sagen: Das bringt nur wenigen Unternehmen etwas. Die Selbstverwaltung ist dagegen – nicht nur der Gemeinsame Bundesausschuss, sondern auch die Ärzteschaft, weil deren Mitglieder dann einfach nicht mehr wissen, wie viel das, was sie verschreiben, kostet. Das schränkt die ärztliche Entscheidungsfreiheit ein. Am Ende sind natürlich auch unsere europäischen Partnerländer ganz essenziell darauf angewiesen, unsere Preise zu kennen, weil sie mit diesen Informationen ihre eigenen Preise verhandeln, gerade in Osteuropa.

Meine Damen und Herren, deswegen stellt sich an diesem Punkt die Frage, ob wir es nicht machen sollten wie 2016, als der Vorschlag eines vertraulichen Erstattungspreises schon mal in einem Gesetzentwurf stand, der dann aber im parlamentarischen Verfahren entfernt wurde.

(Beifall des Abg. Erwin Rüddel [CDU/CSU])

Denn am Ende stellt sich auch hier wieder die Frage, –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, Sie kommen bitte zum Ende.

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– wie wir es schaffen, in diesem Gesundheitswesen nicht nur den Zugang zu Medikamenten zu gewährleisten, sondern es der gesetzlichen Krankenversicherung auch ermöglichen, –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin!

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– ihr Versprechen, diese Therapien allen Menschen zugänglich zu machen, einzulösen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die AfD hat Martin Sichert das Wort.

(Beifall bei der AfD)