Rede von Julian Pahlke Aktuelle Stunde „Gewalttat in Bad Oeynhausen“

Julian Pahlke MdB
03.07.2024

Julian Pahlke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Demokratinnen! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Vor dieser Debatte steht der Respekt vor dem Opfer Philippos T. und den Hinterbliebenen. An ihrem Verlust nehmen wir gemeinsam Anteil, über Parteigrenzen hinweg. Wir können diesem verstorbenen Menschen nicht gerecht werden. Wir können aber auf unseren Rechtsstaat vertrauen: auf Polizei, auf Staatsanwaltschaften und auch auf unsere Gerichte.

(René Bochmann [AfD]: Die vertrauen Ihnen aber nicht mehr!)

Die erste Frage ist nun, wie man auf so eine Tat auch politisch antwortet: ob es einem in diesem Moment um den lautesten Knall geht oder darum, mit den Menschen pietätvoll umzugehen und solche Taten in Zukunft zu verhindern. Die zweite Frage ist: An wem orientiert man sich dabei: an denen, die wirklich Vorschläge haben, oder an den Hetzern von der AfD?

Ich will auf die Union zurückkommen; Sie haben ja diese Aktuelle Stunde beantragt. Wir hatten hier schon mal eine Debatte über Parallelgesellschaften. Einer Ihrer Kollegen hat hier im Plenum eine wirklich großartige Rede gehalten, der ehrlich sehr geschätzte Kollege Armin Laschet. Er hat hier am 6. Juli 2023 über Parallelgesellschaften gesprochen und zur AfD gesagt – ich zitiere –:

„… aber Ihre Gesinnungsgenossen … Das war eine Parallelgesellschaft.“

Und – ich zitiere weiter –:

„Mevlüde Genç wird das Opfer eines Brandanschlags von Rechtsradikalen.“

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist aber jetzt nicht das Thema!)

„Fünf Angehörige sterben. Es drohen Unruhen damals in Deutschland, und sie ruft am nächsten Tag zur Versöhnung auf und sagt: Das waren nicht die Deutschen; das waren vier Straftäter, die bestraft werden müssen.“

Das sagte Ihr ehemaliger Kanzlerkandidat über Parallelgesellschaften, und das zeigt viel über seine Prioritäten und seinen Blick auf die Gesellschaft und auf jeden einzelnen Menschen – um auch mal ein bisschen den Kontrast bei Ihnen in der Partei abzubilden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das hat mit Ihrer Zuwanderungspolitik zu tun! Man kann es ja nicht mehr hören!)

Die Familie des Opfers aus Bad Oeynhausen hat mit ganz ähnlicher, enormer menschlicher Größe reagiert. Die sagt nämlich:

„Wir glauben an die Justiz. Wir glauben daran, dass die, die uns dieses Leid erfahren lassen, eine gerechte Strafe bekommen.“

Das sagt die Opferfamilie.

(Zuruf von der AfD: Haben Sie auch eine eigene Aussage?)

Dieser doppelte Großmut von Mevlüde Genç auf der einen Seite und den Hinterbliebenen von Philippos auf der anderen Seite: Das ist ein wahres Vorbild. So viel Größe würde ich vielen in diesem Haus einmal wünschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen nicht einmal, was das Tatmotiv von Bad Oeynhausen war. Was aber überhaupt nicht hilft, um solchen Gewalttaten vorzubeugen, sind die schnellen, wirkungslosen Vorschläge, die immer kommen. Was wir tatsächlich brauchen, ist eine Zusammenarbeit mit Islamverbänden,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

die genauso von radikalen Islamisten bedroht sind. Und wir brauchen auch einen geregelten Einsatz von V-Leuten, damit wir wissen, wenn Islamisten am Werk sind, was in deren Strukturen tatsächlich vorgeht und was religiöse Fanatiker planen. Damit verhindern wir Taten

(Zurufe von der AfD: Nein!)

und nicht mit der Forderung nach einer Absenkung der Strafmündigkeit oder dem Schaffen eines neuen Straftatbestandes im Zusammenhang mit Messern, wie es Ihr Brandenburger Landeschef jetzt fordert. Das ist kriminologisch und juristisch – Entschuldigung – schlicht Quatsch.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sieht die Polizei ganz anders!)

Sie wollen vor den Landtagswahlen noch mal schnell einen Punkt machen. Wer eine Tat mit einem Messer, einem Baseballschläger oder sonst etwas begeht, kann darauf vertrauen, dass unsere Gerichte das berücksichtigen müssen. Sie aber erzeugen Misstrauen in unsere Gerichte,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Misstrauen in Sie! – René Bochmann [AfD]: Sie verweigern die Realität!)

und ich erwarte von einer Rechtsstaatpartei wie Ihnen, dass Sie unseren Gerichten vertrauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will noch mal die Familie des Opfers zitieren. Die sagen nämlich weiter – und das finde ich ganz spannend –:

„Wir dürfen nicht zulassen, dass die rechte Ecke den Tod meines Neffen ausschlachtet und mit ihm Politik macht. Philip war ganz klar gegen rechts – so wie wir auch.“

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Hat ihm aber nichts geholfen!)

Das sagte der Onkel.

Nach jeder Debatte hören wir von Maßnahmen, hören wir Vorschläge.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie machen nur nichts!)

Keine einzige dieser Maßnahmen hätte die Tat verhindert, weder in Mannheim noch in Bad Oeynhausen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie machen nur nichts! Gar nichts machen Sie!)

Was wir wollen, ist Prävention. Was wir wollen, ist Aufdeckung durch unsere Sicherheitsbehörden, und das Einzige, was Ihnen in solchen Momenten bleibt, ist, laut zu schreien und laut zu krakeelen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie machen nichts! – Martin Hess [AfD]: Was erzählen Sie hier?)

Das Motiv ist weiterhin unklar. Und dann wird hier mit Halbwahrheiten um sich geworfen, und dann tun Sie so, als würde eine schnelle Abschiebung helfen. Dabei war der Täter nicht mal ein abgelehnter Asylbewerber.

(Beifall der Abg. Misbah Khan [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Sonja Eichwede [SPD] – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie verstehen es einfach nicht!)

Bleiben Sie nüchtern! Reden Sie mit Kriminologen!

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das machen wir andauernd! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie verstehen es einfach nicht! Das ist unglaublich! Einmal die Politik hinterfragen!)

Reden Sie mit denen, die einen nüchternen Blick auf die Dinge haben! Dann werden wir auch dieser staatstragenden Haltung, diesem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Familie in diesen schweren Stunden gerecht, und das werden wir nicht mit Ihrem würdelosen Geschrei in einer solchen Debatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Jaja, genau!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Gökay Akbulut für die Gruppe Die Linke.

(Beifall bei der Linken)