Rede von Tabea Rößner Aktuelle Stunde "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk"
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie in der Rechtsdatenbank von beck-online nach dem Wort „Neutralitätsgebot“ suchen, werden Begriffe wie „Bundesregierung“, „öffentlicher Dienst“ oder „Bürgermeister“ aufgelistet. Dies sind staatliche Organe, und für die gilt das Neutralitätsgebot. Unter den Treffern findet sich aber nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Auch in den zwölf Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird auf das Neutralitätsgebot beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ein einziges Mal verwiesen. Daher habe ich eine Verständnisfrage: Warum bringen Sie hier das Neutralitätsgebot und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einen Zusammenhang? Die haben nämlich nichts miteinander zu tun. Ist es nicht eher so, dass Sie damit die Menschen einmal wieder bewusst in die Irre führen wollen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Thomas Ehrhorn [AfD]: Sie sollten mal den Rundfunkstaatsvertrag lesen!)
– Das habe ich getan. – Die Diskussion über das Neutralitätsgebot ist hier also völlig fehl am Platz; denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein staatliches Organ. Das wäre nämlich verfassungswidrig. Der Staat darf keinen Rundfunk betreiben.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nimmt aber Einfluss!)
Das hat auch das Bundesverfassungsgericht immer und immer wieder bekräftigt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus staatsfern organisiert. Deshalb wird er direkt von den Bürgerinnen und Bürgern finanziert, und so ist er auch nicht von den Launen eines Finanzministers abhängig. Das ist gut und richtig so, und das soll bitte auch so bleiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die Öffentlich-Rechtlichen sind staatsfern und unabhängig. Sie sind eine prüfende und einordnende Instanz im Wirrwarr aus Informationen und Meinungen. Sie haben den Auftrag, als Medium und Faktor freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken. Dazu gehören Information und Bildung, und zwar für alle Altersgruppen.
Damit bin ich nun beim Stein des Anstoßes dieser Debatte. Die ZDF-Kindernachrichtensendung „logo!“ erklärt im Nachgang der Thüringen-Wahl, wieso keine Partei mit der AfD zusammenarbeiten will.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das steht doch noch gar nicht fest!)
Und es ist schon ungeheuerlich, dass die AfD-Fraktion deshalb hier so einen Aufriss macht – mit dem Vorwand, dass Kinder geschützt werden sollen. Aber wovor sollen denn die Kinder geschützt werden?
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Vor Indoktrination! – Lachen bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bleibt einfach mal ruhig!)
Kinder haben ebenfalls ein Recht auf Information, und genau diese Information liefert das „Erklärstück“.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Ich habe mir den Beitrag mehrfach angeschaut. Ich kann nicht erkennen, was an dem Beitrag unwahr ist. Er folgt den Grundsätzen der Objektivität und Unparteilichkeit. Es ist doch richtig, dass keine andere Partei mit der AfD zusammenarbeiten möchte. Oder hat sich daran zwischenzeitlich irgendetwas geändert?
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Anzeichen gibt es schon!)
Ich kann auch nicht erkennen, dass der Beitrag Unwahrheiten über die AfD verbreitet. Ganz im Gegenteil: Die Fakten sprechen für sich. In der AfD gibt es nicht nur einige Menschen, die rechtsextreme Ansichten haben, wie es in diesem Beitrag heißt. Nein, es gibt ja sogar Faschisten in ihren Reihen. Das hat im Fall Höcke erst kürzlich das Verwaltungsgericht Meiningen klargestellt, und zwar auf Grundlage von überprüfbaren Tatsachen. Das können Sie nachlesen, dort ist alles aufgelistet.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber anstatt sich von einem Faschisten zu distanzieren, betont Herr Gauland nach der Thüringen-Wahl, er sehe den Faschisten Höcke in der „Mitte der Partei“. Das ist doch der eigentliche Skandal.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schlimmer gehtʼs nimmer!)
Ich frage also noch einmal: Vor was will die AfD die Kinder schützen?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Vor der Wahrheit! Ist doch klar!)
Vor der Wahrheit? Will die AfD womöglich gar nicht, dass die Fakten auf den Tisch kommen? Genau das ist aber die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Sachverhalte wahrheitsgemäß darzustellen und in ihrem Gesamtprogramm ausgewogen zu berichten. Was die AfD aber eigentlich will, ist ein Rundfunk, der in ihrem Sinne berichtet.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk parteiisch wird, das gilt es zu verhindern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)
Zur Ausgewogenheit gehören nun einmal alle Facetten. Glauben Sie mir: Auch mir gefällt nicht alles, was ich im öffentlich-rechtlichen Programm sehe oder höre.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr! So viel Unsinn zum demokratischen Wandel, muss ich auch aushalten! – Zuruf von der AfD: Zu rechts wahrscheinlich!)
Aber so ist das nun einmal mit der Meinungsvielfalt und der Demokratie. Wenn Sie also das nächste Mal den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angreifen wollen, dann setzen Sie sich wenigstens mit den richtigen Begrifflichkeiten auseinander. Dies sind Staatsferne, Objektivität, Vielfalt und Ausgewogenheit.
(Zuruf von der AfD: Parteienklüngel!)
Mit Einhaltung dieser Regeln leistet der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen wesentlichen Beitrag für unsere freiheitliche Demokratie. Deshalb müssen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen. Dazu fordere ich alle Demokratinnen und Demokraten auf.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsident Thomas Oppermann:
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Elisabeth Motschmann.
(Beifall bei der CDU/CSU)