Rede von Sabine Grützmacher Digitaler Euro

Sabine Grützmacher MdB
08.11.2023

Sabine Grützmacher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Herr König, manchmal habe ich auch Albträume im Wachzustand. Ihre Rede gerade eben gehörte dazu, ganz ernsthaft.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die EZB ist nicht alleine mit dem Wunsch nach Modernisierung des Euro hin zu digitaler Währung als moderner Alternative, nicht als Ersatz; das haben wir gerade schon gehört. Es handelt sich um ein wichtiges europäisches Digitalprojekt. Alternative private Anbieter wachsen stark an; deswegen müssen wir uns mit dem Thema beschäftigen. Aber ich stimme zu: Kommt der digitale Euro, dann muss er auch einen Mehrwert bieten und darf nicht nur das nächste Leuchtturmprojekt sein. Es geht um nicht weniger als um die finanzielle Souveränität Europas. Und ja, der digitale Euro ist ein komplexes Projekt. Deswegen begrüßen wir ebenfalls eine vertiefte parlamentarische Beratung neben dem fachbezogenen Austausch mit der Bundesbank.

Mit dem Vorschlag für ein gesetzliches Rahmenwerk zum digitalen Euro wurde gleichzeitig mit einem zweiten Vorschlag auch die Bedeutung des Bargeldes hervorgehoben. Dieses soll ausdrücklich gestärkt und nicht geschwächt werden. Alles andere ist Unsinn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mit Blick auf den ebenfalls zu beratenden Antrag der AfD möchte ich auf das Potpourri an Schreckensszenarien, das da gerade wahrscheinlich für Youtube aufgemacht wurde, gerne eingehen.

Schreckensszenario eins: Bargeldverbot. Die einfache Wahrheit ist: Wie so viele Zentralbanken weltweit beschäftigt sich auch die EZB mit der Digitalisierung und der Entwicklung einer digitalen Währung als zusätzliches Angebot.

(Lachen des Abg. Petr Bystron [AfD])

Spannenderweise ist sogar in einer der von der AfD angeführten Quellen zu lesen, dass Finanzexperte Jens Holeczek diese Bedenken für unrealistisch hält. Zitat:

„Solange der Verbraucher Bargeld nachfragt, werden die Banken den Verbrauchern weiterhin Bargeld – also eine physische Form von Zentralbankgeld – zur Verfügung stellen.“

Das findet sich in Ihren Quellen. Vielleicht lesen Sie die mal ganz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Angstszenario zwei: Überschuldung vor allem junger Menschen durch digitale Zahlungsweisen. Große Verschuldungsprobleme kommen nicht mit dem digitalen Bezahlen alleine. Mit dem Gegenteil eines digitalen Euros haben wir das erlebt, nämlich mit den hochspekulativen Krypto-Assets. Hier wird das anstehende Finanzmarktdigitalisierungsgesetz auch IT-Security und Verbraucherschutz im Finanzbereich adressieren. Im Übrigen: Bei Überschuldung helfen Prävention, soziale Arbeit, Finanzbildung und Unterstützung von Schuldnerberatungsstellen, aber nicht das Verbieten moderner digitaler Währungsangebote.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Volker Redder [FDP])

Angstszenario drei: der Stromausfall. Das Lieblingsszenario Blackout musste man natürlich irgendwie auch noch unterbringen. Ich bin sehr gespannt, wie Sie bei flächendeckendem Stromausfall Bargeld an Bankautomaten abheben oder elektronische Kassen öffnen wollen; auch sie funktionieren mit Strom. Aber gute Nachrichten: Der Blackout wird nicht kommen.

(Jörn König [AfD]: Frau Grützmacher, nehmen Sie doch einfach teil am Bargeldsymposium der Bundesbank! Da wird das erklärt! – Gegenruf des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Jetzt mal still!)

Danke und Grüße an dieser Stelle an BMWK, das unter Hochdruck am Ausbau der Erneuerbaren arbeitet.

(Jörn König [AfD]: Unglaublich, ehrlich!)

Und es bleibt noch Angstszenario vier: der angeblich drohende Überwachungsstaat durch Nachverfolgbarkeit von Zahlungstransfers. Hier ist zwischen Online- und Offlinebezahlfunktionen zu unterscheiden. Beim vorliegenden Vorschlag hätte eine Bank bei Onlinezahlungen nur Zugang zu den personenbezogenen Daten, die auch bisher schon notwendig sind; ansonsten würden wir in der Geldwäschebekämpfung gar nicht weiterkommen. Es ändert sich da also gar nichts. Bei Offlinezahlungen wird ein Maß an Privatsphäre vergleichbar mit der Abhebung von Bargeld an Bankautomaten angestrebt. Das heißt, wir verstärken da die Sicherheit und die Anonymität noch. Eine ziemlich populäre Band würde Ihren Antrag wohl in die Rubrik „Angst, Hass, Trübsal und der Wetterbericht“ einsortieren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein digitaler Euro beinhaltet gute Ideen. Menschen, aber auch Unternehmen sollen nicht auf private Lösungen im digitalen Payment-Bereich angewiesen sein, sondern eine im gesamten Eurowährungsgebiet akzeptierte digitale Alternative bekommen – mit Standardfunktionen, ohne Kosten, auch für Bürger/-innen ohne Bankkonto. Das wäre übrigens ein bedeutender Schritt; denn ein Konto bedeutet Selbstbestimmung und Teilhabe, Zugang zu Wohnraum, Arbeit, Versicherung. Diese Ziele sind ja wohl inhaltlich zu begrüßen.

Eine seriöse Einschätzung muss aber natürlich auch die technische Infrastruktur berücksichtigen; denn politisch sinnvolle Ideen stehen und fallen auch mit der Umsetzung der IT-Infrastruktur. Bezüglich der IT-Sicherheit wünsche ich mir eher das Modell „elektronischer Personalausweis“ und weniger die Modelle „ID-Wallet“ und „digitaler Führerschein“. Auch das möchte ich an dieser Stelle sagen.

Begrüßenswert sind ein Verzicht auf Blockchain und ein Verzicht auf Programmierbarkeit – deswegen habe ich den Einwurf von Herrn König gerade eben, ehrlich gesagt, nicht verstanden; auch das ist ja in dem Entwurf zu lesen –

(Jörn König [AfD]: Fragen Sie Frau Tillmann! Die hat Programmierbarkeit angesprochen!)

sowie die Kopplung an den Eurobargeldkurs und die Möglichkeit anonymer Transfers mittels unterschiedlicher Hardware per Offlinebezahlvorgang.

Offen im Beratungsprozess sind bislang die Fragen nach Endgeräten, nach technischen Lösungen, Anwendungen über Handy-Apps hinaus, zum Beispiel Smartcards. Aber mit Blick auf weitreichende Entscheidungen sehen wir eine enge Einbindung des Bundestages natürlich als sinnvoll an und freuen uns auf vertiefte konstruktive Beratung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Christian Görke.

(Beifall bei der LINKEN)