Endlich mehr staatliche Dienstleistungen digitalisieren

Die Deutschland-App

Ein Mann steht unter der Dusche und schaut auf sein Smartphone, er lacht.
Unsere Zukunftsidee für einen modernen, digitalen Staat mit mehr digitalen Verwaltungsangeboten: einfach zugänglich, barrierefrei und anwendungsfreundlich. iStock/Orbon Alija
30.09.2024

Der moderne Staat ist digital. Doch die Verwaltungsdigitalisierung hinkt in Deutschland hinterher. Derzeit sind digitale Leistungen oftmals noch gar nicht vorhanden, schlecht auffindbar oder nicht anwendungsfreundlich. In anderen Staaten gibt es bereits eine einheitliche App für digitale Verwaltungsangebote. Vorreiter des digitalen Staats in der EU entwickeln derzeit eine. Wir sehen die Deutschland-App als zentralen Baustein einer neuen Vision des digitalen Staats: modern, sicher, zugänglich, barrierefrei, anwendungsfreundlich, medienbruchfrei.

Zukunftsidee als PDF-Datei

Die digitale Verwaltung in Deutschland hinkt im internationalen Vergleich nach wie vor in allen Belangen hinterher. Bund und Ländern bieten nur wenige digitale Leistungen an, es gibt keinen zentralen Zugangspunkt zu ihnen und nutzungsfreundlich sind die vorhandenen Lösungen in der Regel auch nicht. Das hat einen zentralen Grund: Der Verwaltungsdigitalisierung ist in der Vergangenheit nie die notwendige politische Priorität zugekommen – weder finanziell, noch strukturell oder personell.

Mit dem Onlinezugangsgesetz 2.0 (OZG) hat die Ampel in dieser Wahlperiode gesetzgeberisch nachgesteuert und viele Anregungen aus der Fachwelt, Praxis und Wissenschaft aufgegriffen. Doch bei der Staatsmodernisierung sind Gesetze allenfalls der erste Schritt. Damit die Vision eines digitalen Staats aber endlich wahr wird und einen echten Mehrwert für Menschen, Demokratie und Wirtschaft erreicht, braucht es weitere entschlossene Entscheidungen – und vor allem ein klares Zielbild.

Die Funktionsfähigkeit des Staates steht angesichts multipler Krisen, des demographischen Wandels und des generellen Fachkräftemangels unter Druck. Bürger*innen erwarten heutzutage bequeme, service-orientierte und sichere digitale Lösungen. Diesem Anspruch muss der Staat gerecht werden. Zudem ist es Teil unseres Staatsverständnisses, dass die Exekutive bürgernah agiert und dabei auch Inklusion und Teilhabe fördert. Digitale Lösungen sind ein wichtiger Baustein, um diesen staatlichen Zielen näher zu kommen.

Derzeit sind digitale Leistungen der öffentlichen Verwaltung oftmals noch nicht vorhanden oder extrem schlecht auffindbar, sie sind häufig unterschiedlich konzipiert und nicht operabel. Nutzungsfreundlichkeit, IT-Sicherheit und Datenschutz „by design“ kommen häufig zu kurz und Angebote werden zu oft nur aus Behördenperspektive entwickelt.

Das verwaltungswissenschaftliche Konzept “Government as a plattform” (GaaP) setzt sich zunehmend als Leitbild durch. Das OZG 2.0 geht zwar bereits in Richtung Plattformansatz und Gesamtarchitektur – doch die föderale Aufgabenteilung macht die Umsetzung derzeit noch schwer.

Statt alle digitalen Angebote von Bund, Ländern und Kommunen endlich zentral auffindbar und miteinander kompatibel zu gestalten, erfinden viele Behörden das Rad immer wieder neu und entwickeln Einzellösungen ohne echte Zielvorgabe oder Einbettung in eine Gesamtarchitektur. Diese unkoordinierte Wildwuchs führt zu schlechteren Angeboten für die Nutzer*innen, die etwa dutzende digitale Identitäten mit Username und Passwort verwalten müssen, und zu einer massiven Verschwendung von Steuergeld.

