Plan für mehr Steuergerechtigkeit
Ein gerechtes Steuersystem ist das Fundament für ein starkes Gemeinwesen. Es ermöglicht die Finanzierung von Lehrkräften, Sozialarbeitern, Erziehern oder Polizistinnen. Gute Schulen, Kitas, Sportplätze und Schwimmbäder sind Voraussetzung für sozialen Zusammenhalt. Aktuell weist unser Steuersystem erhebliche Lücken auf, die es einigen ermöglichen, sich der Verantwortung für das Gemeinwohl weitgehend zu entziehen. Es ist an der Zeit, diese Gerechtigkeitslücken zu schließen und sicherzustellen, dass alle entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten einen fairen Beitrag leisten.
Um das Gemeinwohl zu stärken, bedarf es ausreichender finanzieller Mittel. Diese sind notwendig, um in Bildung, Infrastruktur und soziale Dienstleistungen zu investieren und so den Wohlstand für alle zu sichern. Ein entscheidender Schritt ist die Reform der Schuldenbremse. Angesichts des Investitionsstaus der letzten Jahre müssen wir jetzt handeln und kluge Investitionsentscheidungen treffen, damit wir den nachfolgenden Generationen ein modernes, funktionierendes und klimaneutrales Land ermöglichen. Wir schlagen dafür eine Reform der Schuldenbremse und einen “Deutschland-Investitionsfonds für Bund, Länder und Kommunen” vor, um zielgerichtet in die Zukunft unseres Landes zu investieren.
Wir müssen jedoch ebenfalls dafür sorgen, dass Menschen da sind, die sich um unser Zusammenleben kümmern. Lehrerinnen und Erzieher, Busfahrerinnen und Bademeister, Polizistinnen und Sozialarbeiter. Sie alle werden gebraucht und sie alle haben gute Löhne und Arbeitsbedingungen verdient. Um diese laufenden Ausgaben zu finanzieren, wollen wir Gerechtigkeitslücken in unserem Steuersystem schließen.
Gerechtigkeitslücken schließen
Das deutsche Steuersystem ist unübersichtlich und weist substanzielle Lücken auf, meist zu Ungunsten der breiten Bevölkerung. Jahrzehntelang wurden Ausnahmen in Gesetze aufgenommen, die nur sehr wenigen, sehr reichen Menschen zugutekommen. Denn komplizierte Gestaltungsmodelle können sich nur Reiche leisten. Unsere Gesellschaft insgesamt hat von diesen Steuerlücken praktisch nichts. Manche dieser Lücken sind nur Ausnahmen für sehr große Vermögen von über 20 Millionen Euro. Während die große Mehrheit der erwerbsfähigen Menschen arbeitet und genau wie kleine und mittlere Unternehmen fair reguläre Steuersätze zahlt, ist es einigen möglich, sich mit heute noch legalen Ausnahmen der gemeinsamen Verantwortung für das Gemeinwohl steuerlich weitgehend zu entziehen. Nicht alles, was heute legal ist, ist fair. Das hat negative Effekte auf das für unseren Zusammenhalt so wichtige Vertrauen, dass es in unserem Land gerecht zugeht. Zugleich verschärfen die Einnahmeausfälle Probleme, zum Beispiel bei der Finanzierung von Kinderbetreuung und Bildung.
Wir wollen mehr Fairness im Steuersystem und das aus unserer Verfassung abgeleitete Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit – „starke Schultern können mehr tragen als finanziell schwächere“ – wieder stärken. So schaffen wir mehr Gerechtigkeit, stärken das Vertrauen in die Institutionen und können einen zusätzlichen Betrag in zweistelliger Milliardenhöhe für das Gemeinwohl einnehmen. Geld, das wir für mehr gemeinsamen Wohlstand wie bessere Bildung und Aufstiegschancen verwenden möchten.
Gerechtigkeitslücken bei der Immobilienbesteuerung schließen
Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland wohnt zur Miete – und ist damit von den Preisen von Vermieterinnen und Vermietern abhängig. Andere haben sich ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung gekauft, zahlen einen Kredit ab und Grunderwerb- und Grundsteuer. Die meisten wollen darin selbst wohnen und leisten steuerlich ihren fairen Beitrag. Gleichzeitig können Investorinnen und Investoren sowie Immobilienunternehmen Lücken bei der Besteuerung von Immobilien finanziell ausnutzen und Wohnimmobilien als Spekulationsobjekt nutzen. Wer mit Wohnraum spekuliert oder bei der Wahl der Gesellschaftsform gestaltet, profitiert von Steuerprivilegien, die Menschen, die einfach zur Miete oder im Eigenheim leben, nicht haben. Wir wollen diese Gerechtigkeitslücken schließen. Für den Bau und die Vermietung von dauerhaft bezahlbaren Wohnungen in großem Umfang, setzen wir uns zudem weiterhin für die Einführung einer echten “Neuen Wohngemeinnützigkeit” ein. Erste Schritte dahin sind aktuell Teil unserer Gesetzesverhandlungen.
