Rede von Prof. Dr. Armin Grau Krankenhausversorgung

Prof. Dr. Armin Grau MdB
27.06.2024

Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Patientinnen und Patienten! Liebe Beschäftigte in den Krankenhäusern! Das Gesetz, das wir heute einbringen, machen wir für Sie alle. Wir machen es, um die stationäre Versorgung und die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern zu verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kristine Lütke [FDP])

Krankenhäuser müssen ein sicheres Netz sein, das alle Kranken auffängt, wenn die Behandlung in den Praxen nicht ausreicht. Krankenhäuser sind Teil der Daseinsvorsorge, und das haben wir leider viel zu lange nicht beachtet.

Seit 20 Jahren vergüten wir die Behandlungen nur mit Fallpauschalen. Die Kosten, die entstehen, bevor Patienten überhaupt behandelt werden können – die Vorhaltekosten –, werden nicht extra vergütet. Damit haben wir massive Fehlanreize gesetzt: hin zu mehr stationären Aufnahmen und zu lukrativen, vor allem operativen Leistungen.

(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Ja!)

Damit ist Deutschland Weltmeister bei den stationären Behandlungen und weist Spitzenwerte bei bestimmten Operationen auf.

Spätestens seit dem Fallzahleinbruch in der Coronapandemie und durch den Fachkräftemangel ist das derzeitige Finanzierungssystem an seine Grenzen gekommen. Viele Krankenhäuser sind insolvenzbedroht, ja. Und warum? Weil Sie von der Union acht Jahre lang eben nicht gehandelt haben!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz genau!)

Hunderttausende Pflege- und andere Fachkräfte haben den Krankenhäusern den Rücken gekehrt, weil Fallzahlsteigerungen und Kostenreduktion zu schlechten Arbeitsbedingungen geführt haben.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Wer hat denn das Pflegestärkungsgesetz auf den Weg gebracht – gemeinsam mit der SPD, gemeinsam mit Herrn Lauterbach?)

Die Diagnose lautet: Ja, die deutschen Krankenhäuser sind in einer Krise, finanziell, personell und konzeptionell. Aber es gibt eine Therapie, und die lautet: Krankenhausreform.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Statt der bisherigen Planung nach Betten führen wir Leistungsgruppen ein mit echten – Herr Pilsinger, mit echten! – Qualitätsvorgaben zur personellen und technischen Ausstattung. An den Leistungsgruppen hängt eine Finanzierung der Vorhaltekosten. 60 Prozent der bisherigen Fallpauschalen werden so weitgehend unabhängig von der Fallzahl ausbezahlt. Anders als Die Linke suggeriert, schaffen wir damit wirklich finanzielle Sicherheit für die Krankenhäuser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kristine Lütke [FDP])

Die Leistungsgruppen werden von den Ländern vergeben, sodass ihre Planungskompetenz gestärkt und nicht eingeschränkt wird.

(Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! So ist es!)

Ich habe großen Respekt davor, dass Minister Laumann in NRW eine solche Reform schon längst begonnen hat. Eine zeitgleiche Reform im Bund hätte den deutschen Krankenhäusern heute vieles erspart. Aber das haben Sie von der Union über viele Jahre einfach verpasst.

(Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verschleppt!)

Mit sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen sichern wir die Grundversorgung auf dem Land – im ländlichen Raum, Frau Borchardt. Feste Tagesentgelte sorgen hier für eine sichere Finanzierung. Pflegefachkräfte können die Leitung übernehmen, und Hausärztinnen können ihre Patientinnen weiter versorgen. Das stärkt die Kontinuität der Versorgung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überfällig!)

Wir erbringen in Deutschland zu viele Leistungen stationär. Ja, das stimmt. Daher ist es richtig, jetzt Betten abzubauen, aber nur dort, wo Überversorgung vorhanden ist. Vor allem im ländlichen Raum muss zum Teil Unterversorgung entgegengewirkt werden.

(Zuruf des Abg. Axel Müller [CDU/CSU])

Die Krankenhausreform ist kein Programm zur Krankenhausschließung, sondern zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung unserer Krankenhauslandschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Komplexe Leistungen werden dort konzentriert, wo ausreichend Erfahrung besteht, und damit wird Qualität – echte Qualität! – in die Versorgung gebracht. Die Krankenhäuser der Zukunft sind Kompetenzzentren, die stationär und ambulant behandeln können, so wie es die Menschen brauchen. Einzelfallprüfungen werden abgebaut und so Bürokratie reduziert. Ärztinnen haben wieder mehr Zeit für ihre Patientinnen. Perspektivisch wollen wir dafür sorgen, dass genau so viele Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern arbeiten, –

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– wie die Kranken es brauchen. Mit dieser Reform spannen wir das Netz der Krankenhausversorgung wieder fest und lassen niemanden durch die Maschen fallen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Tino Sorge [CDU/CSU]: So wie bei der Energieversorgung!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Und der letzte Redner in dieser Debatte ist Ates Gürpinar für die Gruppe Die Linke.

(Beifall bei der Linken)