Rede von Stefan Gelbhaar Aktuelle Stunde „Klimaschutzprojekte in China“

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14.06.2024

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war gerade eine Rede, die schwach begonnen hat und noch schwächer wurde. Sie begann damit, dass gesagt wurde: „Wir halten uns an die Klimaziele“, und dann kam lange Zeit nichts, zum Beispiel nicht, wie man sich daran hält. Es ist wohlfeil, das zu sagen; aber Sie haben noch mit keiner Silbe bewiesen, dass Sie auch was dafür tun. Sie heben immer wieder an den falschen Stellen die Hand, genau dann, wenn es darum geht, Klimaschutz konkret werden zu lassen.

Jetzt verbreiten Sie hier – wir müssen das im Parlament ertragen, aber wir müssen auch widersprechen können – den Fake, die Lüge, dass in Peru Radwege vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden und das auf die Ampel zurückzuführen sei. Nein, es war ein CSU-Minister! Und ich werfe ihm das gar nicht vor; denn das war eine aktive Klimaschutzmaßnahme. Da ist viel mit Krediten passiert. Da war auch ÖPNV dabei. Da haben deutsche Unternehmen Geld verdient. Sehr interessant, dass Sie das hier so verbreiten. Das macht Sie, ehrlich gesagt, zu einem Lügner hier im Parlament – ich will das auch mal aussprechen auf die Gefahr hin, da eine Rüge zu kassieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Hui!)

– Ja, eine bewusste Falschaussage zu tätigen, nennt man lügen.

(Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Niveau der AfD! – Gegenruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]: Nein, wir sagen das nur, wenn es stimmt!)

Zweiter Punkt. Sie sagen zu diesem sehr bemerkenswerten Vorgang aus dem Bereich der fossilen Industrien – darum geht es ja –, dass da deutsches Steuergeld involviert sei. Ich glaube, Sie haben den Vorgang nicht verstanden; lesen Sie noch mal nach. Mit deutschem Steuergeld hat das hier sehr, sehr wenig zu tun, sondern es geht darum, dass auch die fossilen Industrien, konkret hier die Mineralölindustrie, verpflichtet sind, CO2 einzusparen. Dafür kann man Projekte aus dem Ausland unter gewissen Bedingungen anrechnen lassen. Diese gewissen Bedingungen, diese Auslandsanrechnung ist keine Idee der Ampel gewesen, sondern der CDU-geführten Vorgängerregierung. Also, Herr Ploß, Sie sollten sich an die eigene Nase fassen!

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber es handelt sich um ein Kontrollversagen!)

Da stellt sich schon die spannende Frage, wer da wie lobbyiert hat, dass genau diese Regelung, die eben nicht europäisch, sondern eine deutsche Ausnahme ist, zustande gekommen ist. Ist doch spannend; müssen wir dann noch mal nacharbeiten. Wissen wir noch nicht; das müssen wir uns anschauen.

(Zuruf des Abg. Christian Hirte [CDU/CSU])

Nach den Verdachtsfällen wurden diese Regeln jetzt umgemodelt. Die entsprechende Regelung, das BImSchG, wurde novelliert. Die Staatsanwaltschaft wurde involviert; es gibt Strafanzeigen. Und natürlich werden wir uns die Zertifizierer anschauen müssen, also die, die gesagt haben, das sei Klimaschutz, und die das wahrscheinlich wider besseres Wissen getan und das verkauft haben. Das sind hier die Wirtschaftskriminellen, denen es auf die Schliche zu kommen gilt.

Das Spannende ist, dass die Union jetzt ein Moratorium für die eigene Regelung fordert.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Es geht darum: Weil Sie nicht kontrolliert haben, muss aufgeklärt werden! Es geht um ein Kontrollversagen!)

Finde ich ganz wunderbar; das treibt mir ein Schmunzeln ins Gesicht. Wie perfide kann man eigentlich sein und sich hier vorne hinstellen und das vortragen?