Steuerfreiheit von Gewinnen aus Immobilienverkäufen beenden
Aktuell sind Gewinne aus Immobilienverkäufen nach einer sogenannten Spekulationsfrist von zehn Jahren steuerfrei. Diese Regelung wird oft von Investoren genutzt, um auf steigende Immobilienpreise zu spekulieren und anschließend steuerfreie Gewinne zu erzielen. Gleichzeitig führt diese Praxis zu erheblichen Steuermindereinnahmen. Schätzungsweise stünden der Gesellschaft ohne diese Steuerprivilegien perspektivisch bis zu 6 Milliarden Euro im Jahr mehr für das Gemeinwohl zur Verfügung.
Wir fordern die Abschaffung dieser Spekulationsfrist für nicht zu eigenen Wohnzwecken gehaltene Immobilien. Gewinne aus Immobilien sollten wie andere Kapitalerträge besteuert werden – die Ausnahmen für selbst bewohnte Immobilien wollen wir beibehalten. Dies schafft eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten, mindert spekulative Tendenzen auf dem Immobilienmarkt und damit auch die Preisentwicklung – und schont gleichzeitig das Ziel, eine eigene Wohnung haben zu können. Österreich hatte früher eine ähnlich spekulationsfördernde Steuerbefreiung und hat diese im Jahr 2012 abgeschafft, um für mehr Fairness zu sorgen.
Gewerbesteuerfreiheit von vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften
im Immobilienbereich beenden
Derzeit sind Immobiliengesellschaften, die ausschließlich vermögensverwaltend tätig sind, von der Gewerbesteuer auf Mieteinnahmen befreit. Sie müssen also nur Körperschaftsteuer von 15% auf ihre Gewinne zahlen, während alle anderen Gesellschaften mit anderen Einkunftsquellen durchschnittlich etwa 29% Steuern (Körperschafts- und Gewerbesteuer) zahlen. Diese Steuervergünstigung führt zu Ungerechtigkeiten zwischen Wirtschaftszweigen, lockt stark renditegetriebene Investitionen in den Immobiliensektor und mindert die Einnahmen der Kommunen, die die Gewerbesteuer als einzige eigene Einnahmequelle haben. Wir setzen uns für die Abschaffung dieser Gewerbesteuerbefreiung bei Immobiliengesellschaften ein. In Fachartikeln ist sie auch als “erweiterte Grundstückskürzung” bekannt, deren Abschaffung auch von konservativeren Ökonomen gefordert wird. Schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro jährlich verlieren die Kommunen aufgrund dieser Regelung – Geld, das für Projekte wie Schulen, Kitas oder öffentliche Einrichtungen fehlt.
Umgehungen von Steuerzahlungen durch „Share Deals” bei Immobilienkäufen verhindern
Durch sogenannte „Share Deals“ können große Immobilienunternehmen die Grunderwerbsteuer umgehen, indem sie nicht die Immobilie selbst kaufen, sondern Anteile an Immobiliengesellschaften übertragen. Eine 2021 erfolgte Reform hat daran nicht wirklich etwas geändert: Weiterhin fällt keine Steuer an, wenn „nur” bis zu 89,9 Prozent einer anderen Immobiliengesellschaft übernommen wird. So entgehen dem Staat erhebliche Einnahmen. Schätzungen gehen von rund 1 Mrd. Euro aus, die diese aktuell nach wie vor legalen Umgehungen den Staat jährlich kosten. Die Praxis der „Share Deals” fördert zudem Preisspekulation auf dem Immobilienmarkt und begünstigt Großinvestoren gegenüber Einzelkäufern. Denn jede Privatperson zahlt bei einem Haus- oder Wohnungskauf die Grunderwerbsteuer, große Unternehmen, die die Praxis der „Share Deals” nutzen, hingegen nicht.
