Rede von Nyke Slawik Aktuelle Stunde „Deutsch-Polnische Regierungskonsultationen“

Nyke Slawik MdB
04.07.2024

Nyke Slawik (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Zuhörende! Wir können etwas lernen von den Menschen in Polen. In einer Zeit, die von Krieg und Krisen überschattet wird, haben die Menschen in unserem Nachbarland Europa zur Priorität gemacht. Unter der rechtsnationalen PiS-Regierung litten viele Jahre lang Rechtsstaatlichkeit, Frauenrechte, freie Medien und leider auch die deutsch-polnischen Beziehungen. Im letzten Herbst wählten die Menschen in Polen die PiS ab.

Wie gelang das? Mit einem Bündnis vieler demokratischer Parteien, die gemeinsam gegen die Rechtsnationalen gekämpft haben. Es war eine historische Wahl mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1989. Wahlentscheidende Themen waren Europa, Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Schwangeren. Seitdem regiert ein neues proeuropäisches Bündnis in Polen, und die Europawahlen bestätigten diese neue Koalition. Das ist Rückenwind für Europa, und das finde ich inspirierend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auf der anderen Seite des Weimarer Dreiecks, in Frankreich, sind bei den Parlamentswahlen gerade Rechtsnationale auf dem Vormarsch. Das ist besorgniserregend. Der deutsch-französische Motor droht ins Stottern zu geraten. Umso wichtiger, dass gerade jetzt Deutschland und Polen ihre Beziehungen gemeinsam verbessern und den europäischen Antrieb wieder ans Laufen bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen, die zum ersten Mal seit Jahren wieder stattfanden, kamen daher genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir danken der Bundesregierung für ihren Einsatz, allen voran Bundeskanzler und Außenministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber auch zwischen unseren Parlamenten gibt es einen regen Austausch. Diese Woche ist eine Delegation von Abgeordneten aus dem Sejm zu Gast, die wir als Deutsch-Polnische Parlamentsgruppe begrüßen durften. Auch wir als Grüne haben uns diese Woche mit polnischen Kolleginnen und Kollegen unserer Schwesterpartei Partia Zieloni ausgetauscht.

Ich möchte hier nochmals eine Idee einbringen, die bereits von meinem geschätzten Kollegen Paul Ziemiak eingebracht worden ist: eine deutsch-polnische parlamentarische Versammlung einzurichten – ähnlich wie wir sie bereits mit Frankreich haben –, um den regen Austausch unserer beiden Parlamente und ihrer Abgeordneten in ein regelmäßiges Gremium zu überführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in diesem Jahr ist Polen 20 Jahre Teil der Europäischen Union. Aber es gibt auch andere Jahrestage in der deutsch-polnischen Beziehung. Der nationalsozialistische Überfall auf Polen jährt sich in diesem Jahr zum 85. Mal, die brutale Niederschlagung des Warschauer Aufstands zum 80. Mal. Durch den Terror Nazideutschlands verloren Millionen Menschen in Polen ihr Leben. Die Züge in den Tod, die Vernichtung jüdischen Lebens in Europa und die deutschen KZs: Die Nazis begingen viele ihrer Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem von ihnen besetzten Territorium.

Daraus ergibt sich eine historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Polen, und wir nehmen an, uns mit dieser Schuld auseinanderzusetzen. Wir werden als Koalition das Deutsch-Polnische Haus als zentralen Gedenkort für die polnischen Opfer nationalsozialistischen Terrors weiter vorantreiben und sind zuversichtlich, die Grundstückssuche bald abzuschließen.

Die Bundesregierung hat versprochen, dass es endlich Unterstützungszahlungen geben wird für polnische Kriegsopfer.

Natürlich spielt auch die Sicherheitspolitik eine große Rolle. Die russische Aggression und der Überfall auf die Ukraine sind in Warschau noch mal viel stärker zu spüren als in Berlin; denn Polen musste in seiner Geschichte gleich mehrfach die Erfahrung machen, von seinen Nachbarn Deutschland und Russland grausam überfallen zu werden. Wir sind es den Menschen in Polen also schuldig, gemeinsam für Sicherheit und Frieden in Europa zu sorgen. Deswegen stellen wir uns gemeinsam gegen den Versuch Putins, Polens Nachbarn, die Ukraine, zu unterwerfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Aber wir wollen auch in die Zukunft schauen und dafür sorgen, dass unsere Länder stärker zusammenwachsen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat bereits Gelder für ein deutsch-polnisches Jugendticket beschlossen, das in einem begrenzten Aktionszeitraum jungen Menschen kostenlose Bahnfahrten ins Nachbarland ermöglichen soll.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung spricht sich zudem für eine Verbesserung der Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Polen aus, allen voran Berlin–Warschau.

Und selbstverständlich gibt es zwischen unseren Ländern ein riesiges Potenzial, gemeinsam die europäische Energiewende und die grüne Transformation zu gestalten. Neben Deutschland gehört Polen zu den Ländern der EU, die in den letzten Jahrzehnten am meisten Kohle verstromten. Nun gilt es, die grüne Transformation gemeinsam voranzutreiben und den Weg Richtung Erneuerbare gemeinsam zu bewältigen.

Es gibt unendlich viel, was wir voneinander lernen und gemeinsam bewegen können.

Herzlichen Dank. Dziękuję bardzo.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Knut Abraham hat das Wort für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)