Rede von Ricarda Lang Krankenhausversorgung

Ricarda Lang MdB
27.06.2024

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal freue ich mich, hören zu können, dass es hier die gemeinsame Sicht zu geben scheint, dass es eine Klinikreform braucht.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Die gibt es schon immer!)

Warum braucht es diese Klinikreform? Diese Klinikreform braucht es, weil der Status quo, den wir gerade sehen, nicht mehr haltbar ist. Warum ist dieser Status quo nicht mehr haltbar? Dieser Status quo ist nicht mehr haltbar, weil davor jahrelang nichts getan wurde und eine Klinikreform ausgesetzt wurde. Das ändern wir heute hier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es stimmt – das haben die verschiedenen Stimmen vor mir beschrieben –: Wir erleben, dass Kosten explodieren. Wir erleben, dass auf der einen Seite Kliniken hohe Profite erzielen, aber dass auf der anderen Seite Kliniken, die für die Grundversorgung da sind, rote Zahlen schreiben. Wir erleben überarbeitete Ärztinnen und Ärzte und überarbeitetes Klinikpersonal. Wir erleben Patientinnen und Patienten, die nur noch schlecht versorgt werden können. Die Realität, die wir erleben, können wir so nicht weiter akzeptieren. Die Leidtragenden sind die Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten und unser aller Gesundheit schützen, und die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf die Gesundheitsversorgung verlassen – die ein Recht darauf haben, sich darauf verlassen zu können.

Hier geht es aber nicht nur um Gesundheit, es geht um noch viel mehr. Die Frage der Gesundheitsversorgung ist ein zentraler Pfeiler der Daseinsvorsorge, und damit geht es auch um Vertrauen in einen funktionierenden Staat und ein funktionierendes Gemeinwesen. Dafür bringen wir diese Reform voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin Lang, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pilsinger, CDU/CSU-Fraktion?

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, sehr gerne.

Stephan Pilsinger (CDU/CSU):

Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie meine Frage zulassen.

Sie haben gerade in Ihrer Rede gesagt, wir würden erleben, dass einige Krankenhäuser hohe Profite machen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass 80 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland defizitär sind und dass die restlichen 20 Prozent bestimmt keine hohen Profite machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen die Frage: Haben Sie da genaue Zahlen? Können Sie uns noch einmal genau darstellen, wie viele Krankenhäuser hohe Gewinne machen und wie sie das genau machen?

(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sana! Asklepios! Fresenius!)

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Natürlich wissen wir alle, dass es Privatkliniken in diesem Land gibt, die große Profite machen. Das ist genau das Problem. Das betrifft nicht die große Menge der Krankenhäuser. Die große Menge der Krankenhäuser, die Krankenhäuser, die auf dem Land, die in der Fläche für eine Grundversorgung sorgen, schreiben rote Zahlen und stehen vor der Insolvenz.

(Axel Müller [CDU/CSU]: Die stehen? Die sind!)

Diese Kliniken müssen im Zweifelsfall schließen, was die Gesundheitsversorgung gefährdet, während andere Kliniken – teilweise aktiengeführt – Geld, das wir im Gesundheitssystem brauchen, herausziehen. Das ist schlichtweg nicht gerecht. Das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger, und das sollten wir in Zukunft auch für alle besser investieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Sepp Müller [CDU/CSU]: Das ist purer Populismus!)

Wir verfolgen mit dieser Reform drei Ziele:

Erstens: die Absicherung einer wohnortnahen Grund- und Notfallversorgung. Ohne eine Reform wird es zu einem unkontrollierten Kliniksterben kommen – gerade im ländlichen Raum und gerade bei den Häusern der bedarfsgerechten Versorgung. Indem wir in Zukunft bei der Finanzierung stärker auf den Bedarf setzen, sichern wir genau diese Kliniken ab. Damit kämpfen wir für die Grundversorgung im ländlichen Raum und gerade für die kleinen Häuser dort.

Zweitens. Wir wollen eine Absicherung der Qualität. Denn Menschen, die zum Beispiel eine schwere Krebserkrankung haben, müssen sich darauf verlassen können, dass sie dort, wo sie hingehen, die beste Routine und die beste Qualität auch in der Ausstattung vorfinden.

Drittens. Wir wirken dem Fachkräftemangel im Gesundheitssystem entgegen. In einer alternden Gesellschaft, in der chronische Krankheiten immer häufiger werden und in der gleichzeitig weniger Personal vorhanden ist, sorgen wir dafür, dass das Personal dort eingesetzt wird, wo es tatsächlich gebraucht wird. Wir sorgen auch dafür, dass sich die Arbeitsbedingungen der Menschen im Gesundheitssystem verbessern. So kommen wir aus dem Hamsterradeffekt der Fallpauschalen heraus und sorgen mit dem Vorhaltebudget für mehr Verlässlichkeit und bessere Arbeitsbedingungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, damit verabschieden wir uns auch von einem System, das nur auf Fallpauschalen und vor allem auf Fallzahlen schaut, und das ist auch richtig so. Denn die Ökonomisierung des Gesundheitssystems, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, hat nicht geholfen, sondern sie hat ganz im Gegenteil die Gesundheitsversorgung schlechter gemacht.

(Zuruf der Abg. Cornelia Möhring [Die Linke])

Hier gehen wir einen relevanten Schritt mit einem Vorhaltebudget von 60 Prozent und mit weniger Fokus auf die Fallpauschalen. Denn wir wissen: Bei Gesundheit geht es nicht um eine Ware,

(Zuruf der Abg. Cornelia Möhring [Die Linke])

Gesundheit bedeutet auch nicht nur die Ermittlung von Fallzahlen, sondern bei Gesundheit geht es um Menschenleben, Lebensqualität, Fürsorge und Daseinsvorsorge. Dafür bringen wir diese Reform voran.

Als Ampel tun wir uns manchmal gegenseitig nicht immer die größten Gefallen und machen es uns manchmal gegenseitig nicht leicht.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss bitte.

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin froh, dass wir es an dieser Stelle hinbekommen, die Aufgabe, deren Lösung lange auf sich hat warten lassen, nicht einfach liegen zu lassen, dass wir uns auch an große Reformen rantrauen,

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

damit wir am Ende sagen können:

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin Lang, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Die Bürgerinnen und Bürger finden am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt das richtige Krankenhaus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Tino Sorge [CDU/CSU]: Ich find’s ja gut, dass Sie sich auch mal zur Gesundheit äußern! Aber es ist halt schade, wenn man keine Ahnung hat!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Thomas Dietz, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)