Rede von Dr. Anja Reinalter Anerkennung und Digitalisierung in der beruflichen Bildung

Prof. Dr. Anja Reinalter
14.06.2024

Dr. Anja Reinalter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Satz vorweg: Wer die Rede der AfD gehört hat, hat einen guten Einblick in das Menschenbild der AfD bekommen; mehr muss man dazu nicht sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Zuruf des Abg. Hannes Gnauck [AfD])

Heute ist ein guter Tag, und ich freue mich sehr für die berufliche Bildung; denn wir gehen einen neuen Schritt. Ich greife zu Beginn mal das Beispiel von Elke auf. Ich kenne als Professorin von der Hochschule tatsächlich einige Personen wie Elke, die lange studiert haben, aber am Ende ihres Studiums leider nicht die Prüfung gemacht oder nicht geschafft haben, aber die sehr viele starke Kompetenzen haben und die wir nicht mehr so einfach ins berufliche System integrieren können. Deswegen ist heute ein guter Tag für die berufliche Bildung. Wir verabschieden nach der dritten Lesung das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz, ein wirklich großer Meilenschritt, um Menschen mit informellen Qualifikationen zu einer formellen Anerkennung zu verhelfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Warum ist dieses Gesetz so wichtig? Wir haben auf der einen Seite einen riesengroßen Fachkräftemangel, und zwar in allen Branchen. Das ist ein wirklich sehr ernstes Problem. Ohne Fachkräfte geht es nicht. Darum müssen wir alles tun, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Und die berufliche Bildung ist ein wichtiger Schlüssel dafür.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Jessica Rosenthal [SPD])

Auf der anderen Seite haben wir über 4 Millionen Menschen ohne beruflichen Abschluss. Auch das ist ein krasses Problem.

Es ist auch irgendwie paradox; denn auf der einen Seite gibt es also Menschen ohne formalen Berufsabschluss. Sie arbeiten zum Teil als Geringqualifizierte und haben oft viele berufliche Fähigkeiten – denken wir an Elke –, aber sie haben halt leider keinen Abschluss. Und auf der anderen Seite fehlen Fachkräfte, und zwar überall.

Jetzt geht es doch darum, wie man die Menschen aus dem Feld der Unqualifizierten in das Feld der Fachkräfte bekommt. Denn da sollen und wollen sie ja auch hin, und da werden sie auch gebraucht. Das ist wirklich eine Win-win-Situation; denn Fachkräfte bekommen natürlich mehr Anerkennung, neue berufliche Perspektiven, höhere Löhne, eine bessere Versorgung im Alter. Es ist also erstrebenswert und attraktiv, Fachkraft zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Jetzt ist es aber leider so, dass wir mit den Instrumenten der beruflichen Bildung die Menschen ohne formalen Abschluss bisher nicht erreicht haben. Darum brauchen wir eine Brücke, mit der man Geringqualifizierte auf das Feld der Fachkräfte bekommt. Darum verabschieden wir heute das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz –

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Jessica Rosenthal [SPD])

was für ein schmissiger Name! –; denn über diese Brücke funktioniert es, und so leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Fachkräftekrise. Sie sehen: Das Gesetz ist wichtig, und es ergibt Sinn.

Das zeigt sich auch im Bereich Digitalisierung; denn durch konsequente digitale Prozesse kommt die berufliche Bildung raus aus dem Papierzeitalter und wird moderner. Und Achtung: So geht Entbürokratisierung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wissen Sie, was für mich persönlich auch ein echtes Highlight des Gesetzes ist? Zum ersten Mal werden Menschen mit Behinderungen richtig von diesem Gesetz profitieren; denn endlich können sie ihre Talente und Fähigkeiten durch Validierung offiziell anerkennen lassen. Genauso geht gelebte Inklusivität in der beruflichen Bildung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass dieses Gesetz bekannt wird. Darum haben wir in einer Entschließung festgehalten, dass wir bereits zum Sommer 2028 einen Bericht mit ersten belastbaren Zahlen vorlegen, um dann zu schauen, ob wir irgendwie nachsteuern müssen; denn natürlich möchten wir damit möglichst viele Menschen erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das BVaDiG – ich nenne die Abkürzung; da muss ich mich nicht versprechen – ist ein gutes Gesetz geworden. Ich freue mich wirklich.

Das Besondere ist – ich möchte es noch mal betonen –, dass wir in Deutschland zum ersten Mal einen Weg gehen, informell erworbene Kompetenzen und berufliche Fähigkeiten offiziell anzuerkennen. Long story short: Es kommt darauf an, was jemand kann, und nicht nur darauf, was auf dem Zettel steht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der rechtlichen Welt der beruflichen Bildung ist die Anerkennung von Kompetenzen ein echter Durchbruch, und für mich persönlich ist es eine echte Steilvorlage; denn sie bringt mich zu einem meiner Lieblingsthemen: der Verrechtlichung des DQR.

Wenn wir im BVaDiG Kompetenzen rechtlich verankern können, dann können wir das nämlich auch mit dem DQR. Und warum sollten wir das tun? Haben Sie schon mal von dem DQR gehört? Das ist der Deutsche Qualifikationsrahmen zur beruflichen Bildung. Das ist etwas sehr Wichtiges.

Erstens. Mit dem DQR können wir Vertrauen in deutsche Bildungsabschlüsse stärken.

Zweitens. Mit dem DQR können wir die Anerkennung von Berufsqualifikationen aus dem Ausland erleichtern.

Drittens. Mit dem DQR können wir die Vergleichbarkeit von akademischer und beruflicher Bildung transparent machen, und da wollen wir alle hin.

Lassen Sie uns nach dem BVaDiG den nächsten Schritt gehen und den DQR verrechtlichen; denn so geht moderne berufliche Bildung. Auf uns können Sie hier zählen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Schluss möchte ich mich bedanken: bei Jessica Rosenthal und Friedhelm Boginski aus meiner Berichterstattergruppe und bei Jens Brandenburg und seinem Team für die konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Teamspirit!)

Es hat wirklich Spaß gemacht. Wir haben etwas sehr, sehr Gutes erreicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und wir haben gezeigt: Die Ampel funktioniert! Und so machen wir weiter.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Lars Rohwer.

(Beifall bei der CDU/CSU)