Rede von Schahina Gambir Aktuelle Stunde „Gewalttat in Bad Oeynhausen“

Schahina Gambir MdB
03.07.2024

Schahina Gambir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bökenkröger! Wenn ich an meinen Wahlkreis Minden-Lübbecke denke, denke ich an das vielfältige Leben im Mühlenkreis. Ich denke an die vielfältige Landschaft und Gesellschaft. Minden-Lübbecke ist ein idyllischer Kreis, in dem es sich gut leben lässt. Viele Bürgerinnen und Bürger sind zu Recht stolz, dort zu leben.

Seit zwei Wochen herrscht ein anderes Gefühl in Minden-Lübbecke. Die Menschen sind schockiert. Es herrschen Fassungslosigkeit, Trauer und Wut. Es geht um die Gewalttat vom 23. Juni in Bad Oeynhausen. An diesem Tag wurde ein junger Mann – viel zu früh – brutal aus dem Leben gerissen. Philippos war gerade einmal 20 Jahre alt. Er hatte erst kürzlich seine erste Wohnung bezogen und eine Ausbildung begonnen. In seiner Freizeit machte er gerne Musik und engagierte sich. Eigentlich sollte es ein schöner Abend werden mit seiner Familie und seinen Freunden. Doch auf dem Weg nach Hause wurde Philippos Opfer einer brutalen Gewalttat. Der Familie und den Freundinnen und Freunden von Philippos möchte ich meine tiefe Anteilnahme aussprechen: Ich kann nur erahnen, was Sie in diesen Tagen durchmachen müssen. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Beistand in dieser schwierigen Zeit.

Viele Bürgerinnen und Bürger in Bad Oeynhausen und in ganz Minden-Lübbecke nehmen Anteil. Es finden Mahnwachen statt und Schweigeminuten. Es werden Kerzen aufgestellt und Blumen niedergelegt. Schülerinnen und Schüler haben zur Unterstützung der Familie zu Spenden aufgerufen. – Vielen Dank für diesen wichtigen Beistand! Minden-Lübbecke steht in diesen Tagen zusammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Doch es gibt auch andere Reaktionen: Stimmen, die die Trauer und die Angst ausnutzen, Stimmen, die diese Tat nutzen, um Hetze zu betreiben. Philippos’ Familie hat sehr deutlich gemacht, dass sie nicht möchte, dass sein Tod instrumentalisiert wird. Diesem Wunsch müssen wir alle hier gerecht werden. Diese Verantwortung tragen wir alle gemeinsam.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Wir haben eine Verantwortung, die Menschen zu schützen! Das ist das Thema der Aktuellen Stunde!)

Der Titel dieser Aktuellen Stunde lässt mich daran zweifeln, dass die Antragstellerin diesen Wunsch respektiert.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Wieso das denn?)

Ich verstehe den Wunsch nach Konsequenzen und teile die Forderung nach umfassender Aufklärung.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Die Äußerungen der Innenministerin!)

Auch mich macht diese Tat fassungslos, wütend und auch traurig.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das hilft aber niemandem!)

Doch die Dynamik, die die politische Debatte rund um den Fall bekommen hat, stimmt mich nachdenklich. Ich sorge mich, dass die Tat einmal mehr dazu benutzt wird, ganze Bevölkerungsgruppen pauschal zu verurteilen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Immer der gleiche Blödsinn! –Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Es geht jetzt nicht darum, am schnellsten und am lautesten nach einfachen Antworten zu brüllen.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Also hat das für Sie gar keine Konsequenzen! – Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Nichts tun, oder was? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Stattdessen, liebe Union, sollten wir innehalten.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ja, ja, ja!)

Wir sollten uns überlegen, welche Maßnahmen notwendig sind.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Ach nee! – Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Ja! Welche denn? – Zuruf von der AfD: Abschiebung!)

Wollen wir ernsthaft in einer Welt leben, in der wir mit international geächteten Terrorregimen arbeiten? Wer bei dieser Forderung keine moralischen Bedenken hat,

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal dem Bundeskanzler!)

der muss sich wenigstens die Frage nach der Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit stellen.

Lassen Sie uns auch hier mal innehalten!

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: „Innehalten“! Das wird immer zynischer!)

Lassen Sie uns zur Faktenlage zurückkommen! Lassen Sie uns über Prävention reden und an den Stellschrauben ansetzen, die Gewalt unter allen Jugendlichen verhindern! Natürlich müssen wir im Fall von Straftaten alle rechtsstaatlichen Mittel nutzen, um diese aufzuklären und entschieden zu ahnden.

(Martin Hess [AfD]: Das sind immer dieselben hohlen Sprüche!)

Doch genauso ist es unsere Verantwortung, Gewalt zu verhindern, bevor sie entsteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Martin Hess [AfD]: Genau! Grenzschutz!)

Wir müssen auf Präventionsarbeit setzen, auf Bildungsangebote und Maßnahmen der sozialen Arbeit.

Unsere Forderungen, unser Handeln, unsere Entscheidungen haben unmittelbaren Einfluss auf die Lebensrealität der Menschen in Deutschland, auf die Menschen in Minden-Lübbecke, auf die Menschen in Bad Oeynhausen. Lassen Sie uns verantwortungsvoll damit umgehen!

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie tun es nicht!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)