Rede von Dr. Franziska Krumwiede-Steiner Berufliche Bildung

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06.06.2024

Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, dass die CDU/CSU-Fraktion jetzt die Berufsorientierung für sich entdeckt; denn genau diese Zielgruppe, die Sie ansprechen, ist eigentlich ziemlich von Ihrer Regierungszeit betroffen. Wir sprechen nicht von Zweieinhalbjährigen.

Aber Sie haben recht: Kinder wollen Astronautinnen und Astronauten werden oder beim Bäcker arbeiten. Sie passen gerne auf Geschwister auf, vor allem, wenn es nicht die eigenen sind. Sie träumen vom Baggerfahren und vom Fliegen. Wir als Ampel haben uns gefragt: Warum lassen wir sie denn nicht einfach? In der Schule tauschen sie die Spieleküche und den Kaufmannsladen gegen Grammatikhefte. Sie sollen deklinieren und konjugieren und „He, she, it, das s muss mit“ lernen. Aber sie lernen nie, was ein Berufskolleg oder die duale Ausbildung ist. Sie lernen, dass Caesar sein Standardwerk mit „Gallia est omnis divisa in partes tres“ einleitet, aber nicht, dass sie auch als museumspädagogische Fachkraft arbeiten könnten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

An der Uni wird es nicht besser. Im Studium habe ich in Vorbereitung auf die Arbeit an einer Brennpunktgesamtschule Mittelhochdeutsch gelernt; das hilft wahnsinnig viel.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber heute lohnt es sich endlich mal; denn der Begriff „Beruf“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen. „Beruf“ kommt von „Berufung“, ein Wort für etwas Höheres: Selbstwirksamkeit, Zukunftswünsche werden damit verbunden. Weil es bei der Berufswahl eben nicht nur um den Fachkräftemangel geht, sondern auch um persönliche Entfaltung, um Berufung, deswegen stärken wir als Ampel gezielt die Berufsorientierung, und zwar von Anfang an zum Beispiel mit dem Startchancen-Programm.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bei dem Programm ist die Berufsorientierung nämlich zentral. Seit vorgestern kennen wir die ersten 2 000 Schulen, die Teil des Programms sein werden.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Ist das Säule IV, die wir noch nicht kennen?)

Das ist ein Meilenstein für die Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mit dem Startchancen-Programm verbessern wir Berufsorientierung ganz konkret. Kurzzeitpraktika werden erleichtert, Job Shadowing und Bewerbungstrainings können angeboten werden, Netzwerke mit den wichtigen Jugendberufsagenturen und lokalen Betrieben werden gefördert. Das hilft, Jugendlichen früh Orientierung zu geben und sie zu empowern, und zwar dort, wo es den Familien auch mal an Ressourcen fehlt, um sich im Dschungel der Angebote überhaupt erst zurechtzufinden, wo Papa nicht mit einem Anruf beim Studienfreund ein Praktikum in einer Anwaltskanzlei für den Filius klarmacht.

Mit dem Startchancen-Programm erhalten Schulen die Möglichkeit, besonders Arbeiterkindern zu zeigen, welche Möglichkeiten dieses Land für sie bereithält. Lehrkräfte und multiprofessionelle Teams können gezielt Potenziale fördern, die gerade in den Talenten schlummern, die keinen finanziellen Hintergrund haben, um groß zu denken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Programm wollen wir den Traum von der Karriere bei der Feuerwehr oder im Justizministerium oder im eigenen Friseursalon genauso ermöglichen wie den Wunsch, Lehrerin zu werden, auch wenn man die erste Person mit Abitur in der Familie ist und wenn man eben nicht Müller oder Meyer mit Nachnamen heißt.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat Katrin Staffler für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)