Rede von Ottmar von Holtz Außen- und Sicherheitspolitik

Foto von Ottmar von Holtz MdB
22.02.2024

Ottmar Wilhelm von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist eine Bedrohung, die wir so seit Jahrzehnten nicht mehr hatten. Ja, diese Bedrohung erfordert eine Zeitenwende im Hinblick auf die Stärkung unserer eigenen Wehrhaftigkeit, allen voran der Bundeswehr. Und ja, wir müssen die Ukraine massiv dabei unterstützen, sich effektiv gegen die unvorstellbaren Verbrechen der russischen Angreifer zu wehren, damit sie ihre territoriale Souveränität verteidigen kann.

Und nein, dies allein ist nicht die echte Zeitenwende, für die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, sie halten. Mit mehr Munition und Panzern allein rüsten wir uns nicht gegen Cyberangriffe, nicht gegen Fake News russischer Trollfabriken, nicht gegen Einschüchterungen und nicht gegen die menschenverachtende Praxis, Geflüchtete gezielt an unsere Außengrenzen zu verfrachten, um unsere Gesellschaften zu destabilisieren. Mit mehr Rüstungsausgaben, der Streichung von Zivilklauseln oder dem Schutz unserer kritischen Infrastruktur allein werden wir weder unserer Rolle gerecht,

(Zuruf des Abg. Henning Otte [CDU/CSU])

die wir als eine der größten Volkswirtschaften tragen, noch den Erwartungen, die die Staaten weltweit an uns richten.

Meine Damen und Herren, Ihr Begriff der Zeitenwende ist genauso verengt wie Ihr Sicherheitsbegriff. Wir machen einen riesigen Fehler, wenn wir Sicherheitsdebatten auf das Militärische reduzieren, und ich werde Ihnen auch sagen, warum. Ihr Ansatz führt dazu, dass wir in die Debatte hineinkommen, die wir nicht gebrauchen können, nämlich das Militärische sei notwendig und Entwicklungszusammenarbeit sei ein Nice-to-have. Damit, liebe Union, tun Sie uns allen keinen Gefallen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP] – Peter Beyer [CDU/CSU]: Deswegen sagen wir es auch nicht!)

Unsere Sicherheit ist auch bedroht durch Armut, durch Hunger, durch Krankheiten in der Welt. Wäre der Jemen ein funktionierender Staat, müssten wir diese Woche nicht über einen Militäreinsatz im Roten Meer reden. Klar, heute ist es zu spät, heftige Kriege, allen voran Angriffskriege, lösen wir nicht mit den Instrumenten der zivilen Krisenprävention. Was wir aber tun müssen, ist, uns dafür einzusetzen, dass es gar nicht erst so weit kommt. Überall dort, wo es eine Auseinandersetzung um Ressourcen gibt, entstehen die Krisen, die im schlimmsten Fall in einen Krieg münden.

Entwicklungszusammenarbeit, die Stärkung der Frauen weltweit, Pandemiebekämpfung, Mediation zur Lösung von Konflikten, Traumaarbeit, die Überwindung der Klimakrise – die Liste ist lang. Unsere Sicherheit hängt auch fundamental davon ab, dass wir eine funktionierende, multilaterale Weltgemeinschaft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Herr Hardt, Sie haben die abweichenden Stimmen in den Vereinten Nationen angesprochen. Wir müssen aber auch den nächsten Schritt tun und uns überlegen, woran es gelegen hat. Wir brauchen nämlich weltweit Partner, die uns vertrauen und denen wir vertrauen können. Das alles ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine strategische Notwendigkeit. Das alles, liebe Union, fehlt in Ihrem Antrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Dr. Marcus Faber für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)