Die digitalen Lösungen, die deutsche Behörden entwickeln (lassen), wirken oftmals aus der Zeit gefallen – sie sind formalistisch, kompliziert und in einem veralteten Design. Modernes UX-Design und attraktive Apps: Fehlanzeige. Aber auch die IT-Sicherheitsstandards sind im öffentlichen Sektor nicht mehr auf dem neuesten Stand – so war bis zum OZG 2.0 nicht vorgesehen, dass die Kommunikation zwischen Bürger*innen und Behörden via Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stattfindet.

Andere Staaten wie Australien und Österreich haben bereits eine einheitliche App für digitale Verwaltungsangebote. An ihnen kann man sich orientieren.

Die föderale Digitalisierung der Verwaltung verliert sich noch zu häufig im Klein-Klein!  Entscheidungsstrukturen sind zu langsam, zu viele Köche verderben den Brei. Wir brauchen klare politische Zielvorgaben und technische Antworten auf neustem Stand der Technik. Gemeinsame, interoperable, einheitlich standardisierte Basis-Infrastruktur und kohärente Basisdienste sind das Fundament für eine Deutschland-App.

Unsere Forderungen

Wir wollen Bürger*innen dort abholen, wo sie sind: auf dem Smartphone oder Tablet! Damit alle Menschen vollwertig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, stärken wir auch die Beratung vor Ort im Bürgeramt oder über die Behörden-Hotline 115.

Wir wollen Bürger*innen so begegnen, wie es einem modernen Staat gut zu Gesicht steht: auf Augenhöhe, umbruchs- und barrierefrei und so, dass (hochpersönliche) Daten bestmöglich geschützt sind.

Wir brauchen einen GaaP-Ansatz und sollten uns dabei an internationalen Vorbildern orientieren. Die „Deutschland App“ ist der sichtbare Teil: ein zentraler, einfacher Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen, verfügbar, egal wo man gerade ist. Alle Leistungen von Bund, Länder und Kommunen sollen hier ansteuerbar sein. Hinter der App steht eine moderne, leistungsfähige, modulare und weiterentwicklungsfähige IT-Architektur. Die verschiedenen Verwaltungsdomänen lassen sich aus der App heraus medienbruchfrei ansteuern.

Aus der Deutschland-App sollte langfristig auch die Justiz-, Gesundheits-, Finanz- und Sozialverwaltung ansteuerbar sein. Dann könnte ein Verwaltungsakt aus der App beantragt, zugestellt und am Ende vor einem Gericht beklagt werden. Keine Parallelstrukturen durch Agentur für Arbeit, ELSTER oder Corona-WarnApp.

Die App als zentraler Bestandteil einer neuen Vision vom digitalen Staat

Proaktiv: Wir nutzen die Digitalisierung, um automatische Prozesse zu etablieren und Menschen durch guten Service zu entlasten. Nicht alles, was Bürger:innen zusteht, müssen diese extra beantragen. Kommunikation und Hinweise erhalten Bürger:innen zukünftig bequem auf das Smartphone. Der persönliche Kontakt im Bürgeramt oder per Telefonhotline bleibt erhalten und richtet sich noch stärker an den Bedürfnissen der Bürger*innen aus.

Bürgernah: Im Zentrum stehen die Bürger:innen und ihre Belange. Sie wollen einen niedrigschwelligen Kontakt zur Verwaltung, nutzerfreundliche Angebote und die verfügbare Option, mit Menschen zu interagieren. Daher werden wir diverse Nutzungsgruppen bei der (Weiter-)Entwicklung aktiv einbinden.

Effizient: Wir beschleunigen Verfahren durch medienbruchfreie Prozesse: Digitale Anträge landen in der E-Akte und nicht in der Umlaufmappe! Vorhandene Infrastrukturen werden zusammengeführt und Bürger:innen erhalten ein einheitliches Frontend für die Kommunikation mit allgemeiner Verwaltung, Arbeits-, Gesundheits-, Finanz- und Sozialverwaltung, Justiz etc. Die App ist der Dreh- und Angelpunkt aus Bürger:innensicht, dahinter liegen vernetzte Register, standardisierte Datenaustauschformate und sichere Speicher.

Digital: Ohne geht es nicht. Auf digitalem Weg braucht es keine ellenlangen Formulare, sondern zweckgerichtete Abfragen mit FAQ, Tutorials und individuelle Ausfüllhilfen - bis hin zu Chatbots, Spracherkennung und automatisierten Hinweisen. Aber wir lassen niemanden zurück - analoge Zugänge bleiben offen.

