Rede von Frank Bsirske Betriebsräte

Frank Bsirske MdB
28.06.2024

Frank Bsirske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Abgeordnete! Der heute in zweiter und dritter Lesung zur Beschlussfassung anstehende Gesetzentwurf hat seit der ersten Lesung im parlamentarischen Verfahren keine Veränderungen mehr erfahren. Positiv zu werten ist, dass Betriebsvereinbarungen als Mittel der Wahl zur Festlegung sogenannter vergleichbarer Arbeitnehmer/-innen aufgegriffen werden. So hätte man sich durchaus vorstellen können, dass diese Betriebsvereinbarungen im Gesetz mittels Einigungsstelle auch erzwingbar ausgestaltet worden wären. Dazu ist es nicht gekommen. Aber auch so bedeutet dieses Gesetz einen unerlässlichen Schritt zur Wiederherstellung von Rechtssicherheit für Arbeitgeber wie für Betriebsräte. Gerade in Zeiten des Umbruchs, in Zeiten weitreichenden Umbaus betrieblicher Strukturen und Prozesse brauchen wir Menschen, die sich in den Betrieben und in der Interessenvertretung engagieren. Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten dürfen da nicht abschrecken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Betriebsräte erfüllen als Interessenvertretung der Beschäftigten elementare Aufgaben. Sie sind Träger der Mitbestimmung und Träger demokratischer Beteiligung in den Betrieben, sie sind Kooperationspartner und zugleich Konfliktpartner der Arbeitgeberseite. Als solche dürfen sie gemäß Betriebsverfassungsgesetz aufgrund ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch bevorzugt werden.

Hier hat ein Urteil des Bundesgerichtshofs nun zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Auslegung dieses Gesetzes geführt. Was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als rechtmäßig galt, wurde vom BGH unter Untreueverdacht gestellt und strafrechtlich bedroht. In der Folge dieses Urteils und aufgrund der damit eingetretenen Rechtsunsicherheit haben mehrere Unternehmen vorsorglich die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern und die Betriebsrenten ehemaliger Betriebsratsmitglieder gekürzt bzw. infrage gestellt. Auch dieses Vorgehen ist zum Gegenstand von Klageverfahren gemacht worden. Tatsächlich haben die Kläger zwischenzeitlich in mehreren Verfahren recht bekommen.

Die Rechtsunsicherheit ist entsprechend groß, und der Gesetzgeber ist gefordert, für Klärung zu sorgen. Es kann nicht sein, dass Manager wegen dieser Rechtsunsicherheit mit einem Bein im Gefängnis stehen, dass die Vergütungsgrundsätze für Betriebsräte unklar sind und in der Folge die Bereitschaft gerade besonders befähigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit überdurchschnittlichen beruflichen Entwicklungschancen gemindert wird, sich für die Übernahme betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Deshalb hat die Ampel diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Damit wird im Einvernehmen mit den Sozialpartnern die Betriebsratsvergütung rechtssicher gestaltet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der Linken sowie bei Abgeordneten der FDP)

Betrachten wir die Grundzüge des Gesetzentwurfs, so dürfen Betriebsratsmitglieder aufgrund ihrer Tätigkeit auch weiterhin weder benachteiligt noch bevorzugt werden. Um das sicherzustellen, wird die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit ins Verhältnis zur Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesetzt. Zur Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer/-innen ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Mandats abzustellen, wobei bei Vorliegen eines sachlichen Grundes auch eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe vorgenommen werden kann. Und ganz wichtig: Soweit die Vergleichbarkeit in einer Betriebsvereinbarung konkretisiert ist, soll diese künftig nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit hin überprüft werden können.

Des Weiteren werden die Maßstäbe des Verbots von Begünstigung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern dahin gehend konkretisiert, dass eine Begünstigung oder eine Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt immer dann nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen Anforderungen erfüllt. Normiert wird in diesem Zusammenhang ein allgemeines, umfassendes Benachteiligungsverbot, das ausdrücklich auch die berufliche Entwicklung der Betriebsratsmitglieder umfasst. Die bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum fiktiven Beförderungsanspruch und zu hypothetischen Karrieren wird explizit aufgegriffen. Der Arbeitgeber ist gehalten, den Betriebsratsmitgliedern eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, wie sie sie ohne Amtstätigkeit durchlaufen hätten, und eine entsprechende Bezahlung sicherzustellen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Bei Stellenbesetzungen sind auch die durch die Amtstätigkeit und während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen zu berücksichtigen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamtes für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Diese Fähigkeiten und Qualifikationen müssen dabei das Ergebnis eines individuellen persönlichen Lernprozesses des Betriebsratsmitglieds sein. Der bloße Zuwachs von Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten während der Ausübung des Amtes als Betriebsrat begründet ohne Bezug zu einer konkreten Stelle im Betrieb und ohne Bezug zum Anforderungsprofil dieser Stelle noch keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung.

Das Gesetz dient so der Wahrung der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Mitglieder des Betriebsrats sowie der unentgeltlichen Wahrnehmung ihres Amtes als Ehrenamt. Denn es ist das Ehrenamtsprinzip, welches entscheidend dazu beiträgt, dass die vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon ausgehen können, dass die Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Vorteile für die Mitglieder des Betriebsrats beeinflussbar sind. Mit dem Gesetz stärken wir das Ehrenamtsprinzip und stärken die Betriebsräte für die Ausübung ihrer Aufgaben.

Dieser Gesetzentwurf hat die Unterstützung beider Dachverbände, dem der Arbeitgeber wie dem der Gewerkschaften, und er verdient die breite Unterstützung dieses Hauses.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der Linken sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Norbert Kleinwächter.

(Beifall bei der AfD)