(Mathias Stein [SPD]: Es ist nicht unsere Aufgabe als Abgeordnete, zu kontrollieren!)

Das heißt: Diese Regel ist jetzt ausgesetzt. Die Mineralölkonzerne müssen künftig selber richtig CO2 einsparen. Das ist vielleicht die positive Nachricht dieses Nachmittags; das ist gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Ablasshandel, den wir bisher hatten, ist jetzt beendet, und das ist auch gut so. Das heißt: Da wird es um alternative Antriebe und alternative Kraftstoffe gehen. Da wird es um Investitionen gehen. Da wird Schluss sein mit diesen Betrugsversuchen. Trotzdem wird sich zu fragen sein: Wer hat da was wann wie gewusst? Und dem werden wir nachgehen müssen.

Für die Zertifizierungsbranche ist das übrigens ein Super-Gau.

(Judith Skudelny [FDP]: Ja!)

Denn die Zertifizierer leben davon, dass sie mit ihren Zertifikaten Vertrauen schaffen. Dieses Vertrauen ist nachhaltig gestört.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber das liegt doch daran, dass Sie nicht kontrolliert haben!)

Das ist ja nicht die ganze Branche, die da raussticht. Aber da müssen wir ganz klar nacharbeiten; das muss geprüft werden. Und ich finde, dass dort Gewerbeerlaubnisse entzogen gehören; die müssen vom Markt weg. Denn Prüfstellen, die nicht prüfen, die keine ordentlichen Zertifizierungen, sondern quasi ausgedachte Urkunden ausstellen: Das geht nicht.

Die Frage bleibt: Wo müssen wir noch hinschauen? Denn dieser Mechanismus – das hat die Kollegin Skudelny schon angesprochen – kann ja auch an anderen Stellen greifen. Stichwort „Biokraftstoffe“: Da kann Palmöl drin sein, was wir nicht wollen. Dafür können Flächen für Lebensmittel oder Futtermittel sachwidrig genutzt werden, dafür können Moorgebiete genutzt werden. Dann gibt es eben keine CO2-Einsparung, sondern das genaue Gegenteil.

(Mathias Stein [SPD]: E-Fuels!)

E-Fuels können mit Kohlestrom gemacht werden. Das wollen wir nicht. Das ist auch gar kein hilfreicher Ansatz. Gleiches gilt für Gas und Atom. Auch fossile Öle könnten umdefiniert werden. Klar, da muss man insbesondere gucken, was im Ausland passiert.

Das heißt: Betrüger gehören vors Gericht; logo, das ist klar. Die Zertifizierung müssen wir uns genau anschauen, um künftig Betrug an dieser Stelle noch riskanter zu machen. Wir müssen schauen, welche Unternehmen wie geschädigt wurden. Wir müssen die Profitgier dort ganz klar umreißen – wo ist da was passiert? – und die Straftäter festsetzen. Die Wettbewerbsverzerrung, die dadurch stattgefunden hat, muss angesprochen werden.

Dann gilt es noch – das ist vielleicht der Schlussakkord –, dass auch die Mineralölkonzerne sich fragen lassen müssen: Was haben sie wann gewusst, und welche Aufwendungen haben sie eingespart?

(Zuruf des Abg. Thomas Ehrhorn [AfD])

– Ich weiß. Das ist das Interessante, dass jetzt die fossilen Parteien natürlich aufschrecken, wenn es auf einmal um die fossilen Energien geht.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Dieses Format heißt Aktuelle Stunde, und der Redebeitrag endet nach fünf Minuten. Er geht jetzt nicht in den Dialog über.

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Alles klar. – Deswegen: Wir haben die Auseinandersetzung mit dem Greenwashing jetzt vor uns. Wir werden es beenden. Das tut Ihnen weh, das ist klar; deswegen sind Sie besonders laut.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)