Transparent: Beim digitalen Staat fallen viele (hochpersönliche) Daten an. Wer wie wo welche persönliche Daten erhebt, speichert und weiter verarbeitet machen wir sichtbar, um Missbrauch zu verhindern. Es braucht einheitliche Vorgaben für Transparenz im Datenschutzcockpit, Löschfristen und deutliche Sanktionen bei Verstößen. Wenn Beamt*innen auf Informationen in staatlichen Datenbeständen unbefugt zugreifen, ist das kein Kavaliersdelikt – sondern muss künftig spürbare straf- und dienstrechtliche Folgen haben.

Sicher: Egal, ob Datenschutz und -sparsamkeit, Datensicherheit oder IT-Sicherheit: Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Systeme ist zentrale Voraussetzung für deren Akzeptanz. Damit schützen wir nicht Nullen und Einsen, sondern die Menschen, die staatliche Angebote nutzen. Eine umfassende Profilbildung über Bürger*innen durch den Staat muss technisch und organisatorisch ausgeschlossen bleiben. Dabei geht es auch darum, digitale Infrastrukturen faschismussicher zu machen. Um sicherzustellen, dass höchste Sicherheitsstandards gelten, involvieren wir Aufsichtsbehörden und IT-Sicherheits-Expert:innen von Beginn an. Wir setzen auf das große zivilgesellschaftliche Know-How, öffentliches Feedback, Hackathons, Open Source Software, agile Entwicklungsmethoden und binden die zuständigen Aufsichtsbehörden von Anfang an ein. Als Vorbild kann der offene Prozess bei der Corona-WarnApp gelten.

Inklusiv: Wir ermöglichen bessere Teilhabe und Entlastung für Menschen mit Beeinträchtigungen durch einfache Sprache, Vorlesefunktion etc. Die Inhalte der Deutschland-App müssen in allen gängigen Sprachen zugänglich sein, die in Deutschland gesprochen werden. Neben der modernen digitalen Infrastruktur halten wir analoge Zugänge offen - für benachteiligte Gruppen, aber auch für eine größere Resilienz in Zeiten sehr umfassender IT-Angriffe - auch und gerade auf öffentliche Verwaltungen.                       

Föderale Strukturen bei der Verwaltungsdigitalisierung auf den Prüfstand

Die derzeitige föderale Arbeitsteilung entpuppt sich mit Blick auf die Verwaltungsmodernisierung immer wieder als zentraler Hemmschuh für echten Fortschritt. Die derzeitige Struktur aus Artikel 91c Grundgesetz, OZG, IT-Planungsrat, IT-Staatsvertrag, E-Government-Gesetzen und Verwaltungsverfahrensrecht stellen wir auf den Prüfstand.

Wir fordern eine Konsolidierung und Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern mit Blick auf digitale Abläufe - und sprechen uns für eine Expert*innen-Kommission aus, die umfassende Reformvorschläge auch für die Governance der Verwaltungsdigitalisierung erarbeitet.

Richtig durchgeführt entlasten digitale Angebote Menschen in der Verwaltung, statt sie - wie heute oftmals noch - zu belasten. Damit werden mittel- bis langfristig Kapazitäten frei, um bessere Angebote und Beratungsangebote für Bürger*innen zu schaffen. Das Potential, auch für die Wirtschaft und neue Beteiligungsformate, bleibt enorm.

Die Modernisierung des Staates ist eine Strukturreform! Den öffentlichen Dienst gestalten wir mit New Work, agilem Arbeiten und einer verbesserten interbehördlichen Kooperation moderner und begünstigen Innovationen und einen Kulturwandel. Den öffentlichen Dienst wollen wir insgesamt diverser und attraktiver aufstellen. Wir setzen uns für zielgerichtetere Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten ein, ermöglichen einfachere Berufs- und Laufbahnwechsel innerhalb, in und aus dem öffentlichen Dienst und schaffen flexiblere Arbeitsbedingungen und -strukturen.

Innovative öffentliche Akteure wie SPRIND, Digital Service, Sovereign Tech Fund, ZenDis & Co. sehen wir als wichtige Pioniere einer neuen Verwaltungskultur, von denen andere öffentliche Stellen lernen können.

Diese Zukunftsidee ist auch Teil des Thesenpapiers "Mut macht Zukunft! Für ein Land, das einfach funktioniert"


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