Rede von Beate Müller-Gemmeke Arbeitszeiten

Foto von Beate Müller-Gemmeke MdB
06.06.2024

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und Gruppen!

(Enrico Komning [AfD]: Wer soll das denn sein?)

Der Union ist das Thema Arbeitszeit gerade sehr wichtig, seitdem sie in der Opposition ist. Und trotzdem ist der Antrag heute dünn, sehr dünn sogar und unkonkret. Die Union stützt sich dabei vor allem auf Behauptungen. Der Achtstundentag beispielsweise sei ein Hemmschuh. Flexibilität sei in dieser Form nicht möglich, wie es sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen wünschen. Wollen die Beschäftigten tatsächlich längere Arbeitszeiten von zehn oder zwölf oder noch mehr Stunden pro Tag?

(Zuruf der Abg. Mareike Lotte Wulf [CDU/CSU])

Sie schreiben das einfach so in Ihren Antrag. Mit Fakten unterlegen können Sie diese Behauptung aber nicht.

(Dr. Markus Reichel [CDU/CSU]: Es gibt doch genügend Untersuchungen! – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Lesen Sie doch mal den Koalitionsvertrag!)

Unsere Sachverständige bei der Anhörung, Frau Dr. Amélie Sutterer-Kipping vom Hugo Sinzheimer Institut, hat diese Behauptung sehr eindeutig widerlegt. Sie schreibt in ihrer Stellungnahme, der Wunsch der Beschäftigten nach Erhöhung der täglichen Arbeitszeit sei empirisch nicht belegbar. „Im Gegenteil: Nach der BAuA-Arbeitszeitbefragung wünscht sich mehr als die Hälfte der abhängig Beschäftigten“ – und zwar 53 Prozent – „kürzere Arbeitszeiten.“ Und sie schreibt weiter: „Etwa die Hälfte der Beschäftigten möchte zudem an weniger als 5 Tagen pro Woche arbeiten.“ Sie, die Union, sollten also nicht irgendwas in einen Antrag schreiben, sondern diese Zahlen der BAuA endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wünsch dir was!)

Die Union will unbedingt die tägliche Höchstarbeitszeit abschaffen und dafür die wöchentliche Höchstarbeitszeit einführen, und zwar mit der Begründung, es gehe auch um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unsere Sachverständige sieht auch das ganz anders. Sie schreibt: Mit längerer Arbeitszeit werden Betreuungskonflikte „nicht gelöst, sondern verschärft“.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Warum habt ihr dann den Koalitionsvertrag so gemacht?)

„Ein solches Modell begünstigt tradierte Rollenverteilungen und steht der Gleichstellung von Mann und Frau im Arbeitsmarkt entgegen.“ Wir sehen das ganz genauso. Mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht verbessert werden. Im Gegenteil: Das wäre eine Rolle rückwärts.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Ist der Koalitionsvertrag schon Schall und Rauch?)

Wir müssen zwar an der Stellschraube Arbeitszeit drehen, aber in die richtige Richtung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Ja, in welche?)

– Dazu komme ich noch.

(Zuruf des Abg. Marc Biadacz [CDU/CSU])

– Marc, hör zu!

Beschäftigte wollen und brauchen echte Zeitsouveränität, wenn es um die Arbeitszeit geht.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Aha!)

Das fordern wir Grünen schon lange. Sie sollen Einfluss nehmen auf die Dauer, auf die Lage und auf den Ort der Arbeitszeit. Denn es geht darum, dass Arbeit besser ins Leben passt.

Die Union aber will die Arbeitszeiten einfach nur verlängern,

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch!)

weil es für manche Unternehmen besser passt.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch!)

Das ist in Zeiten von Arbeits- und Fachkräftemangel schlichtweg das falsche Signal. Und das geht im Übrigen auch zulasten der Gesundheit der Beschäftigten. Deshalb lehnen wir diesen Antrag heute ab.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jens Beeck [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. – Nächster Redner ist der Kollege Norbert Kleinwächter, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)