Foto von Jürgen Trittin MdB
01.12.2022

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist das Schicksal der Opposition, schmutzige Lieder singen zu müssen, wenn sie, wie es heute passieren wird, der Regierung zustimmt.

(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Stehen Sie doch zu dem, was Sie gesagt haben!)

Dass Sie dafür aber so einen Aufwand betreiben, das überrascht dann schon.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das Pfeifen im Walde ist doch kein Handel!)

Ich möchte eine Bemerkung vielleicht jenseits der reinen Handelspolitik machen; der Kollege Riexinger hat das auch angesprochen. Handelsabkommen haben auch eine geostrategische Bedeutung. Deswegen die Frage – und das ist bei CETA eine bedeutende Frage –: Was war CETA? CETA ist abgeschlossen worden in einer Situation, in der Kanada durch die USA massiv erpresst wurde. Es gab nämlich ein ungleichgewichtiges Handelsabkommen, damals noch mit dem Namen NAFTA, das benutzt worden ist, um die Kanadier in einer Weise zu erpressen, die überhaupt nicht mehr schön war. Und in dieser geostrategischen Situation hat Europa gesagt: Wir wollen den Handel mit Kanada stärken. – Das ist übrigens im Grundsatz von uns immer als richtig angesehen worden.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)

Jetzt haben wir sechs Jahre Praxis seit der Unterzeichnung von CETA, und nach sechs Jahren kommen jetzt zwei Dinge hinzu: Es treten die Regelungen in Kraft, die den Arbeitsmarkt betreffen, also Schutzregeln, und es treten die veränderten Regeln in Kraft, was die Anwendung von außergerichtlichen Schiedsverfahren angeht.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nichts hat sich verändert!)

Das ist der Kern dessen, worüber wir heute abstimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Dürr [FDP])

Nun will ich aber noch einen weiteren Punkt nennen. Hier ist die Vereinbarung genannt worden, dass die EU sondieren soll, ob aufseiten der USA die Bereitschaft zu neuen Verhandlungen und einem fairen Handel besteht. Da steht nicht drin: „Das kommt“, sondern da steht drin: „Wir sondieren das“. Da geht es darum, Marktzugangsbarrieren für Zukunftstechnologien besonders bei Dekarbonisierung und anderen abzubauen. Da sind wir jetzt an einem Punkt, wo wir als Deutschland und als Europäische Union, wie ich glaube, vor einer ernsten Herausforderung stehen.

Ich habe es sehr begrüßt, dass die Biden-Administration dieses Paket zum Klimaschutz in den USA auf den Weg gebracht hat. Das umfasst das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der USA, was erneuerbare Energien, Klimaschutztechnologie und Wasserstoff angeht. 400 Milliarden Dollar! Aber es beinhaltet auch Marktzugangsbeschränkungen, die aufgrund blanker Industriepolitik – man kann auch sagen: „Buy American“ – bestehen. Das ist die Herausforderung, vor der wir hier in Europa stehen.

(Markus Töns [SPD]: Richtig!)

All denjenigen, die jetzt locker davon reden, dass man da morgen mal eben ein Handelsabkommen hat, sage ich: Wir werden zu solchen Vereinbarungen nur kommen, wenn wir uns gleichzeitig in die Lage versetzen, da auf Augenhöhe mitzuspielen. Was ist also bei uns in Europa mit einem European Sovereignty Fund, mit dem wir gegen diese Regeln tatsächlich ein Gegengewicht bilden können?

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich sage Ihnen: An dieser Diskussion werden wir nicht vorbeikommen, und wahrscheinlich werden wir genau da landen, wo auch die USA gelandet sind, als es um die Frage der Finanzierung dieses Pakets ging, –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– nämlich zu 100 Prozent kreditfinanziert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag erteile ich das Wort dem Kollegen Alexander Bartz, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)