Rede von Dr. Julia Verlinden Aktuelle Stunde „Klimaziele“

Foto von Julia Verlinden MdB
06.06.2024

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, Sie haben diese Woche wirklich einen Lauf mit Ihren halbseidenen Anschuldigungen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Expertenrat! Expertenrat!)

Ich sage nur: Achtung, Fettnäpfchenalarm!

Nun wollen Sie darüber sprechen, wie unsere Koalition dabei vorankommt, Ihre Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Wenn ich Sie wäre, wäre ich mal lieber ganz still. Das ist nämlich ganz dünnes Eis, auf das Sie sich da begeben.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Der Minister hat gesagt, Sie seien auf Kurs!)

– Ganz dünnes Eis, Herr Spahn!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie wollen heute mit uns darüber diskutieren, ob wir als Koalition nun innerhalb von gut zwei Jahren die riesige Klimaschutzlücke, die Ihre Merkel-Regierung hinterlassen hat – Ihr Erbe! –, im Hinblick auf die Zielmarke 2030 zu 80 Prozent, 90 Prozent oder zu 100 Prozent geschlossen haben. Ich sage nur: Fettnäpfchen! Richtig, wir sind noch nicht am Ziel. Richtig ist auch: Gerade in den Sektoren Verkehr und Gebäude muss noch schneller und noch mehr in Sachen Klimaschutz passieren, sonst gelingt das nicht. Aber Überraschung: Für die Verkehrswende und klimafreundliche Heizungen habe ich bisher in dieser Legislaturperiode bedauerlicherweise nicht so viel Unterstützung von Ihnen aus der CDU/CSU-Fraktion gesehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Jetzt sind wir schuld, dass Sie Ihre Ziele nicht erreichen?)

Ganz im Gegenteil: Friedrich Merz erzählt, die Welt werde schon nicht untergehen. Heute Morgen hat er kein Wort über das Hochwasser verloren, kein Wort über die Klimakrise. Sie machen eine Kampagne gegen klimaneutrale Autos und ärgern sich dann über den Widerspruch, den Sie von den Menschen dafür ernten. Und Sie von der CDU/CSU wollen europäische Einigungen zum Green Deal und zum Klimaschutz aufkündigen. Das ist ein Skandal!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Klimapolitik im Rückwärtsgang ist, was Sie ankündigen. Und das zeigt, wie wenig Verantwortung Sie für Europa übernehmen wollen. Das zeigt, dass Sie keine Verantwortung für die Zukunft übernehmen können.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verantwortungslos!)

Wir können in dieser Woche nicht über Klimapolitik sprechen, ohne auch über die Unwetter und Überschwemmungen in Bayern und Baden-Württemberg zu reden. Noch gibt es dort keine endgültige Entwarnung. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen, den Freundinnen und Freunden der Todesopfer und bei den Menschen, deren Existenzen weggeschwommen sind. An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank an die Helferinnen und Helfer aussprechen. Wir sehen vor Ort die große Kraft der Menschlichkeit, des Anpackens und der Solidarität. In Notlagen halten wir zusammen, wir helfen einander, wir sind solidarisch. Viele Menschen wachsen bei solchen krisenhaften Herausforderungen über sich hinaus. Und wir müssen der Wahrheit ins Gesicht schauen: Was wir gerade erleben, das ist die Welt bei nur 1,4 Grad Erhitzung. Die Weltgemeinschaft ist aber auf dem Pfad zu einer 2,7 Grad heißeren Welt, und daran können wir uns nicht anpassen, damit können wir nicht überleben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Von welchem Temperaturwert aus?)

Deswegen müssen viele Dinge passieren. Mit dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ haben wir 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt, um einerseits die CO2-Emissionen zu senken und andererseits die schützende Kraft der Natur für uns zu aktivieren. Kommunen können dort Gelder beantragen, um Flächen zu entsiegeln, den Wasserrückhalt in der Landschaft zu verbessern, Wälder zu erhalten. Es gibt so viel zu gewinnen: eine lebenswerte, lebendige Natur, die uns Menschen vor den Folgen der globalen Erhitzung schützt. Das ist möglich, wenn wir es gemeinsam wollen.

Das Gegenteil vorsorgender Politik allerdings betreiben Sie in der Union und Ihr Kollege Weber in Brüssel. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur haben Sie im Bündnis mit den Rechten im Europaparlament sabotiert und dagegen gehetzt. Das war blanker Populismus. Damit haben Sie Deutschland keinen Dienst erwiesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wären Sie eine verantwortungsvolle Opposition, dann würden Sie sich mit sinnvollen Vorschlägen an der Bewältigung der Klimakrise beteiligen.

Wir Grüne wollen das Tempo beim Klimaschutz in der Bundesregierung und im Bundestag weiter beschleunigen, um Menschen und ihre Existenzen vor der Klimakatastrophe zu schützen. Nötig sind dafür mehr Investitionen in Klimaschutz, seien es Förderprogramme zur Haussanierung oder der Ausbau der erneuerbaren Energien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn die Kosten der Klimakrise werden die Ausgaben für wirksamen Klimaschutz bei Weitem in den Schatten stellen, wenn nicht gehandelt wird.

Wir haben uns hier im Bundestag der Realität der Klimakrise zu stellen. Jeder Tag zählt, jedes Zehntelgrad zählt. Im Katastrophenfall in Bayern und Baden-Württemberg sind in den letzten Tagen Menschen über sich hinausgewachsen. Sie haben dort unfassbare Solidarität und Kreativität gezeigt und unvorhergesehene Überlebenskräfte freigesetzt. Jetzt ist die Zeit dafür, dass wir in diesem Parlament den Ernst der Lage ansprechen, damit unsere Gesellschaft zu dieser gleichen Solidarität, zu dieser gleichen Kraft findet, um gemeinsam solche Krisensituationen abzuwenden und zu vermeiden. Das erwarten die Menschen, die gerade alles verloren haben, von uns Politikerinnen, und zwar zu Recht.

Klimaschutz zum Schutz der Menschen, Klimavorsorge, weil wir uns um die Menschen sorgen! Ich weiß: Unsere Gesellschaft kann Klimaschutz. Unser Parlament kann Klimaschutz.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es ist jetzt die Zeit dafür, mehr denn je.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Dr. Lukas Köhler.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)