Eine echte, innovative Lösung wäre ein Optionsmodell nach niederländischem Vorbild. So würde die Grunderwerbsteuer anteilig anfallen, ab einer Übernahme von 10% einer Immobiliengesellschaft durch einen anderen Konzern. Kauft ein Immobilienunternehmen somit 10 Prozent eines anderen Immobilienunternehmens, wären 10 Prozent der Grunderwerbsteuer fällig. Kauft es 89,9 Prozent eines anderen Immobilienunternehmens, wären 89,9 Prozent der Grunderwerbsteuer fällig. Immobilienkonzerne würden dann ihren fairen Beitrag leisten und nicht gegenüber Privatpersonen bevorteilt werden.
Gerechtigkeitslücken in der Erbschaftsteuer schließen
Vermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt. Die reichsten 1 Prozent in Deutschland haben insgesamt mehr Vermögen als 90 Prozent der restlichen Menschen. In fast keinem anderen Land der EU ist die Vermögenskonzentration so stark. Die Folge: Wer in eine reiche Familie geboren wurde, bleibt reich. Gleichzeitig ist ein Aufstieg mit Vermögensaufbau durch eigene Arbeit derzeit nur schwer möglich. Eigene Leistung ermöglicht deutlich weniger Aufstiegschancen als das Glück der Geburt in eine wohlhabende Familie. Menschen in Ostdeutschland sind bei Erbschaften in den allermeisten Fällen noch stärker im Nachteil. Hohe Vermögen konnten fast nur in westdeutschen Familien angehäuft und vererbt werden und damit in den Händen weniger konzentriert bleiben.
Die ungleiche Verteilung von Vermögen in Deutschland wird durch das derzeitige Erbschafts- und Schenkungsteuerrecht effektiv nicht reduziert, sondern sogar teilweise noch verstärkt. Obwohl die Erbschaftsteuer von den vorgesehenen Steuersätzen progressiv ist, das heißt, hohe Vermögen eigentlich mehr besteuern soll als mittlere: Sehr hohe Vermögen (bei über 26 Millionen) können durch Ausnahmen oft sogar komplett steuerfrei vererbt werden, während mittlere Erbschaften verhältnismäßig stärker belastet werden. Ebenfalls wichtig: Kleinere Erbschaften, und das sind die meisten, sind heute über Freibeträge von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit – was wir befürworten und sogar stärken würden, sofern es gelingt, die Steuerlücken am ganz oberen Ende zu schließen. Die heutigen Ausnahmen für sehr große Erbschaften tragen zur Ungleichheit bei und untergraben das Prinzip der Chancengerechtigkeit.
Erbschaften von über 26 Millionen Euro sollten nicht mehr steuerbefreit sein, Betriebsvermögen sollten großzügige Stundungen erhalten
Das Kind eines Bäckers, das den elterlichen Betrieb erbt, zahlt in der Regel mehr Erbschaftsteuer als das Kind, das einen ganzen Lebensmittelkonzern erbt. Das ist derzeit Realität in Deutschland – und es ist ungerecht. Die eigentlich zu zahlende Erbschaftsteuer kann bei übertragenen Vermögenswerten von mehr als 26 Mio. Euro vollständig erlassen werden, wenn die Erbinnen oder Erben in einer sogenannten „Verschonungsbedarfsprüfung“ nachweisen, dass sie „bedürftig“ sind und die Steuer nicht aus ihrem aktuell verfügbaren Privatvermögen zahlen können. Milliardenschwere Schenkungen an Kinder und Vermögensübertragungen auf extra neu gegründete Familienstiftungen bleiben so steuerfrei. 2023 wurden so mehr als 2 Milliarden Euro an Steuern erlassen, was zu einem effektiven Steuersatz von nur 0,1 % bei Erbschaften von über 26 Millionen führte.
Wir setzen uns daher für eine Reform der sogenannten Verschonungsregelungen ein. Statt einer vollständigen Steuerbefreiung für Betriebsvermögen sollten weitreichende, mehrjährige Stundungsregelungen eingeführt werden. Das schafft Steuergerechtigkeit, sichert zugleich Arbeitsplätze und schafft Anreize für Investitionen.
