Sicherheitsrisiken früher erkennen

Zentrum für strategische Vorausschau

Ein Mitarbeiter in einem Kontrollzentrum, er trägt einen Kopfhörer und ist umgeben von Monitoren.
In einer Welt, in der Krisen, Konflikte und Kriege immer häufiger werden, ist Sicherheit keine Selbstverständlichkeit. Unsere Zukunftsidee für bessere Frühwarnsysteme, damit wir morgen gut geschützt sind. iStock/EvgeniyShkolenko
30.09.2024

Alle spüren in diesen Zeiten: Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein kostbares Gut. Krisen, Konflikte und Kriege nehmen zu in einer Welt, die immer unübersichtlicher wird. Mit der Idee eines „Zentrums für strategische Vorausschau“ sollen Risiken für unsere Sicherheit in allen Bereichen früher erkannt werden. So können wir uns besser vorbereiten, Gefahren mindern und Schäden verhindern. So machen wir unsere Demokratie handlungsfähiger und sichern den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Zukunftsidee als PDF-Datei

Ob eine weltweite Pandemie, die Energiekrise oder Flutkatastrophen: In einer komplexen, globalisierten und sich rasant verändernden Welt nehmen Herausforderungen rapide zu. Krisen und Entwicklungen überlagern und verstärken sich gegenseitig. Gleichzeitig haben die Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren beeindruckende Kraft und Potentiale gezeigt, um mit den Krisen umzugehen und Antworten zu finden. Wir erleben aber auch, wie Ängste und Sorgen immer wieder von Demokratiefeinden von innen und außen instrumentalisiert werden, um unsere Gesellschaft zu spalten und eigene Machtinteressen zu stärken. Die Krisen der letzten Jahre zeigen auch: Es ist wichtig, sich gut auf Herausforderungen vorzubereiten, die entsprechenden politischen Maßnahmen zu treffen und von einem kurzfristigen Reaktionsmodus zu einem vorausschauenden politischen Handeln und Kommunizieren zu kommen. Deshalb müssen die Fähigkeiten der strategischen Vorausschau insgesamt gestärkt werden.

Mit einem Zentrum für strategische Vorausschau wollen wir die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung mit Leben füllen und die notwendigen Maßnahmen treffen, um im Sinne eines breiten Sicherheitsbegriffs unsere Freiheit, unsere Lebensgrundlagen und unsere Demokratie in verschiedenen Politikbereichen zu schützen. Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen sollen Bedrohungen und Chancen für unsere Sicherheit analysieren, Debatten anstoßen und konkrete Empfehlungen abgeben, damit wir besser auf Krisen vorbereitet sind und handlungsfähiger werden. Wir können unseren Frieden und unsere freie Gesellschaft nur dann schützen, wenn wir in der Lage sind, sie gegen Angriffe zu verteidigen. Indem wir uns als Gesellschaft auf verschiedene Szenarien einstellen, werden wir in Zukunft nicht nur weniger „überrascht“, sondern können mit aller Kraft daran arbeiten, dass die bestmöglichen Szenarien eintreten und in Krisen den Schaden begrenzen sowie das Potential erhöhen, um breit getragene Antworten zu ermöglichen. Dabei wird auch eine breite, transparente und moderne Einbindung und Information von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sichergestellt.

Nutzen wir für unsere Sicherheit genau die Stärken, die eine Demokratie von einer Autokratie unterscheiden: unsere offene Gesellschaft mit vielfältigen Perspektiven, unsere Fähigkeit zuzuhören, voneinander zu lernen und von verschiedenen Blickwinkeln und Erfahrungen an den besten Konzepten zu arbeiten.

In einer Welt, die sich verändert, müssen wir unsere Sicherheit, unsere Freiheit und unsere Demokratie besser schützen

Die Sicherheitslage in Europa hat sich fundamental verändert und wir müssen lernen, dass unsere Freiheit und unsere Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind und auf vielen Ebenen bedroht sein können. Nicht nur der russische Präsident Putin zeigt mit seinem brutalen Angriff auf die Ukraine, dass er bereit ist, gemeinsame Regeln unserer Friedensordnung anzugreifen. Staatliche Einrichtungen, Verwaltungen, Unternehmen oder Einzelpersonen werden Ziel von Hackerangriffen und Sabotageattacken. Desinformation wird befeuert von Demokratiefeinden von außen und von innen. Viele Technologien entwickeln sich schnell, politische Antworten darauf hinken zu oft hinterher. Weltweite und vernetzte Handelsbeziehungen führen zu Abhängigkeiten und können uns angreifbar machen. Kriege und Krisen, die geographisch weit von uns entfernt beginnen, können mit ihren Folgen in einer globalisierten Welt sehr schnell auch unsere Gesellschaft erreichen und die Art und Weise wie wir leben negativ beeinflussen.

Wir sollten uns als Gesellschaft besser auf Bedrohungen vorbereiten, robuster, wehrhafter und resilienter und als politische Institutionen strategiefähiger werden.

Weil sich unsere Welt rasant ändert, müssen gerade in unserer schnelllebigen Zeit und angesichts einer Tendenz zum kurzfristigen politischen Handeln neue Trends, Gefahren und Chancen flexibel und möglichst schnell gesehen, aufgenommen und mitgedacht werden. Für erfolgreiche Sicherheitspolitik braucht es gleichzeitig einen großen gesellschaftlichen Konsens. Den gibt es nur, wenn mit den Bürger*innen transparent, sachlich und offen über Bedrohungen der Zukunft und die notwendigen Antworten darauf gesprochen wird. 

