Rede von Ottmar von Holtz Aktuelle Stunde „Ukraine-Wiederaufbaukonferenz“

Foto von Ottmar von Holtz MdB
12.06.2024

Ottmar Wilhelm von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine beeindruckende Konferenz mit weit über 1 000 Teilnehmenden ist gerade in diesen Minuten zu Ende gegangen. Spricht man mit Ukrainerinnen und Ukrainern, gibt es immer wieder ein und dieselbe Botschaft. Bei allem Notwendigen, was die Menschen in der Ukraine zum Leben benötigen, läuft es in allen Gesprächen auf allen Ebenen immer wieder darauf hinaus, dass sich die Ukraine momentan zuvorderst gegen die außergewöhnlich aggressiven, zerstörerischen und zermürbenden Raketen und Panzer aus Russland wehren können will. Die militärische Unterstützung ist grundlegend, damit sich die Ukraine gegen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands verteidigen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wer angesichts dieser Lage im Wahlkampf „Krieg oder Frieden?“ plakatiert – das BSW ist nicht da; das wurde schon angesprochen – oder wer sich so von Putin einspannen lässt, wie Sie auf der rechten Seite des Hauses es tun, der hat sich auf die Seite des Aggressors geschlagen und damit für den Krieg entschieden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir müssen und wir werden die Ukraine in jeder Hinsicht verlässlich, dauerhaft und umfassend unterstützen. Die Menschen dort haben ein Recht auf Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverteidigung. Und wir werden ihren Weg zu einem nachhaltigen Frieden, zu robusten, zuverlässigen Sicherheitsgarantien begleiten.

Zugleich hat die Wiederaufbaukonferenz gestern und heute aber auch gezeigt, dass wir die Folgen der Angriffe, die die Menschen täglich spüren, nicht aus dem Blick verlieren dürfen; denn Russland führt gezielt einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung.

Dass Deutschland die Wiederaufbaukonferenz gemeinsam mit der Ukraine ausgerichtet hat, ist ein starkes Signal. Deswegen ein großer Dank an Ministerin Baerbock und Ministerin Schulze und an alle, die diese Konferenz ermöglicht haben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben die Chance genutzt, Wiederaufbaumaßnahmen konkret mit dem EU-Beitrittsprozess der Ukraine zu verbinden. Wiederaufbau ist Hoffnung – Kollege Volkmar Klein hat es gerade gesagt –, Hoffnung für die Menschen vor Ort, um weiter durchzuhalten im Kampf für die Freiheit ihres Landes. Der Wiederaufbau von Schulen, Wohnhäusern und Krankenhäusern stärkt die Gesellschaft vor Ort. Seit Wochen bombardiert Russland massiv ukrainische Kraftwerke und Umspannwerke. Deswegen steht die Energieversorgung bei den Ukrainerinnen und Ukrainern ganz oben auf der Liste. Unzählige Menschen müssen ohne Strom leben, weil bereits die Hälfte der Energieinfrastruktur zerstört wurde.

Meine Damen und Herren, der Wiederaufbaubedarf geht aber weit über Infrastruktur hinaus. Deshalb spielte die menschliche Dimension als einer der Pfeiler des Konferenzprogramms eine besondere Rolle. Mittlerweile leben in der Ukraine fast 4 Millionen Menschen als Binnengeflüchtete. Viele von ihnen tragen schwere psychische und gesundheitliche Schäden mit sich. Daher braucht die psychosoziale und gesundheitliche Versorgung dieser Menschen dringend Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der soziale Zusammenhalt ist eine wichtige Voraussetzung für einen gelingenden Wiederaufbau. Deswegen freut es mich auch, dass die Bundesregierung es geschafft hat, die Zivilgesellschaft in die Konferenz einzubinden. Ein klares Ziel der Konferenz war auch der inklusive und geschlechtersensible Wiederaufbau des Landes. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich schon lange mit der zivilen Krisenprävention beschäftige. Daher weiß ich auch – und dies zeigen auch immer wieder Untersuchungen –, dass Konfliktlösungen vor allem dann erfolgversprechend sind, wenn Frauen maßgeblich daran beteiligt werden. Das wird und muss auch in der Ukraine der Fall sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Thomas Hacker [FDP])

Die Geschlechterperspektive ist in die gesamte Konferenz einbezogen worden und wurde durch ein eigenes Panel zum Thema „Gender-Mainstreaming und weibliche Führung“ thematisiert. Frauen müssen nicht nur mitgedacht werden, Sie müssen den Wiederaufbau auch mitgestalten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine werden schon heute auf 450 bis 500 Milliarden Euro geschätzt. Ich möchte keinen Zweifel lassen: Hierfür müssen die eingefrorenen russischen Vermögenswerte eingesetzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Und wir werden viel privates Geld mobilisieren müssen; daher auch das Set-up der Konferenz. Aber es ist auch in unserem ureigenen Interesse, dass wir uns mit dem Bundeshaushalt in substanzieller Höhe daran beteiligen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andererseits muss auch allen klar sein, dass dieses gigantische Vorhaben nicht mal so eben aus dem Haushalt finanziert werden kann, wenn wir unsere eigenen Aufgaben zu Hause – sozialer Zusammenhalt, Bewältigung der Klimakrise, Investitionsstau und vieles mehr – nicht vernachlässigen wollen; angesichts der Zeit, die gerade abläuft, kann ich hier nicht in die Tiefe gehen. Reform der Schuldenbremse, Feststellung einer Notlage oder anderes: Wir müssen ausreichend Mittel zur Unterstützung für die Ukraine bereitstellen. Und wir müssen dafür eine Lösung finden; denn wir müssen unsere Zusagen einhalten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die Gruppe Die Linke.

(Beifall bei der Linken)