Rede von Marlene Schönberger Aktuelle Stunde „Hochschulen“

Marlene Schönberger MdB
26.06.2024

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es ist jedes Mal wieder unerträglich, wenn sich die AfD hier als Unterstützerin von Jüdinnen und Juden inszeniert, weil wir alle hier wissen, wie es wirklich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Vorträge abgebrochen werden müssen, wenn Referierende bedroht werden und Polizeischutz brauchen, dann ist das nicht nur untragbar, sondern eine Gefahr für die Demokratie. Als ich den Titel der Aktuellen Stunde für heute gelesen habe – „Meinungsfreiheit schützen – Boykott von wissenschaftlichen und demokratischen Veranstaltungen an deutschen Hochschulen verhindern“ –, habe ich erst gedacht, wir sprechen im Fokus über Antisemitismus an Hochschulen. Wir erinnern uns an die niedergebrüllte Richterin an der Humboldt-Universität oder an die abgebrochene Hannah-Arendt-Lesung im Hamburger Bahnhof in Berlin.

Noch immer sehen wir Gruppen an Universitäten, die Antisemitismus dulden und damit der Gewalt gegen jüdische Studierende den Boden bereiten. Ja, es ist nur eine Minderheit, die sich an antisemitischen Uniprotesten, an Israel-Boykottkampagnen und an Terrorverherrlichung beteiligt. Doch sie schafft es,

(Beatrix von Storch [AfD]: Linke und Muslime sind es! Sagen Sie das doch mal!)

enorm viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; denn sie spielt mit Bildern der Gewalt, sie jubelt für die Hamas.

Aber heute geht es im Fokus gar nicht um Boykott gegen Israel, sondern Sie benutzen dieses große Wort für etwas ganz anderes. Im Übrigen geht es auch nicht um Wissenschaftsfreiheit, sondern um Protest gegen einen politischen Vortrag.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Dann ist ja alles okay! Dann ist ja alles super! Das ist ja der Hammer!)

Vorweg: Was Ihnen, Frau Wulf, in Göttingen passiert ist, ist nicht okay.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Na, wenn Sie das sagen, Frau Schönberger!)

In einer Demokratie muss es immer möglich sein, miteinander zu streiten,

(Beatrix von Storch [AfD]: Ihre demokratischen Freunde!)

ohne sich niederzubrüllen. Aber eines ist doch vollkommen klar: Unter den verhärteten Debatten zum Selbstbestimmungsgesetz hatten vor allem diejenigen zu leiden, die sich für dieses Gesetz und für Transrechte eingesetzt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Also wirklich! Dass Sie sich nicht schämen für so eine Aussage! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das gibt es doch gar nicht! Dass Ihnen das nicht peinlich ist!)

– Ich finde interessant, dass Sie gerade bei dieser Debatte jetzt so schreien. Das ist irgendwie komisch.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Also, wenn man Ihnen zuhört, kriegt man einen Anfall!)

Meine Kollegin Tessa Ganserer wurde massiv beleidigt und diskreditiert.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Wo waren Sie da eigentlich?)

Mein Kollege Sven Lehmann wurde bedroht

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Wo waren Sie da?)

und als Frauenfeind beschimpft.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Solidarität aus der Union habe ich bei diesen Angriffen vermisst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Völlig absurd! Jetzt wird’s echt krass! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Diese Relativierung ist ja schier unerträglich! – Zuruf der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU])

Im Gegenteil: Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht Mitglieder der Union Selbstbestimmung verächtlich machen – in einer Zeit, in der queerfeindliche Angriffe auf einem Höchststand sind.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Haben Sie die Plenardebatten verfolgt? Unglaublich!)

Sprich: An der hässlichen Debatte rund um die Selbstbestimmung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, sind Sie nicht ganz unschuldig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie lebt von Wissenschafts- und Meinungsfreiheit. Demokratie zu verteidigen, bedeutet, diese Freiheiten zu schützen vor Desinformation und Verschwörungstheorien;

(Dr. Götz Frömming [AfD], an die CDU/CSU gewandt: Das ist euer künftiger Koalitionspartner!)

denn Realität ist ambivalent und komplex. Das gefällt uns Menschen nicht.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Das fordert uns heraus.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Ja, aber das ist unterkomplex!)

Die extremen Rechten haben längst erkannt, wie man davon profitiert. Sie nutzen Halbwahrheiten, Vereinfachungen, das Spiel mit der Verunsicherung der Menschen.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Wer?)

Das Geraune davon, dass die LGBTIQ-Bewegung eine Gefahr sei für Tradition und Familie, für die Sicherheit in diesem Land, für Männlichkeit,

(Beatrix von Storch [AfD]: Heulsusen!)

für Frauen und Kinder, ist Teil rechter, hoch wirksamer Strategie –

(Beatrix von Storch [AfD]: Mimimi!)

hoch wirksam deshalb, weil diese Vorstellungen in der gesamten Gesellschaft verbreitet sind. Antifeminismus und Queerfeindlichkeit zielen auf die Beschränkungen von Menschenrechten, und sie bedrohen unsere Gesellschaft als Ganzes. Und dagegen müssen wir Demokratinnen und Demokaten doch zusammenstehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Mit Ihnen? Um Gottes willen!)

Nach einem Blick über den Tellerrand wird den meisten hier im Saal klar sein: Das Selbstbestimmungsgesetz gibt einer kleinen Anzahl an Menschen endlich die Rechte, die ihnen schon immer zustehen, Menschenrechte. Gleichzeitig nimmt dieses Gesetz niemandem – absolut niemandem! – irgendetwas weg.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Zum Thema!)

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein zutiefst liberales Gesetz, ein starkes Zeichen einer funktionierenden Demokratie in rauen Zeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Und genau deshalb brauchen wir beim Thema Selbstbestimmung keinen Populismus,

(Beatrix von Storch [AfD]: Markus!)

keine Vereinfachungen, keine Hetze, sondern Bildung, Sensibilität und Empathie.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das war so unterirdisch! Das war so peinlich, Frau Schönberger! Unfassbar! Da kann man sich doch selber gar nicht mehr im Spiegel anschauen, nach so einer Rede!)