Rede von Sara Nanni Fortsetzung des Einsatzes zur Stabilisierung des Irak und Bekämpfung des IS

Sara Nanni
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski
21.10.2022

Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Vertreter der Wehrbeauftragten! Die Präsidentin hat es gerade vorgelesen: Wir beraten heute über den Antrag „Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung im Irak fördern“ oder über das, wie wir es nennen, Irakmandat. Dabei ist das viel zu kurz gegriffen.

Rund 280 Soldatinnen und Soldaten sind an sechs Standorten in vier Ländern im Einsatz. Die Bundeswehr leistet ihren Beitrag im Rahmen der internationalen Einsätze NATO Mission Iraq und der Anti-IS-Operation Inherent Resolve. Schwerpunkt des deutschen Anteils ist die Beratung der Führung der irakischen Streit- und Sicherheitskräfte auf strategischer Ebene mit dem Ziel, ebenjene zu befähigen. Sie sind es, die dafür sorgen, dass der IS im Irak nicht wieder Fuß fassen kann. Der Einsatz findet auch im Kontext des zivilen Engagements von VN und EU statt, die mit der United Nations Assistance Mission for Iraq und der European Union Advisory Mission in Iraq vertreten sind.

Die sicherheitspolitische und die innenpolitische Lage ist mehr als kompliziert. Das besagt auch der Überprüfungsbericht der Bundesregierung, der nun erstmals dem Parlament vorgelegt wurde. Dort heißt es – ich zitiere –:

Auch wenn IS aktuell keine akute strategische Bedrohung für Irak darstellt, ist die Terrororganisation weder besiegt noch nachhaltig eingedämmt.

Seit dem Angriff der USA und seiner Verbündeten in 2003 – für uns in Deutschland und Europa das markanteste Datum der jüngeren Geschichte des Irak – musste das Land sich enormen Herausforderungen stellen. Die größte bleibt das Erstarken des IS in Irak und Syrien. Das Undenkbare wurde Realität. Die Gruppe „Islamischer Staat“ rief im Sommer 2014 das sogenannte Kalifat aus. Schätzungen gehen davon aus, dass zum Zeitpunkt der größten Raumkontrolle bis zu 12 Millionen Menschen in Irak und Syrien unter seiner Herrschaft lebten und litten. In diesem Territorium wurde gefoltert, gemordet, Menschen wurden drangsaliert, ein brutales Regime wurde durchgesetzt. Insbesondere gegenüber Minderheiten, wie den Jesidinnen und Jesiden, kannte der IS keine Gnade.

Das sogenannte Kalifat wurde zum Sehnsuchtsort von Dschihadisten weltweit.

(Stephan Brandner [AfD]: Dschihadistinnen haben Sie vergessen!)

Propagandistisch hochprofessionell rekrutierte die Gruppe „Islamischer Staat“ neues Kanonenfutter für seine zerstörerischen Pläne. Auch Tausende europäische – auch deutsche – Dschihadistinnen

(Stephan Brandner [AfD]: Aha, jetzt aber!)

reisten an, um für das sogenannte Kalifat zu kämpfen. Es bleibt, auch im Rückblick, Wahnsinn. Gut, dass das vorbei ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Was nicht vorbei ist, sind Anschläge und Angriffe durch die Gruppe „Islamischer Staat“ und andere Milizen. Auch die innenpolitische Lage ist mehr als herausfordernd. In etwa zeitgleich zu unserer Bundestagswahl wurden im Irak letztes Jahr Wahlen abgehalten. Die Regierungsbildung dauert, nun fast ein Jahr später, weiterhin an. Erst in der letzten Woche wurde der Präsident Abdul Latif Rashid durch das Parlament gewählt. Er hat nun Mohammed Shia al-Sudani mit der Bildung eines Kabinetts beauftragt.

Al-Sudani steht vor einer Mammutaufgabe, in einer ethnisch pluralen, wenig geübten Demokratie ein Kabinett zusammenzustellen, das die Gesellschaft Iraks bestmöglich abbildet und professionell miteinander und für das Land arbeiten kann. An diesem Wochenende soll das Kabinett vorgestellt werden. Ich wünsche viel Erfolg. Gut, dass es endlich vorangeht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn wir deutsche Soldatinnen und Soldaten in einen Einsatz schicken, dann ist das – und die Formulierungen unserer Mandate tragen auch dazu bei, wenn wir ehrlich sind – immer mit sehr hohen Erwartungen an Erfolge verbunden – fast so, als wären wir es in Deutschland gewohnt, dass, wenn der Staat sich was vornimmt, das auch immer ohne Probleme und Rückschläge gelingt. Es ist richtig, ambitioniert zu sein. Es ist richtig, zu hinterfragen, welchen Beitrag wir leisten. Es ist richtig, genau zu überlegen, bevor wir unsere gut ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten in ein für sie potenziell gefährliches Mandat entsenden. Mein Eindruck ist: Die Bundesregierung tut genau das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deutschland hat einen guten Ruf, sowohl bei der Zentralregierung in Irak als auch in Erbil. Es ist auch ein Teil unserer globalen Verantwortung, dass wir diesen guten Ruf zum Vorteil Iraks, zum Vorteil der Region und zum Vorteil Europas nutzen.

Wir hier im Parlament beschließen das Mandat. Die Regierung setzt es um. Und an erster Stelle sind es die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die dies jeden Tag mit hohem persönlichen Einsatz und einer hohen Professionalität tun. Ihnen gilt unser besonderer Dank, insbesondere in diesen für Irak sehr herausfordernden Zeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie auch im Namen meiner Fraktion heute um Zustimmung für dieses Mandat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat der Kollege Dr. Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])