Rede von Andreas Audretsch Aktuelle Stunde „Bürgergeld“

Andreas Audretsch MdB
13.06.2024

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben eine Rede gehört, ganz zu Anfang, deren sachlichen Inhalt ich sehr anders sehe als der Kollege Linnemann. Dazu komme ich gleich in aller Ausführlichkeit. Und dann haben wir gerade eine Rede gehört, die an Verachtung für die Demokratie, an Verachtung für die Menschen in unserem Land nicht zu übertreffen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was für Hülsen! – Norbert Kleinwächter [AfD]: Das ist Demokratie! – Jürgen Braun [AfD]: Sie zeigen, dass Ihnen der Wähler egal ist, Herr Audretsch! Sie sind ein Feind der Demokratie!)

Ich finde, dass wir uns hier darauf konzentrieren sollten, die inhaltlichen Punkte sehr strittig zu diskutieren, und die Trennung ganz klar zwischen den Demokraten und den Antidemokraten ganz rechts außen ziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Damit bin ich bei Herrn Linnemann und bei der CDU/CSU. Ich möchte einmal daran erinnern – ich habe den Titel Ihrer Aktuellen Stunde tatsächlich auch nicht verstanden –, dass das Bürgergeld nicht letzten Sonntag zur Abstimmung stand, sondern am 25. November 2022 hier im Deutschen Bundestag. Es gibt Menschen von der CDU/CSU, die zugestimmt haben. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass Friedrich Merz damals triumphal vor die Presse getreten ist, nachdem das Thema im Vermittlungsausschuss war, und verkündet hat, dass man jetzt alles verändert hat, dass man jetzt ein sehr gutes System entwickelt hat.

Sie müssen sich einmal entscheiden: Sie können alles rundweg ablehnen. Dann sagen Sie aber bitte auch, dass Jens Spahn, dass Herr Stracke miserable Arbeit gemacht haben, dass im Vermittlungsausschuss einfach nichts rausgekommen ist,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das stimmt! Das ist alles genauso gekommen, wie wir vorhergesagt haben!)

was die in irgendeiner Weise hätten rechtfertigen können, und dass Ihr Parteivorsitzender damals mächtig danebenlag. Aber beides andauernd gleichzeitig zu machen, ist absolut unglaubwürdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist etwas, was man Ihnen vorhalten muss. Sie schaffen es noch nicht mal in der Opposition, eine konsistente Position zu beziehen.

Ich habe einen komplett anderen Ansatz als Sie: Ich bin stolz darauf, dass wir einen Sozialstaat haben, der Menschen dann unterstützt, wenn sie in Schwierigkeiten geraten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Das stellen wir gar nicht in Abrede, Herr Audretsch!)

Das kann ich mit breiter Brust und in aller Offenheit sagen.

Das Problem bei Ihnen ist, dass Sie bei der Frage, ob wir Menschen in Arbeit bringen wollen, und beim Prinzip, dass derjenige, der arbeitet, mehr hat als Menschen, die wenig arbeiten, keine klare Position beziehen. Wir haben das in der Ampel gemacht.

(Sepp Müller [CDU/CSU]: Nee!)

Ich will es einmal aufdröseln: Sie sagen nicht – das habe ich noch nie von Ihnen gehört –, dass Sie die Regelsätze substanziell senken wollen. Ich höre das von Ihnen nicht, weil Sie genau wissen, was das bedeutet, weil Sie genau wissen, dass Sie damit Alleinerziehende, dass Sie Familien zu den Kirchen, zu den Tafeln treiben. Das wäre die Konsequenz. Sie sagen das nicht, weil das dazu führt, dass ältere Frauen in der Grundsicherung Flaschen sammeln müssten, und weil Sie sagen müssten, dass Sie diese Frauen zum Flaschensammeln treiben würden. Deswegen sagen Sie es nicht.

Genau das ist das Problem: Sie müssen sich auch da einmal entscheiden, was Sie wollen. Wollen Sie die Regelsätze senken? Dann will ich, dass Sie das auch mal deutlich sagen. Wenn nicht, hören Sie auf, dieses Spiel zu spielen, immer gegen die zu treten, die sowieso am allerwenigsten haben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Thema verfehlt!)

Einmal die andere Richtung: Wenn man über Lohnabstand spricht, dann ist der zweite Teil der Geschichte, dass wir in Deutschland anständige Löhne haben. Da sind Sie, um ehrlich zu sein, ein absoluter Totalausfall. Auch hier wieder: Sie sind noch nicht einmal in der Opposition in der Lage, eine Position zu diesem Punkt zu formulieren.

Ihr neu gewählter stellvertretender Bundesvorsitzender Karl-Josef Laumann hat bei Ihrem CDU-Parteitag im Mai dieses Jahres einen Antrag gestellt, der exakt das fordert, was wir wollen. Er hat eine Reform des Mindestlohnes gefordert. Ich zitiere mal aus dem Antrag, den Herr Laumann bei Ihrem Parteitag gestellt hat.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Er wurde gar nicht angenommen!)

Wörtlich heißt es da: Wir werden die Empfehlung der Mindestlohnrichtlinie der EU umsetzen und die Höhe des Mindestlohns gesetzlich auf 60 Prozent des Medianlohns festlegen. Aktuell würde das etwa einem Mindestlohn von 14 Euro entsprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich ergänze: 2025 wären das 15 Euro Mindestlohn.

Ich frage den Generalsekretär, aber auch die Bundestagsfraktion: Was gilt jetzt eigentlich? Will die Union anständige Löhne? Will die Union, dass Menschen von ihren Löhnen leben können, oder möchte sie es nicht? Möchte die Union einen Abstand haben, sodass Menschen, die arbeiten, mehr haben, oder möchte die Union das nicht? Möchte die Union, dass Herr Laumann, der neue stellvertretende Bundesvorsitzende, der, glaube ich, bei diesem Parteitag das beste Ergebnis hatte, gehört wird? Oder passiert es, dass Sie, Herr Linnemann und Herr Merz, Herrn Laumanns Vorschlag im nächsten Satz wieder abräumen, weil Sie nicht in der Lage sind, eine Position zu formulieren? Ich habe dazu nichts von Ihnen gehört. Wenn Sie einmal ernsthaft über diese Sachen reden würden!

(Beifall des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich blicke in ganz große Augen, weil Sie keine Antwort haben, weil Sie absolut blank sind, weil Sie an der Stelle nicht in der Lage sind, Antworten zu formulieren, weil Sie nur darauf aus sind, Unfrieden in die Gesellschaft zu tragen, ohne sich einmal zu fragen, wie eine Antwort in der Sache aussehen könnte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch der Abg. Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU] – Peter Beyer [CDU/CSU]: Das ist Unsinn, was Sie erzählen!)

Das, was Sie innerhalb Ihrer Partei nicht hinkriegen, das haben wir in der Ampel mit bedeutend mehr Klarheit hingekriegt. Bei uns ist völlig klar, dass Menschen, –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– die mehr arbeiten, mehr haben. Bei uns ist klar, dass Menschen, die eine Ausbildung machen, jetzt viel mehr behalten dürfen als früher.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Herr Audretsch, Ihre Redezeit ist vorbei.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir haben den Mindestlohn angehoben, und wir stehen dafür ein, dass Menschen anständige Löhne haben, von denen sie dann auch leben können.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Das kommt leider nicht an, Herr Audretsch! Das kommt leider nicht an in der Bevölkerung!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Jens Teutrine.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)