Rede von Sascha Müller Banken und Sparkassen

Sascha Müller MdB
23.06.2023

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union legt einen Antrag vor mit dem doch ein bisschen irreführenden Titel „Banken und Sparkassen vor Ort schützen“. Das klingt jetzt schon ein bisschen so, als ob unsere Banken und Sparkassen vor Ort irgendwie bedroht würden und einen besonderen Schutzschirm oder so etwas bräuchten. Na ja, ganz so ist es sicherlich nicht.

Um zu verstehen, über was wir hier reden, und um den Antrag einordnen zu können, sollten wir uns noch einmal die Idee der europäischen Bankenunion insgesamt anschauen. Um zu verhindern, dass Turbulenzen bei einzelnen Banken den ganzen Finanzsektor mitreißen und damit eine schwere Wirtschaftskrise auslösen, haben sich die EU-Staaten ein Regelwerk gegeben, das aus drei Säulen besteht. Namentlich sind dies erstens die Bankenaufsicht, seit Ende 2012 mit dem Bankenaufsichtsmechanismus SSM, und zweitens das einheitliche Bankenabwicklungssystem SRM, seit 2015 in Kraft. Das schafft Resilienz, Vertrauen und einheitliche Wettbewerbsbedingungen.

Beim Abwicklungsregime sehen wir allerdings noch Handlungsbedarf. Denn immer noch werden Banken mit Steuergeld gerettet, wenn es hart auf hart kommt. Im Zweifel ziehen nationale Regierungen doch wieder die Ausnahmeregelungen, etwa in Italien in den letzten Jahren in mehreren Fällen. Allein für die Banca Monte dei Paschi waren das insgesamt 7 Milliarden Euro, mit dem Verweis auf besonders schützenswerte Privatanleger. Auch in der Schweiz – mit einem ähnlichen Abwicklungssystem – war der Staat Treiber und Garant der Rettungsfusion der Credit Suisse mit der UBS. Eine Reform und Verbesserung der Regeln ist also dringend nötig. Deshalb begrüßen wir grundsätzlich, dass die EU hier weitere Fortschritte erzielen will. Bei dem aktuellen Vorschlag haben auch wir allerdings noch Fragezeichen.

Was die Fertigstellung der dritten und letzten Säule der Bankenunion, nämlich eine gemeinsame europäische Einlagensicherung, EDIS, betrifft: Diese steht noch aus. Hier gibt es seit vielen Jahren keine Einigung. Die Ampel hat sich dazu bekannt, auch den letzten Schritt zu unterstützen. Gleichzeitig wollen wir aber die bestehenden Einlagensicherungssysteme der Banken in Deutschland erhalten. Um diese Ziele gleichermaßen zu erreichen – Vollendung der Bankenunion und Erhalt des deutschen dreigliedrigen Bankensystems inklusive der bewährten Institutssicherungssysteme –, haben wir als Grüne die Idee eines europäischen Einlagenrückversicherungssystems im Koalitionsvertrag verankert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn natürlich haben wir eine heterogene Bankenlandschaft in Deutschland, was gut und richtig ist, und in Europa erst recht. Entsprechend erwartbar schwierig ist die Interessen- und Verhandlungslage. Ein Regelwerk für eine heterogene Bankenlandschaft zu schaffen, das für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen geeignet ist, ist eben nicht so einfach. Wir bedauern, dass die Eurofinanzminister sich bisher nicht einigen konnten und so EDIS als europäische Einlagenrückversicherung nicht Teil des Reformvorschlags sein konnte. Es wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen, hier noch einmal einen Versuch zu unternehmen. Ohne gemeinsame Einlagenrückversicherung steht die Bankenunion nur auf einem Bein, und auch in den anderen Säulen sind dann oft statt Lösungen aus einem Guss nur Second-Best Solutions möglich, wie jetzt zum Beispiel bei den CMDI-Regeln mit ihrem Rückgriff auf die nationalen Sicherungssysteme.

Die Grundintention des Vorschlags, nämlich möglichst einheitliche Abwicklungsstandards in der Union zu etablieren, die Kosten gering zu halten und so Steuerzahlende zu entlasten und das Vertrauen in den europäischen Finanzmarkt zu stärken, ist richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen aber auch den Erhalt unserer vielfältigen Bankenlandschaft in Deutschland mit ihren vielen kleinen und mittelgroßen Instituten sicherstellen. Diese kleinen und mittleren Banken sind vor Ort verankert und versorgen unsere Wirtschaft mit Krediten. Auch die vergangenen Krisen haben gezeigt, dass die Kundschaft ein hohes Vertrauen in die Sparkassen und Volksbanken hat. Sie sind der Stabilitätsanker unseres Finanzsystems.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Wir stehen daher im engen Austausch mit den Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Und natürlich wollen wir eine Vereinbarkeit der künftigen europäischen Regelungen mit den institutseigenen Sicherungssystemen, wie es auch im Koalitionsvertrag steht. Im neuen Vorschlag der Kommission gibt es da sicherlich kritische Punkte. Es handelt sich um einen ersten Entwurf, der sich sicherlich noch verändern wird. So sehen die derzeit vorgesehenen Regelungen bei einer sparkasseninternen Rettung vor, dass das zur Verfügung gestellte Kapital in einem zweiten Schritt privatisiert wird. Wenn das eine Privatisierung durch die Hintertür bedeutet, lehnen wir das selbstverständlich ab. Das wäre auch aus rechtlicher Sicht bei öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Instituten mehr als problematisch. Auch die Veränderung der Gläubigerreihenfolge – denn die Einlagensicherung steht nicht mehr ganz oben – und die Aufweichung des Bail-in-Prinzips ist für uns nicht nachvollziehbar.

Ich komme zurück zum Antrag der CDU/CSU. In Ihrem Antrag machen Sie das Tor für eine europäische Einlagensicherung praktisch komplett zu. Wir sagen: Eine Totalverweigerung ist wenig zielführend und führt nur zu einer Sonderstellung Deutschlands. Wir dagegen wollen zu einer europäischen Einigung kommen, die mögliche Bankenabwicklungen verbessert und die Wahrscheinlichkeit, dass die Steuerzahlenden einspringen müssen, reduziert. Wir haben bei der Debatte um EDIS im vergangenen Sommer gesehen, dass eine komplette und vollständige Ausklammerung der bestehenden nationalen Institutssicherungssysteme in Europa in die Sackgasse führt, und eine komplette Verweigerungshaltung ist aus unserer Sicht auch nicht sinnvoll. Deswegen sollten wir uns an der Debatte weiter konstruktiv beteiligen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Unser Ziel ist es, die bewährten Institutssicherungssysteme zu erhalten und in ein europäisches Regelwerk zu integrieren. So können wir einen weiteren Schritt zu einem besseren und stabileren europäischen Finanzsystem gehen. Das mag angesichts der schon erwähnten unterschiedlichen Interessenlagen aus heutiger Sicht ein anspruchsvolles Ziel sein; aber wir sollten im Sinne einer europäischen Einlagenrückversicherung und damit einer Vollendung der Bankenunion daran festhalten.

In diesem Sinne wünsche ich dem Bundesfinanzminister und unserem Verhandlungsteam bei weiteren, sicher nicht leichten Gesprächen und Verhandlungen im Sinne unseres Koalitionsvertrages eine glückliche Hand und viel Ausdauer.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Knut Gerschau [FDP])