Rede von Boris Mijatović Fortsetzung des EUFOR-ALTHEA-Einsatzes in Bosnien und Herzegowina

Boris	Mijatovic
05.06.2024

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte Högl! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 11. Juli 1995 begann der Völkermord von Srebrenica. Über 8 000 bosnische Muslime wurden Opfer einer grausamen, menschenverachtenden Politik – mindestens 8 000 Menschen ermordet vor den Augen der Weltgemeinschaft. Der systematisch geplante Völkermord von Srebrenica, die Vielzahl an Kriegsverbrechen, Vergewaltigungen und Vertreibungen, jedes einzelne Leben, das im Bosnien-Krieg verloren wurde, muss ein Auftrag an uns alle sein, keine Hassrede, keine Genozidleugnung und keine Verherrlichung von Kriegsverbrechen zu tolerieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Frieden auf dem Westbalkan muss halten, und dafür ist der Einsatz von EUFOR Althea weiterhin unabdingbar. Denn der Frieden in der Region ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Wie fühlt sich ein Enkelkind eines ermordeten Großvaters von Srebrenica heute, wenn im Fernsehen oder im Radio Reden zu hören sind, die den Völkermord von Srebrenica leugnen, wenn die Belagerung von Sarajevo – über 1 425 Tage! – geleugnet wird oder wenn die Abspaltung des serbischen Landesteils aus dem Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina gefordert wird? Das sind Reden, die Hass gegenüber den eigenen Nachbarn schüren, genauso wie damals, vor über 30 Jahren. Wie fühlt sich dieses Schulkind, wenn seine Nachbarn auf der Schulbank ihm nicht trauen, weil die Familie einen anderen Namen hat, an einen anderen Gott glaubt oder am 11. Juli trauert? Es gibt leider zu viele Nationalisten in politischer Verantwortung auf allen Seiten. Daher ist die Frage für die internationale Gemeinschaft: Was können wir tun, damit dieses Kind und alle Menschen in der Region sicher sein können, dass sich die Geschichte eben nicht wiederholt?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir beraten heute die Fortsetzung von EUFOR Althea. Der Deutsche Bundestag hat vor zwei Jahren beschlossen, die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dieser EU-geführten Sicherheitsoperation wieder aufzunehmen. Und das ist richtig so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dietmar Nietan [SPD])

Ich möchte Ihnen drei Gedanken dazu anbieten:

Erstens. Die Soldatinnen und Soldaten leisten vor Ort, in der aktuellen politischen Sicherheitslage einen unverzichtbaren Beitrag für Stabilität und Sicherheit im Land. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten tragen aktiv und entscheidend zum Friedenserhalt bei.

Zweitens. Die Sicherheitslage vor Ort – wir haben es schon gehört – bleibt sehr volatil; ich werde gleich noch näher darauf eingehen. Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina wird permanent vom Präsidenten der serbischen Teilrepublik infrage gestellt.

Drittens. Der Einfluss und die Destabilisierungsversuche – auch das ist genannt worden – aus Russland, aber auch von anderen Akteuren aus der Region nehmen nicht ab. Im Gegenteil: Sie nehmen zu, und das ist eine ernste Bedrohung für die Sicherheitslage.

Noch mal zurück zum ersten Punkt, zu den Soldatinnen und Soldaten. Ich möchte meinen herzlichen Dank und meinen tiefempfundenen Respekt aussprechen für die herausragende Leistung. Ich bin selber vor einigen Wochen vor Ort gewesen und konnte mir ein Bild von ihrer Arbeit machen. Das ist eine herausragende Leistung unter schwierigsten Bedingungen. Dieser Dank und dieser Respekt gehen von diesem Haus, aber auch von der Bevölkerung an die Truppe, die vor Ort im Einsatz ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Zweiter Punkt. Die aktuelle politische Lage in Bosnien und Herzegowina bleibt besorgniserregend, eben weil Milorad Dodik, der Präsident der serbischen Teilrepublik, die Spaltung des Landes und der Gesellschaft vorantreibt. Er schürt ein Klima der ethnischen Abgrenzung, des Hasses und der Gewalt und versucht mit allen Mitteln, diejenigen, die an ein demokratisches Land glauben, zum Schweigen zu bringen. Beispiel gefällig? Das Gesetz über ausländische Agenten, das Foreign Agent Law, hat schon heute, noch bevor es in Kraft tritt, sehr krasse Folgen für die einzelnen Nichtregierungsorganisationen und Journalistinnen und Journalisten, die unabhängig im Land berichten. So bringt Dodik mit seinen Argumenten in der Öffentlichkeit die Gesellschaft gegen diese Menschen auf, spaltet und verdrängt damit auch ihre Stimmen in der Öffentlichkeit. Das dürfen wir nicht zulassen; denn Hass darf dort keinen Raum haben. Wir setzen darauf, dass Sicherheit und Stabilität eben zu Pluralität und Frieden führen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Aber auch die Stimmen der internationalen Gemeinschaft versucht Herr Dodik zum Schweigen zu bringen. Nur ganz kurz auf den Hohen Repräsentanten eingehend: Er hatte Einreiseverbot in die serbische Entität. Er hat sich glücklicherweise nicht daran gehalten. Aber man muss sich vor Augen führen, wie internationale Verträge von Herrn Dodik mit Füßen getreten werden.

Zum meinem dritten Punkt, den Destabilisierungsversuchen. Es gibt sie – wir haben es schon gehört – von Russland und den Nachbarstaaten. Ich möchte auf Serbien eingehen. Sie haben mitbekommen, dass in der letzten Woche die UN-Vollversammlung die Einführung eines Gedenktags zum eingangs erwähnten Völkermord von Srebrenica beschlossen hat. Weltweit soll am 11. Juli der Opfer dieser Verbrechen gedacht werden. Präsident Vučić aus dem Nachbarland Serbien hat es sich nicht nehmen lassen, persönlich nach New York zu reisen, um gegen diese Resolution zu stimmen – ich finde das schwierig, wenn ich mir die Buchstaben des Dayton-Abkommens anschaue –; er hatte keinen Erfolg. Aber Herr Vučić hat sich wieder als Anführer serbischer Nationalisten inszeniert. Ich darf Ihnen nahelegen, sich die Bilder auf Twitter oder auf Facebook anzuschauen, auch Instagram ist voll davon. Sie werden verstehen: Das ist kein Weg in die Zukunft. Wir müssen den Ausgleich auch mit den Nachbarländern herbeiführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dietmar Nietan [SPD])

Das Leid, das den Opfern und ihren Angehörigen angetan wurde, hat Spuren hinterlassen. Daher brauchen wir die Aussöhnung und die Versöhnung mit den Nachbarn.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das sind nur drei Aspekte in einer Debatte, die vielschichtig ist. Ich freue mich auf die Beratungen. Und ich freue mich, dass die Union hier ihre Zustimmung signalisiert hat. Wir können sicher im Detail schauen, was mehr geht, was besser geht.

Noch einmal geht der Dank an die internationalen Kräfte unter dem ungarischen Kommandanten. Ich danke auch der internationalen Gemeinschaft. Und ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Das Land hat es verdient.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Volker Mayer-Lay [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Joachim Wundrak für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)