Die Steuerbefreiung bei Erbschaften ab 300 Wohnungen beenden
Drei Wohnungen zu erben, darf nicht mehr besteuert werden als 300 oder mehr Wohnungen. Aber: Wer heute Anteile an einem Wohnungsunternehmen mit einem Immobilienbestand von mindestens 300 Wohneinheiten erbt, muss darauf keine Erbschaftsteuer zahlen. Wer hingegen zwei oder drei Immobilien erbt, zahlt, wenn er die Freibeträge überschreitet, auf den restlichen Wert Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Diese Ausnahme von großen Immobilienbeständen bei Erbschaften ist seltsam ungerecht und sollte abgeschafft werden. Die finanziellen Effekte können nur geschätzt werden, manche Wirtschaftsforscher gehen von ca. 1 Mrd. Euro an Mindereinnahmen für die Länder pro Jahr aus.
Strukturelle Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen
Das Steuersystem weist strukturelle Gerechtigkeitslücken zugunsten sehr Vermögender und zu Ungunsten der breiten restlichen Bevölkerung auf. Die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit – und die entsprechende, für den Zusammenhalt und das Gemeinwohl wichtige Steuerfairness bleiben an diesen Stellen auf der Strecke.
Cum-Ex, Cum-Cum & Co: Organisierte Steuerkriminalität effektiv bekämpfen und ahnden
Steuerskandale wie „Cum-Ex“ und „Cum-Cum“ haben den Staat in der Vergangenheit um Milliarden Euro an Steuereinnahmen gebracht. Diese Praktiken untergraben das Vertrauen in das Steuersystem und gefährden die Finanzierung wichtiger öffentlicher Aufgaben. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern in diesen Konstrukten ein krimineller Angriff auf den Rechtsstaat und das Gemeinwohl. Im Bundestag arbeiten wir bereits daran, die Bekämpfung von Finanzkriminalität zu verbessern. Dazu gehört sowohl der Aufbau einer neuen Behörde, um Kompetenzen zu bündeln, als auch die nötigen Instrumente zu schaffen, um die Verschleierung von Vermögen zu unterbinden.
Weitere Maßnahmen sind nötig. Wir fordern eine konsequente Verfolgung dieser illegalen Machenschaften und den Ausbau spezialisierter Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um solche Fälle effizienter zu verfolgen. Darüber hinaus müssen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen verschärfen, um sicherzustellen, dass bei sehr hohen Anrechnungs- und Erstattungsbeträgen von Anfang an eine genaue Prüfung erfolgt, und Ermittlungen auch ohne Anhaltspunkte für eine konkrete Straftat erfolgen können – beispielsweise gestützt durch neue technische Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz.
Steuerflucht durch globale Milliardärssteuer eindämmen
Steuerlücken sind ein globales Problem, das nationale Grenzen überschreitet. Viele Hochvermögende nutzen internationale Schlupflöcher, um ihre Steuerlast zu minimieren. Dadurch gehen den Staaten weltweit dringend benötigte Einnahmen verloren. Die bereits erfolgte Einführung einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen hat gezeigt, dass eine flächendeckende Abstimmung auf OECD-Ebene auch im Steuerbereich erfolgreich möglich ist. Brasilien, das bis Dezember 2024 die G20-Präsidentschaft hält, hat kürzlich einen Vorschlag zu einer globalen Steuer für Milliardäre bei den G20 eingebracht, um sicherzustellen, dass Hochvermögende einen fairen Anteil zur Lösung globaler Probleme beitragen. Wir unterstützen dieses Vorhaben. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftspolitik (DIW) zufolge gibt es in Deutschland 255 Haushalte mit einem Nettovermögen von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Mögliche Einnahmen schätzt das DIW für Deutschland auf 5,7 Mrd. Euro. Eine Mindestabgabe auf das Vermögen der reichsten Menschen der Welt würde dazu beitragen, die Finanzierung globaler Herausforderungen wie Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu verbessern, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten und die Steuergerechtigkeit zu erhöhen.
Einkünfte aus Kapital wieder fairer besteuern
Die Besteuerung von Einkommen aus Arbeit und Kapital ist in Deutschland unausgewogen. Während Arbeitseinkommen progressiv ab sechsstelligen Einkommen mit bis zu 45% pro zuverdientem Euro besteuert werden, unterliegen Kapitalerträge einem einheitlichen, reduzierten niedrigen Steuersatz von 25%. Dies führt zu einer Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und begünstigt insbesondere Menschen mit hohem Vermögen.
Wir fordern daher eine Änderung der Besteuerung von Kapitaleinkünften, um eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zwischen Löhnen und Gehältern auf der einen Seite und Kapitalerträgen auf der anderen Seite zu erreichen. Damit wäre sichergestellt, dass auch Kapitaleinkommen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.
Diese Zukunftsidee als Download (PDF)