Rede von Philip Krämer Fortsetzung des KFOR-Einsatzes im Kosovo

Philip Krämer MdB
05.06.2024

Philip Krämer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Wehrbeauftragte! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr! Sehr geehrte Einsatzveteraninnen und Einsatzveteranen der Kosovo Force! Der KFOR-Einsatz hat ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass heute bis zu 2 Millionen Menschen im Kosovo in Frieden leben können. Es ist mir wichtig, zu betonen, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten daran einen großen Anteil tragen. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Heute in einer Woche jährt sich der KFOR-Einsatz zum 25. Mal. Am 12. Juni 1999 überschritten NATO-Truppen die Grenze des Kosovo, um die UN-Resolution 1244 umzusetzen. Mit 48 000 Kräften war die Operation Joint Guardian, der Beginn des KFOR-Einsatzes, die bis dato größte Bodenoperation in der Geschichte der NATO. Die Bundeswehr beteiligte sich mit mehreren Tausend Soldatinnen und Soldaten an diesem historischen humanitären Einsatz und war damit einer der größten Truppensteller. Bis heute haben knapp 90 000 unserer Soldatinnen und Soldaten in der KFOR gedient.

Der militärische Kernauftrag des KFOR-Mandats wurde und wird von der Bundeswehr seit nunmehr 25 Jahren erfüllt: Verhinderung erneuter Kriegsgewalt und Förderung eines sicheren Umfelds. KFOR ist ein Friedenssicherungs- und Stabilisierungseinsatz in einem konfliktreichen Nachkriegsgebiet. Und damit kommen wir zu einem zentralen Punkt: Das Mandat in seiner Form ist weiterhin wichtig, vielleicht wichtiger als noch vor einiger Zeit. Seit Jahren, spätestens aber seit der russischen full-scale Invasion in der Ukraine, wittern Autokraten, die an einer Verschiebung ihrer Grenzen interessiert sind, Morgenluft. Das gilt auch für den Westbalkan. Der Westbalkan war und ist ein geopolitisches Einfallstor nach Europa. Das wird deutlich, wenn man sich anschaut, wer sich dort aus welchen Gründen engagiert.

NATO und EU betreiben Peacebuilding-Missionen, um nach Jahren der Kriegsverbrechen, Flucht und Vertreibung ein sicheres Umfeld für einen Friedensprozess zu schaffen. Gleichzeitig versuchen autokratische Mächte, sich hier ein Sprungbrett nach Westeuropa zu schaffen und in der Nachbarschaft der EU zu zündeln. China erschließt den Westbalkan durch seine Silk and Road Initiative, häufig mit Infrastrukturversprechen, die ihren Empfängern jedoch oft zum Nachteil gereichen und chinesischem Einfluss Tür und Tor öffnen. Russland geht wesentlich plumper vor. Es spielt sich als Schutzmacht der Serben, als „orthodoxes Brudervolk“ auf, während seine Armee in der Ukraine einen Vernichtungskrieg gegen ein „orthodoxes Brudervolk“ führt, raubt, mordet, vergewaltigt und Kinder entführt. Serbien und die Republika Srpska hängen am Geld- und Waffentropf Moskaus und werden ermutigt, in ihren Drohungen und Provokationen gegen ihre Nachbarn deutlicher zu werden. Sie werden ermutigt, mit erneuten Kriegen auf dem Westbalkan zu drohen und sich in die autokratische Achse einzureihen. All das, werte Kolleginnen und Kollegen, macht KFOR heute wichtig. All das, werte Soldatinnen und Soldaten des aktuellen, aber auch vorangegangener Kontingente, macht Ihren Dienst in diesem Mandat seit nunmehr 25 Jahren so zentral.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dass im Kosovo noch kein nachhaltiger Frieden gewachsen ist, dass Korruption, Organisierte Kriminalität, Arbeits- und Perspektivlosigkeit weiter wuchern, das ist politisches Versagen auf allen Seiten, auch aufseiten der EU. Es ist politischer Imperativ, hier nach Möglichkeit in den nächsten Monaten, aber mindestens in den nächsten Jahren voranzukommen. Dass zwischen den Staaten und ihren Bevölkerungen kein neues Leid und Abschlachten, Vertreibung und Vergewaltigung ausgebrochen sind, das ist der Verdienst der im Kosovo eingesetzten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und unserer Partner. Dafür sage ich – auch im Namen meiner Fraktion – herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Über KFOR – wie im Übrigen auch bei anderen Auslandseinsätzen – liest man in der Presse kaum, meist nur, wenn in der Region neue Gewalt aufflammt. Dabei ist KFOR mit 25 Jahren Laufzeit der längste und zugleich erfolgreichste Auslandseinsatz der Bundeswehr. 25 Jahre Einsatz im Kosovo sind aber nicht spurlos an der Truppe vorbeigegangen. Der Einsatz und seine Nachwirkungen haben 29 Soldaten das Leben gekostet, andere haben Gliedmaßen verloren, viele kämpfen noch bis heute mit den Erlebnissen ihres Auslandseinsatzes. Vor dem Hintergrund dieser Opfer, des Preises, den der Einsatz gekostet hat, wäre meiner Meinung nach eine eigene Debatte zum 25. Jahrestag angemessen gewesen. Es wäre angebracht, wenn das Verteidigungsministerium diesen Jahrestag beispielsweise mit einer Ehrenspange als Einsatzmedaille würdigen würde. Und ich würde mich freuen, wenn Auswärtiges Amt und Innenministerium für eingesetzte Diplomatinnen, Polizistinnen, Entwicklungshelfer eine ähnliche Würdigung stiften würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Hacker [FDP])

Der Einsatz hat Identifikationspunkte wie die Arche – den Treffpunkt der Bundeswehr –, die im Camp Film City Anlaufpunkt, Gemeinschaftsort und Heimat ist. Ich glaube, alle, die mal dort gewesen sind, wissen um diesen zentralen Ort in dem Camp, wo auch die Bundeswehr beheimatet ist. Und ich glaube – weil wir gerade in der Diskussion sind, ob diese Arche weitergeführt wird oder nicht –, dass es wichtig ist, sie zu erhalten, weil sie eben auch Ausdruck der Anerkennung der Geschichten und Geschichte ist, deren Schauplatz sie seit 25 Jahren ist. Hier wird das Erlebte besprochen, aber auch ausgespannt, gelacht und beispielsweise Bundesliga geschaut. Und gerade diese Symbole im Einsatz sind oftmals wichtiger für die Truppe als hochtrabende Reden. Von daher wäre es, glaube ich, eine gute Sache, dieses Denkmal des Einsatzes der Bundeswehr zu erhalten.

Das Mindeste aber ist es, dieses Mandat, diesen 25-jährigen Einsatz, als das zu würdigen, was er ist: der erfolgreichste und längste Auslandseinsatz und damit im Sinne der Inneren Führung traditionsstiftend für die deutsche Bundeswehr. Dementsprechend bitte ich um die Zustimmung zur Verlängerung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Krämer. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus Frohnmaier, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)