Rede von Katja Keul Autonome Waffensysteme

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31.01.2020

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grüne haben heute zwei abrüstungspolitische Themen aufgesetzt, mit den einprägsamen Namen EWIPA und LAWS. Das eine sind Explosive Weapons in Populated Areas. Da geht es, frei übersetzt, um die Bombardierung dicht besiedelter Gebiete. Das andere sind Lethal Autonomous Weapon Systems, die vollautonomen Waffensysteme, auch bekannt als Killer Robots. Hierzu finden jeweils im UN-Rahmen in Genf Verhandlungen zwischen den Staaten statt, bei denen wir uns eine konsequentere Verhandlungslinie der Bundesregierung wünschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Fall der vollautonomen Waffensysteme verhandelt eine Gruppe von Regierungsexperten bereits seit 2016 über das Ob und das Wie einer Regulierung. Es geht dabei nicht um eine bestimmte Waffenart, wie Streumunition oder Landminen, sondern um autonome Funktionen in unterschiedlichen Waffensystemen, die sich immer mehr der menschlichen Kontrolle entziehen. Wenn die Entscheidung über Leben und Tod aber nicht mehr durch einen Menschen, sondern durch einen Algorithmus getroffen wird, wirft das unter anderem die Frage auf, wer künftig verantwortlich im Sinne des humanitären Völkerrechts ist.

Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der automatisierten Abläufe können Konfliktsituationen unnötig eskalieren, wenn keine ausreichende menschliche Kontrolle existiert; denn auch die sogenannte künstliche Intelligenz macht Fehler. Das Militär verliert immer mehr Entscheidungsmacht an private IT-Konzerne. Und letztlich verstößt es gegen die Menschenwürde, wenn ein Menschenleben zum Objekt einer maschinellen Entscheidung wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Risiken liegen also auf dem Tisch. 28 Staaten haben sich inzwischen für förmliche Vertragsverhandlungen und eine völkerrechtlich bindende Konvention ausgesprochen. Leider gehört dazu nicht die Bundesregierung, obwohl die Ächtung vollautonomer Waffensysteme sogar im Koalitionsvertrag steht.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Der Spielraum für sinnvolle Regeln schwindet zunehmend. Das erforderliche Maß an menschlicher Kontrolle muss definiert sein, bevor ein Waffensystem überhaupt designt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Rüstungswettlauf um das technisch Machbare braucht dringend einen regulativen Rahmen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie mehr Druck ausübt, die progressiven Staaten unterstützt und sich nicht länger mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedengibt. Deswegen zeigt die internationale Kampagne, die heute draußen vor dem Reichstag war, Ihnen die Rote Karte.

Auch bei den UN-Verhandlungen zum Einsatz von großräumig wirkenden Explosivwaffen in besiedelten Gebieten braucht es eine klare Sprache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])

Das Leid der Zivilbevölkerung in Syrien und im Jemen hat diese Art der Kriegsführung inzwischen auch zum Thema von UN-Verhandlungen in Genf gemacht. Ziel ist es, dem humanitären Völkerrecht mehr Geltung zu verschaffen. Mittlerweile haben der Generalsekretär der Vereinten Nationen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und andere die militärischen Akteure aufgerufen, den Einsatz solcher Waffen in besiedelten Gebieten zu vermeiden, im Original: „to avoid“. Dabei geht es eben nicht nur um nichtstaatliche Akteure, sondern gerade auch um staatliche Verantwortung. Aktive Unterstützer sind unter anderem Irland und Österreich.

Zunächst hat auch die Bundesregierung die Initiative unterstützt und vorangebracht. Leider hat sie im November gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien ein Papier vorgelegt, das die ursprünglichen Forderungen massiv abschwächt und sich jetzt nur noch an nichtstaatliche Akteure richtet.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider!)

Darin wird nur noch von improvisierten Sprengkörpern gesprochen und nicht mehr von Explosivwaffen. Die Forderung des UN-Generalsekretärs, den Einsatz von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten zu vermeiden, wird nicht mehr aufgegriffen. Das ist ein schwerer Rückschlag für die internationalen Bemühungen. Das kritisieren wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Lassen Sie sich nicht in einem derart frühen Stadium auf den niedrigsten gemeinsamen Level als Verhandlungslinie ein. Es ist ohnehin ein dickes Brett, das in Genf bei der UN-Abrüstungskonferenz zu bohren ist. Bleiben Sie daher an der Seite des UN-Generalsekretärs und an der Seite von Irland und Österreich. Wer sich für eine Konkretisierung des humanitären Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung einsetzen will, muss sich für eine klare Sprache einsetzen und die staatlichen Akteure in die Pflicht nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gisela Manderla, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)