Rede von Margit Stumpp Bundesministerium für Bildung und Forschung
Margit Stumpp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! „Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“ Dieses Zitat von John F. Kennedy drängt sich geradezu auf, wenn man sich den vorliegenden Bildungshaushalt ansieht. Versteht man den Nationalen Bildungsbericht als Pflichtenheft für Bildungspolitik, sieht man: Es wird nicht eine Aufgabe strukturiert angegangen. Das wird in Zukunft richtig teuer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Bildungsbericht formuliert als größte Herausforderung Bildungsgerechtigkeit – immer noch, seit Jahren. Immer noch ist in kaum einem industrialisierten Land Bildungserfolg so stark an die soziale Herkunft gebunden wie in Deutschland. Das ist ein Armutszeugnis für eine Bildungsnation.
Welche Konsequenz zieht diese Regierung daraus? Keine. Im Gegenteil: 2 Milliarden Euro für den Ganztagsbereich wurden in der Bereinigungssitzung aus dem Haushalt gekippt. Warum? Das Bildungsministerium hat für den Ganztag kein schlüssiges Konzept. Wie peinlich ist das denn!
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wie ist es in Baden-Württemberg?)
Frau Minister Karliczek, das ist ein Offenbarungseid Ihres Ministeriums. Ein guter, strukturierter und rhythmisierter Ganztag verbessert die Bedingungen für Inklusion, Integration und Bildungsgerechtigkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dazu gibt es genügend valide Untersuchungen. Aber aus Ihrem Haus: keine Lösungen, kein Konzept.
Schulen in benachteiligten Quartieren kommen in diesem Haushalt nur am Rande vor. Gerade da, wo die Not am größten ist, bleibt diese Regierung jede konkrete Unterstützung schuldig.
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was sagt denn der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg dazu?)
Vom alleinigen Betrachten wird die Situation nicht besser. Werden Sie hier endlich aktiv! Nicht zugucken, machen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Macht Baden-Württemberg mit?)
Nächste Herausforderung: Qualität in der Bildung, auch in der beruflichen Bildung, einhergehend mit Digitalisierung. Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und muss von den Schulen gestemmt werden – neben individueller Förderung, neben Integration und neben Inklusion, und das von viel zu wenig Lehrkräften.
Wie schlägt sich dies im Bundeshaushalt nieder? Zusätzliche Qualifizierung – gar nicht. Digitalisierung – zögerlich. Der Digitalpakt hat inzwischen den Status des Berliner Flughafens: Irgendwann wird er schon kommen.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)
Eine Ministerin, die den Besuch einer Schule in Richtung eines Verfassungsbruchs hochstilisiert, hat eine schräge Haltung zum Bildungsföderalismus und sollte erst gar nicht versuchen, das eigene Unvermögen der Opposition in die Schuhe zu schieben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Digitalisierung und Schule: Das ist eine gefundene Lücke für die forsche Staatsministerin Bär, die sich quasi per Flugtaxi auf das Thema stürzt. Sie fordert einheitliche Leitlinien von der Grundschule bis hin zum Abitur. Schön, dass sich Frau Bär unsere Forderung zu eigen macht.
Zudem stellt sie per Interview – Interviews haben es derzeit gerade in sich – das Kooperationsverbot infrage. Glückwunsch! Spät kommt die Erkenntnis, doch sie kommt. Nur: Wer hat in Sachen Bildung eigentlich das Sagen? Frau Karliczek, nutzen Sie Staatsministerin Bär als verkapptes Sprachrohr, oder ziehen Sie einfach nur langsamer als Ihr Schatten?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bitter ist: Trotz üppiger Steuereinnahmen bleibt Deutschland bei der eigenen Zielvorgabe, mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung auszugeben, weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Schlimmer noch: Mit 4,3 Prozent liegen wir als Bildungsnation sogar noch weit unter dem Durchschnitt der OECD von 5,1 Prozent.
Auch an den Hochschulen zeigt sich die Unterfinanzierung. Die BAföG-Novelle ist nicht ausreichend. Die Fördersätze und Freibeträge müssen sofort – und nicht erst zum Wintersemester im nächsten Jahr – um 10 Prozent steigen und zudem automatisch erhöht werden. Studieren darf keine Armutsfalle bleiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss: Die Probleme im Bereich Bildung sind groß. Große Probleme brauchen mindestens ebenso große Lösungen. Angesicht des Klein-Kleins in diesem Haushalt fällt mir allerdings nur Westernhagen ein: „Keine Ahnung, keine Meinung, kein Konzept ...“
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marianne Schieder [SPD]: Oh Gott, oh Gott!)