Mit einem Zentrum für strategische Vorausschau Bedrohungen und Chancen für unsere Sicherheit erkennen und gemeinsam in unserer Gesellschaft diskutieren

Mit einem Zentrum können wir unsere strategische Vorausschau verbessern. Wir brauchen keine Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen, sondern bessere Analysen von Trends, Entwicklungen, Erfahrungen und Wahrscheinlichkeiten:

  • Wie entwickelt sich unsere Sicherheitslage?
  • Welche Bedrohungen könnten in den nächsten Jahren für uns entstehen?
  • Welche Chancen könnten sich entwickeln und wie können wir sie nutzen?
  • Was sollten politische Prioritäten sein?

Dazu gehört eine faktenbasierte und offene Debatte von Expert*innen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft, die Herausforderungen, Bedrohungen und Chancen analysieren, konkrete Empfehlungen an Bundesregierung und Bundestag formulieren und über Prozesse der Bürger*innenbeteiligung in der Gesellschaft verankern. Sie können bisher politisch unbeachtete Themen auf die Tagesordnung setzen, alte Denkmuster aufbrechen und kluge Köpfe und frische Ideen zusammenbringen. 

Durch ein solches Zentrum erhalten sie verlässliche Ressourcen, einen Ort zur Diskussion und die Gelegenheit zum Austausch mit Politiker*innen und Bürger*innen.

Viele Menschen in unserem Land machen sich Sorgen um unsere Sicherheit. Um diese zu schützen, brauchen wir eine bessere und breitere Auseinandersetzung, was wir konkret tun können. Zugleich verhindert die frühzeitige Beschäftigung mit Zukunftsszenarien und potenziellen politischen Antworten die Instrumentalisierung von Ängsten und Sorgen und erschwert Desinformation. Sie kann Vertrauen, Handlungsfähigkeit und Zusammenhalt in einer Gesellschaft gerade in schwierigen Situationen stärken.

Mit Bürger*innenräten, Bürger*innenpanels und Diskussionsveranstaltungen kann das Zentrum die Debatte zu den Menschen bringen, ihre Sorgen anhören, Ideen aufnehmen und Perspektiven erarbeiten. Es bietet die Möglichkeit für Bürger*innen, sich intensiver mit den sicherheitspolitischen Herausforderungen auseinanderzusetzen und stärkt ihre Stimme in der Diskussion darüber, Zuversicht, das Verantwortungsgefühl der Allgemeinheit und Selbstwirksamkeit werden gestärkt. 

Sachverständigengremium für strategische Vorausschau

Das Zentrum für strategische Vorausschau sollte aus Expert*innen aus Wissenschaft und Gesellschaft bestehen, die unabhängig von Parteipolitik und der nächsten Wahl arbeiten.

Ein solches Zentrum könnte vom Deutschen Bundestag und der Bundesregierung ins Leben gerufen werden. Ein Beirat, bestehend aus führenden Expert*innen, Abgeordnete aller Fraktionen und Mitglieder der Bundesregierung könnte als Aufsichtsorgan die Ausrichtung des Zentrums begleiten und die Unabhängigkeit des Zentrums sicherstellen. Der Auftrag käme aus der Herzkammer unserer Demokratie, gleichzeitig wären Forschung und Debatten unabhängig von Tagespolitik und Wahlen und könnten so auch unbequeme Wahrheiten und kontroverse Vorschläge diskutieren.  

Damit Forschung und Debatten so unabhängig von Tagespolitik oder der nächsten Wahl möglich sind, sollte ein solches Zentrum unabhängig von der Bundesregierung arbeiten. Expert*innen werden durch den Aufsichtsrat in einen Sachverständigenrat berufen und beraten und veröffentlichen regelmäßig Stellungnahmen, Berichte und Empfehlungen. So wird es einfacher, auch unbequeme Wahrheiten und kontroverse Vorschläge zu diskutieren. Auch in ihrer Methodenauswahl sind die Expert*innen des Zentrums frei und können zum Beispiel über das Einbeziehen von Laien frei entscheiden.

Von anderen Ländern lernen

In anderen Ländern wie Finnland, Großbritannien, Österreich und Singapur gibt es bereits verschiedene Ansätze, strategische Vorausschau zu stärken. Auch in Deutschland gibt es schon heute Teams für Vorausschau in Ministerien, wie dem Auswärtigen Amt und Institutionen wie der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Wenn wir diese Bemühungen aber breiter, langfristiger, strategischer stärken und dabei flexibel bleiben wollen, braucht es dazu auch einen zentralen Ort nahe bei den Bürger*innen, um einander zuzuhören, als Gesellschaft gemeinsam zu lernen und unsere Resilienz zu stärken. Gleichzeitig sollen die Bemühungen in den politischen Institutionen massiv verstärkt werden und nicht an das Zentrum ausgelagert werden, damit dieser vorrausschauende Ansatz breiteren Eingang in politisches Handeln, Kommunizieren und Denken findet.

Mehr zu der Thematik auch im Artikel "Raus aus dem Krisenmodus" von Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und Agnieszka Brugger, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag.


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