Rede von Lisa Badum Aktuelle Stunde „Klimaziele“

Foto von Lisa Badum MdB
06.06.2024

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union möchte über Klimaziele reden. Spannend! Ich habe mir einfach mal die Fakten angeschaut zur Entwicklung des Klimaschutzgesetzes und zu der Rolle der Union dabei. Es fing damit an, dass Sie gar kein Klimaschutzgesetz wollten. Nur auf Drängen der SPD haben Sie dem Deal mit dem CO2-Preis überhaupt zugestimmt. Dann ging es weiter. 2019 war unser Klimaziel: minus 55 Prozent CO2 bis 2030. Aber schon damals wurde ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, mit dem das Ziel nicht erreicht werden konnte. Dann hat Herr Seehofer ein Sofortprogramm für den Gebäudebereich aufgelegt. Der Expertenrat sagt: Das reicht nicht. – 2021 sagt das Bundesverfassungsgericht: Die Klimaziele reichen nicht aus. – Daraufhin haben Sie kurz vor der Bundestagswahl nachgebessert, aber leider ohne zu sagen, mit welchen Maßnahmen oder mit welchem Geld diese Ziele erreicht werden sollen.

Im Endeffekt haben Sie uns eine Klimalücke von 1 000 Millionen Tonnen CO2 hinterlassen. Ich muss sagen: Stark, dass Sie trotzdem diese Aktuelle Stunde hier aufsetzen! Aber vielleicht wissen Sie was, was wir nicht wissen. Vielleicht haben Sie ja Ihre Meinung geändert und treten jetzt ganz anders auf. Vielleicht sind Sie jetzt zum Anwalt des Klimaschutzgesetzes geworden. Sie haben hier im Plenum Krokodilstränen vergossen und gesagt: Das darf nicht verabschiedet werden! – Heilmann ist vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. All das ist passiert.

Was haben Sie denn im Bundesrat gemacht? Wurde da etwa ein Antrag gestellt, dass man die Sofortprogramme nicht abschaffen darf?

(Karsten Hilse [AfD]: Weil die alle mit euch im Bett liegen! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, haben Sie sie noch alle? Wir müssen doch hier nicht über die Frage reden, wer mit wem im Bett liegt! Benehmen Sie sich mal! Frau Präsidentin! – Weiterer Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Im Gegenteil: Sie haben einen Antrag gestellt, der besagt, dass es gut ist, dass die Sektorziele abgeschafft oder abgeschwächt werden. Das haben Sie im Wohnungsbauausschuss vorgelegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielleicht dachten Sie sich: Mein Gott, das ist so dreist, dass es vielleicht schon wieder gut ist. Das ist so absurd, dass wir damit durchkommen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer genau hat jetzt die Klimaziele verfehlt? Nur damit wir es verstehen!)

Herr Merz ist ja jetzt leider weg. Aber wenn Ihr eigener Vorsitzender die Klimakrise und deren Ernsthaftigkeit leugnet und wenn Sie gleichzeitig die Rücknahme des Verbrenner-Aus und des Gebäudeenergiegesetzes fordern, kommt das nicht zusammen. Irgendwo haben Sie da ein Problem in Ihrer Logik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie stellen ja sehr viele Anfragen an die Regierung. Haben Sie schon mal eine schriftliche Frage gestellt, wie viele Tonnen CO2 mehr ausgestoßen würden, wenn wir Ihren Vorschlägen folgen – Verbrenner-Aus abschaffen, Gebäudeenergiegesetz abschaffen? Bitte reichen Sie das doch mal ein! Mich würde interessieren, wie weit wir uns vom aktuellen Pfad entfernen würden. Ich freue mich dann auf die Antwort auf diese schriftliche Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt kommen wir zu Bayern. Ich möchte hier ein Zitat aus Bayern bringen.

„Hier entstehen Ereignisse, die es vorher nicht gab. Damit konnte auch oder hat keiner … gerechnet.“

Hochwasserereignisse: 2011 Oberelbe in Sachsen, 2013 55 Landkreise in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt überschwemmt, 2016 Simbach am Inn, 2017 Hochwasser im Harz, 2018 Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg, 2021 Flutkatastrophe im Ahrtal, Juni 2024: 30 Stationen in Bayern melden Niederschläge, wie sie sonst nur alle 50 oder 100 Jahre vorkommen. – Damit konnte niemand rechnen? Herr Söder, CSU, wollen Sie uns verarschen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Na, na, na, na! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Das ist Ihre Kinderstube offenbar! – Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU]: Ganz ruhig bleiben! – Karsten Hilse [AfD]: Wenn wir Windräder gebaut hätten, hätte es diese Flut nicht gegeben! Super!)

– Nein, ich stelle diese Frage. Ich glaube, auch hier soll die Dreistigkeit über den Schaden hinwegtäuschen. Aber die Wahrheit ist, dass in Bayern beim Hochwasserschutz gekürzt wurde.

Hier noch ein Zitat von Herrn Aiwanger. Er wollte diese Flutpolder nicht haben, und zwar in den Landkreisen, die jetzt betroffen sind. Er sagte, die Polder seien teilweise überflüssig und auch viel zu teuer, „weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird“. – Das ist die Wahrheit. Die Regierung von Bayern hat den Bevölkerungsschutz vernachlässigt.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Die Polder hätten gar nichts gebracht! Die wären unterhalb der Hochwassergrenze gewesen!)

Sie streuen jetzt aber nicht etwa Asche auf Ihr Haupt und sagen: Wir kehren um. – Im Gegenteil: Sie versuchen, das zu leugnen, und loben sich für Hochwasserschutz. Aber auch hier muss ich Ihnen sagen: Die Spannbreite, die Sie abdecken wollen, ist zu breit. Sie werden das nicht schaffen. Sie werden es nicht hinkriegen. Auch wenn Sie jetzt abzulenken versuchen mit einem Untersuchungsausschuss, weiß die Bevölkerung, wo die Versäumnisse liegen.

(Beifall der Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Nina Scheer [SPD] – Zuruf der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])

Sie wollen ja einen Untersuchungsausschuss zu Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung im Februar 2022 zur Anpassung der Energieversorgung Deutschlands einsetzen. Ich finde, da gibt es sehr viel zu untersuchen. Warum mussten wir unsere Entscheidungsprozesse denn eigentlich anpassen? Warum war unsere Energieversorgung denn gefährdet?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weil wir die Kernenergie abgeschaltet haben! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch lächerlich, Herr Spahn!)

Lassen Sie uns gerne darüber sprechen. Ich bin dabei; ich würde mich sehr freuen.

Ich würde mich auch sehr freuen, wenn Sie sich in den jetzt kommenden Haushaltsberatungen für mehr Klimaschutzmaßnahmen einsetzen würden, wenn Sie nicht für eine Rücknahme des Gebäudeenergiegesetzes, sondern für eine Reform der Schuldenbremse wären. Dann hätten wir auch mehr Geld für Klimaschutzmaßnahmen. Aber das wollen Sie nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Deswegen frage ich mich, wann Sie ins Handeln kommen. Wenn der letzte Verbrenner von der Flut weggespült wird? Wenn der letzte Öltanker sich in die Flut entleert hat?

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Frau Badum, bitte.

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Oder werden Sie schlauer sein, wie Erwin Huber, und vorher zur Vernunft kommen und mit uns Bevölkerungsschutz machen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Steffen Kotré [AfD]: Hysterie!)