Rede von Dr. Kirsten Kappert-Gonther Kinder psychisch und suchtkranker Eltern

Foto von Kirsten Kappert-Gonther MdB
04.07.2024

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Können Sie sich noch an Ihre Kindheit erinnern? Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie sich an psychisch- oder suchterkrankte Erwachsene in Ihrem weiteren oder vielleicht sogar in Ihrem engeren Umfeld erinnern.

Etwa 3,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland zurzeit mit einem psychisch oder suchterkrankten Elternteil auf. Das ist jedes fünfte Kind. Diese Kinder tragen ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko, selbst psychisch zu erkranken. Viel zu oft und viel zu lange werden ihre Belastungen übersehen, und die Kinder fallen durchs Hilfesystem. Das wollen und, ich finde, das müssen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Für Kinder ist die Situation in vielerlei Hinsicht belastend. Ein Kind braucht Fürsorge, das braucht sicheren Halt. Stattdessen müssen sie sehr früh Verantwortung übernehmen. Und viele Kinder leisten Enormes, die Seele aber, die leidet. Hinzu kommt, dass die Kinder oftmals versuchen, die Eltern zu schützen, indem sie alles machen, übernehmen und auch noch tapfer dazu lächeln, damit es bloß niemand merkt; denn Stigma, Angst und Scham wiegen schwer. Und diese Kinder brauchen Hilfe!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber auch die Eltern dürfen nicht alleingelassen werden. Hier geht es nicht um Schuld! Es geht darum, Menschen zu befähigen, ihre Erkrankung zu verstehen, ihren Alltag zu bewältigen und ihren Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.

In der vorletzten Wahlperiode gab es einen grundlegenden interfraktionellen Antrag, und in der letzten Wahlperiode hat die daraus hervorgegangene Arbeitsgruppe richtungsweisende Handlungsempfehlungen vorgelegt. Es ist ein langer Weg, aber jeder Schritt lohnt sich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vielen Dank allen, die damals daran mitgearbeitet haben. Einiges wurde ja bereits umgesetzt; aber es ist wirklich noch viel zu tun. Darum danke, dass wir heute diesen Antrag mit einer so breiten Mehrheit einbringen. Danke allen, die daran mitgearbeitet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mit diesem Antrag formulieren wir nun Maßnahmen, die noch aus der vorletzten Legislatur übrig sind und dringend umgesetzt werden müssen, und ergänzen den Antrag aufgrund der aktuellen Situation um weitere Maßnahmen. Denn aktuelle Belastungen – Russlands Krieg gegen die Ukraine, auch die Klimakrise – bedeuten zusätzliche psychische Belastungen für Menschen aller Altersgruppen. Was muss also geschehen? Exemplarisch will ich aus dem vielfältigen Strauß an Maßnahmen drei hier herausgreifen.

Wir brauchen mehr Verhältnisprävention, gerade auch bei Suchtmitteln. Denn Prävention wirkt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Da müssen Sie klatschen!)

Weder Kinder noch Erwachsene sollen sich für ihre Erkrankungen schämen oder diskriminiert werden. Das sind Hürden auf dem Weg zu Hilfen. Wir brauchen mehr Entstigmatisierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Und wir brauchen Hilfen; niedrigschwellige Hilfen müssen wir ausbauen und besser vernetzen – auch über die Sozialgesetzbücher hinweg.

Lassen wir die Kinder nicht alleine! Lassen wir die Eltern nicht alleine! Leisten wir gemeinsam einen Beitrag dazu, dass alle Kinder und Jugendliche gute Chancen haben, gesund aufzuwachsen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält Bettina Margarethe Wiesmann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Ulrike Bahr [SPD])