Rede von Philip Krämer Fortsetzung des EUFOR-ALTHEA-Einsatzes in Bosnien und Herzegowina

Philip Krämer MdB
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski
27.06.2024

Philip Krämer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Kolleginnen und Kollegen! Die europäische Idee befindet sich dieser Tage in einer Krise. Gerade deswegen muss es in unser aller Interesse liegen, die Europäische Union zu erweitern. Es ist daher richtig, dass Bosnien-Herzegowina 2022 Beitrittskandidat geworden ist. Wir müssen alle an einer schnellen europäischen Integration arbeiten. Wir müssen aber auch gerade in den Ländern des Westbalkans in der Zivilgesellschaft eine Begeisterung für Europa entfachen. Europäische Fahnen in den Straßen Sarajevos wären das deutlichste Zeichen gegen regressive Tendenzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Westbalkan lässt uns nicht los. In der breiten Öffentlichkeit findet die Region meist nur dann statt, wenn Ströme geflüchteter Menschen versuchen, über die Balkanroute zu uns zu gelangen, wenn Gewalttätigkeiten vor Ort eskalieren oder wenn – im positiven Sinne – gleich fünf regionale Staaten bei der Europameisterschaft spielen. Für Fachpolitiker, Expertinnen für Außen- und Sicherheitspolitik, für unsere vor Ort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten ist der Balkan dagegen ein ständiges Thema. Das verdanken wir den noch immer bestehenden ethnischen Spannungen, feindlicher Einmischung durch Russland und China sowie der herausragenden geostrategischen Bedeutung für die europäische Sicherheit.

Die Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr haben großen Anteil daran, dass sowohl das Kosovo wie auch Bosnien-Herzegowina heute nach wie vor souveräne Staaten sind. Dass die autokratische Achse Russland–China–Iran diese Souveränität abspricht, ist keine Überraschung, verdeutlicht sie doch das westliche Konzept der nationalen Selbstbestimmung. Dass ihre Sympathisanten bei AfD und BSW die Werbebotschaften in diesem Hohen Hause nacherzählen, überrascht jedenfalls nicht.

Gerade diese Opposition und die Richtung, aus der sie kommt, zeigt uns: EUFOR Althea ist als europäisches Mandat in Europa zentral.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es ist zentral für den europäischen Zusammenhalt, zentral für die Stabilität, zentral für die Einheit und den Frieden unseres Kontinents. Es ist richtig, dass die Bundesrepublik seit dieser Legislatur endlich wieder als Truppenstellerin Verantwortung übernimmt. In einer Zeit, in der Serbien und die Republika Srpska immer lauter mit den Säbeln rasseln, müssen wir, muss Europa Geschlossenheit zeigen, um den Frieden in diesem Land auch militärisch zu bewahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn wir über die Sicherheit der Menschen in Bosnien-Herzegowina sprechen, müssen wir allerdings auch von Landminen sprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Vater und als Mensch, der im Kinderschutzbund engagiert ist, ist die Tatsache für mich unerträglich, dass Kinder in bosnischen Schulen von Soldaten und NGOs über Schützenminen aufgeklärt werden müssen – mehr als 20 Jahre nach Ende dieses Krieges. Auf meinen Reisen auf den Balkan wurde mir immer wieder aufgezeigt, wie engagiert wir und andere Partner in der Minenräumung sind. Gleichzeitig wurde seit dem Ende der Coronapandemie so gut wie nichts mehr geräumt. Wir stellen Geld, Ausbildung, Material zur Verfügung, das offenbar ineffizient verdunstet, während unser deutscher Militärattaché im Land, Oberstleutnant Nolte, unter hohem persönlichem Engagement Gelder für Prothesenprojekte auftreibt. Kolleginnen und Kollegen, wir müssen unsere Anstrengungen in der Kampfmittelräumung besser koordinieren. Es kann und es darf nicht sein, dass in manchen Gegenden Bosnien-Herzegowinas seit Kriegsende nichts passiert ist. Es darf nicht sein, dass Kinder weiterhin Gliedmaßen verlieren oder grausam sterben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte aber auch über die europäische Perspektive sprechen. Gerade um die bosnische Beitrittsperspektive glaubhaft zu unterfüttern, müssen neben den Problemen, die das Land innenpolitisch lösen muss, auch Schritte unternommen werden, um gute Vorbedingungen für den Beitritt zu schaffen. Eine breitere wirtschaftliche Integration Bosniens in den europäischen Markt ist absolut notwendig, um den Wohlstand zu erhöhen und das europäische Projekt auch für die Menschen attraktiver zu gestalten. Der Schwerpunkt der jugoslawischen Rüstungsproduktion war aus geografischen Gründen in Bosnien-Herzegowina verortet. Die Industrie stellt Munitionskaliber her, die auch für die Ausrüstung der Bundeswehr nutzbar wären. Das wiederum würde Kapazitäten für die Unterstützung der Ukraine schaffen. An dieser Stelle könnten also wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische Interessen zusammengebracht werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend noch einmal zusammenfassen: Die deutsche Beteiligung an EUFOR Althea ist ein wichtiger Beitrag für den Frieden in der Region. Die Soldatinnen und Soldaten des deutschen Kontingents leisten im Land herausragende Arbeit und werden von der Bevölkerung sowie von unseren Alliierten als verlässliche und vertrauenswürdige Partner angesehen. Dafür gebührt ihnen mein herzlicher Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Dementsprechend werbe ich sehr intensiv dafür, dass wir sowohl im sicherheitspolitischen als auch im europäischen Interesse die Verlängerung dieses Mandats unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)