Anpassung Finanzmarktgesetze

08.11.2018

Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesrepublik ist verpflichtet, die EU-Verordnung in nationales Recht umzusetzen. Das vollziehen wir heute. Der Spielraum, der uns als Gesetzgeber in diesem Verfahren bleibt, ist, gelinde gesagt, gering, und wie die Bundesregierung ihn nutzt, ist nachvollziehbar.

Aus grüner Sicht besteht das Problem aber in diesen neuen, nur vermeintlich sicheren und transparenten Verbriefungen selber.

Als „simple, transparent and standardised“ sollen toxische Instrumente in Zukunft mit Staatssiegel verkauft werden dürfen. Diese neuen Verbriefungen dienen aber nicht der Realwirtschaft, sondern den Interessen der Großbanken. Dafür waren wir in den Verhandlungen auf europäischer Ebene schon nicht zu haben.

Die Verhandlungen haben gezeigt, welcher neoliberale Wind leider wieder weht: Obwohl die Krise noch nicht überwunden ist, ist die politische Mehrheit zur alten Tagesordnung übergegangen. Reflexartig und keine Dekade, nachdem es unüberhörbar gekracht hat, sind die ehemaligen Volksparteien doch nicht mehr so geläutert, wie einst behauptet wurde. Hier wurden die Forderungen der Bankenlobby in ein Gesetz gefasst, wonach komplexe und gefährliche Produkte den „Sicher“-Stempel der EU bekommen. Die Finanzmärkte in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen, sieht anders aus! KMUs nützen diese Produkte schon gar nicht. Das Projekt der Kapitalmarktunion dient hier nur als Vorwand.

Verbriefungen waren eine der Hauptursachen für den Zusammenbruch der Finanzmärkte vor zehn Jahren. Rücksichtslos haben Banken zu viele Kredite vergeben, um dann nochmal zu verdienen, indem mit dem Verbriefen das Risiko der Kredite weiterverkauft wurde. Blind haben sich Investoren, wie zum Beispiel auch unsere Landesbanken, auf die viel zu guten Ratings dieser verbrieften Produkte verlassen, ohne zu begreifen, welche Risiken sie sich einkauften. Wir kennen das Ende vom Lied: Die direkten Rettungsmaßnahmen haben uns Steuerzahler rund 68 Milliarden Euro gekostet, weil zu viele Kredite ausfielen, das Vertrauen zwischen den Banken weg war und die Finanzmärkte einfroren. Die noch viel höheren indirekten Kosten der Krise sind in dieser erschreckenden Zahl noch gar nicht mit einbezogen,

Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen seien nicht ausreichend, wird immer wieder behauptet, und deswegen müsse der Finanzmarkt breiter aufgestellt werden. Die Europäische Zentralbank hat im vergangenen Winter aber eine Umfrage veröffentlicht, die deutlich macht, dass das falsch ist: KMUs haben ganz andere Probleme als Zugang zu Krediten. Viel schwerer für sie ist es, Arbeitskräfte und Kunden zu finden. Und genau darauf konzentrieren sie sich.

Start-ups finanzieren sich in der Regel über Venture Capital/Risikokapital. Für die Banken, die die Kredite in einen gemeinsamen Umschlag verpacken, ist dieser Vorgang bei Krediten für Start-ups wegen der komplizierten Risikoberechnung viel zu aufwendig und wegen des hohen Aufwands auch nicht rentabel – es wird schlicht nicht gemacht. Daran werden die neuen Regeln für Verbriefungen auch nichts ändern, da es keine Kredite zu verbriefen gibt.

Konkret kritisieren wir an der EU-Vorgabe:

Die Banken hätten viel mehr in die Pflicht genommen werden müssen, ihre eigenen Verbriefungen auch selbst zu halten. Nur 5 Prozent ist viel zu wenig. Es ist sogar so wenig, dass ein Ausfallverlust eingepreist werden kann. Aus unserer Sicht hätten es 25 Prozent sein müssen – und zwar horizontal von allen Tranchen. Nur dann entsprechen die Interessen der Banken denen ihrer Kunden und Kundinnen – sprich: den Investoren.

Um die Verflechtung der Finanzinstitute untereinander zu minimieren, hätte viel mehr Fokus darauf gelegt werden müssen, dass die Produkte einfach gestrickt sind und bleiben. Verbriefungen von Derivaten und von Wetten auf schlechte Kredite – quasi Ausfallversicherungen – schaffen keine neue Finanzierung und nützen also niemandem außer den Finanzjongleuren, die an den Gebühren verdienen und gleichzeitig die Risiken im System erhöhen.

Die Transparenz über die Verbriefungen hätte höher sein müssen, sodass Investoren ausreichend Auskunft darüber erhalten, inwiefern die Produkte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.

Das sind die Gründe, warum wir dieses Gesetz nicht unterstützen und wir uns enthalten werden.