Rede von Katja Dörner Bildung und Kinderbetreuung

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07.10.2020

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kinder haben das Recht auf gute und faire Startchancen ins Leben. Das gilt für alle Kinder, und das muss auch und gerade natürlich in Pandemiezeiten gelten. Zwar sind Schulen und Kitas mittlerweile wieder geöffnet; aber die vergangenen Monate haben uns eben sehr genau vor Augen geführt, wo dringender Handlungsbedarf in der Bildungspolitik, aber auch in der Familienpolitik besteht.

Gerade Familien wurden beim Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling im Stich gelassen. Es gibt weiter keine Planungssicherheit für Familien, kein Coronaelterngeld beispielsweise, und das besorgt mich angesichts der steigenden Infektionszahlen sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alleingelassen wurden aber auch Schulen und Lehrkräfte und vor allem die Schülerinnen und Schüler, und zwar insbesondere die mit besonderem Förderbedarf.

Die Forderung der FDP nach einer Bildungs- und Betreuungsgarantie in Coronazeiten ist zwar gut und schön; leider hat die FDP es in ihrem Antrag versäumt, diese Forderung mit Inhalt zu füllen. Was man unter einer solchen Garantie zu verstehen hat, das bleibt leider schleierhaft.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Geheimnis! Bleibt ein großes Geheimnis!)

Wir brauchen klare Standards mit Blick auf die Digitalisierung. Hier erlaube ich mir einen kleinen Exkurs. Ich finde es skandalös, dass die Mittel aus dem Soforthilfeprogramm für die technische Ausstattung jetzt nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, also vor allem nach der Höhe des Steueraufkommens, an die Bundesländer vergeben werden und nicht etwa mit Blick auf die tatsächliche Bedürftigkeit der Schülerinnen und Schüler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist doppelt absurd; denn die reichen Bundesländer bekommen pauschal mehr Geld pro Schüler bzw. Schülerin als die armen Bundesländer. Das wird die soziale Spaltung in der Bildung weiter verschärfen. Es muss doch unser Ziel sein, hier zusammenzuführen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was wir neben den Standards mit Blick auf die Digitalisierung auch brauchen, ist ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung mit verbindlichen Qualitätskriterien. Da muss die Bundesregierung endlich liefern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gute Bildungsangebote sind zentral für die Lebenschancen von Kindern. Das müssen wir im Blick behalten – jetzt in der Coronakrise, aber natürlich auch in Zukunft. Kinder haben ein Recht auf Bildung.

Dass wir heute im Kern über die Rechte von Kindern sprechen, damit schließt sich für mich persönlich ein Kreis. Ich habe vor ziemlich genau elf Jahren meine erste Rede an diesem Pult gehalten, und zwar im November anlässlich des UN-Kinderrechtetags zur Frage der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland. Damals habe ich mich für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ausgesprochen.

(Nicole Höchst [AfD]: Pfui!)

Auch heute möchte ich noch mal ganz eindringlich appellieren, das zu tun. Das wäre ein so starkes Signal für ein kinderfreundliches, kindergerechtes Deutschland. Also: Liebe Union, liebe SPD, bitte endlich umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht! Kinderrechte ins Grundgesetz, und zwar mit einer Formulierung, die auch einen echten Mehrwert für die Kinder bedeutet!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Nicole Höchst [AfD]: Sie möchten einfach die Familien abschaffen! Das ist doch alles! Seien Sie doch mal ehrlich!)

Heute halte ich voraussichtlich – –

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Dörner, das wäre jetzt ein guter Schlusspunkt gewesen.

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Eine Minute bräuchte ich noch.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Nein.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre letzte Rede!)

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich halte nämlich heute voraussichtlich meine letzte Rede.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das hätte mir mal jemand übermitteln dürfen.

(Thomas Seitz [AfD]: Gott sei Dank!)

– Diesen Zwischenruf weise ich jetzt gleich zurück.

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich halte heute voraussichtlich meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Da möchte ich die Gelegenheit natürlich nutzen, mich insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen aus meiner eigenen Fraktion, aber auch aus fast allen anderen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit hier zu bedanken. Wir waren immer am besten, wenn wir über den Tellerrand geguckt haben, wenn wir die Argumente der anderen auch ernst genommen haben, wenn wir die eine oder andere Idee auch mal einfach aufgenommen und auf unseren Wegen und Kanälen mitbefördert haben und insbesondere wenn wir offen für Kompromisse waren. Ich meine, Kompromisse sind etwas Gutes; sie sind der Kern in unserer Demokratie. Ich würde mir wünschen, dass wir gerade für den Kompromiss mehr werben und mehr Wertschätzung dafür auch in die Öffentlichkeit tragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir haben viel zu verteidigen. Wir haben große Herausforderungen vor uns. Ich wünsche Ihnen dafür die besten Entscheidungen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und sage von dieser Stelle: Toi, toi, toi! Alles Gute!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Abgeordnete des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herzlichen Dank. – Ich wünsche Ihnen natürlich für Ihren neuen Lebensabschnitt alles, alles Gute. Offensichtlich tun das auch die meisten Kolleginnen und Kollegen hier im Hause.

Für alle: Schön wäre es gewesen, ich hätte vorher einen Hinweis bekommen. Sie wissen, wir haben hier Verabredungen, wie wir damit umgehen.

Das Wort hat der Kollege Norbert Altenkamp für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)