Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum
Mobilität ist Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe – dafür, dass Menschen unabhängig von ihrem Wohnort den Arzt, das Büro oder die Schule erreichen. Umfragen zufolge, die im Rahmen des Gleichwertigkeitsberichts der Bundesregierung durchgeführt wurden, sind bundesweit weniger als die Hälfte der Menschen der Auffassung, dass der öffentliche Nahverkehr vor Ort attraktive Verbindungen bietet. Das betrifft in besonderem Maße dünn besiedelte Regionen.
Um diese Verlässlichkeit zu geben, wollen wir allen Bürgerinnen und Bürgern künftig garantieren, mit dem Nahverkehr unabhängig vom Wohnort mobil sein zu können. Dafür machen wir den Vorschlag einer Mobilitätsgarantie.
Das Versprechen und Ziel der Mobilitätsgarantie
Bis zum Jahre 2030 wollen wir das Angebot so ausweiten, dass wir allen Bürger*innen, auch im ländlichen Raum, die Erreichbarkeit des Nahverkehrs zu verlässlichen Bedingungen garantieren können. Allen Bürger*innen sollte es möglich sein, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Mittelzentren sowie zu wesentlichen Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs ohne viele Umstiege zu gelangen. Unser Ziel: montags bis freitags von 6 bis 21 Uhr mindestens im Stundentakt, samstags und sonntags im 2-Stundentakt. In sehr ländlichen Regionen kommt es hierbei insbesondere auf einen weiteren Ausbau des Systems von Ruf- und Taktbussen, so genannten On-Demand-Angeboten an. Diese ermöglichen einen flexibleren, digitalen Service, der nur dann im Einsatz sein muss, wenn eine tatsächliche Anfrage besteht.
Die geschätzten jährlichen Kosten für eine solche bundesweite Mobilitätsgarantie durch die zusätzliche Ausweitung von Taktbus- und Rufbus-Angeboten liegen laut einem vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten bei etwas über 700 Mio. Euro im Jahr. Effizient gestalten lässt sich die Mobilitätsgarantie dann, wenn die bestehenden Mobilitätsangebote von ÖPNV über Sharing bis Taxi zusammen gedacht werden. Wenn der Bund und die Länder gemeinsam dieses Ziel ernst nehmen und dafür zusätzliche Mittel einplanen, die Verkehrsverbünde ausreichend Personal ausbilden und einstellen, dann kann die Mobilitätsgarantie bis zum Jahr 2030 Realität werden. Die Digitalisierung wird bei solchen Angeboten einen wichtigen Beitrag leisten: So wird die Nachfrage automatisiert gepoolt und effizient bedient.
Für eine Mobilitätsgarantie ist es auch notwendig, stillgelegte Bahnstrecken zu reaktivieren, neue zu bauen und bestehende nicht mehr still zu legen. Hier ist die Koalition im Bund mit dem Planungsbeschleunigungsgesetz bereits wichtige Schritte gegangen. So werden über 700 Projekte beschleunigt und digitalisiert, Stilllegungen erschwert und die Reaktivierung von Bahnstrecken ermöglicht.
Autonomes Fahren: Versorgung sichern, innovative Technologien stärken und Fachkräftemangel kontern
Bereits heute wird in vielen Modellprojekten und -regionen autonomes Fahren erprobt. Es gilt diese Innovationen allem voran für den öffentlichen Verkehr nutzbar zu machen, denn für eine Mobilitätsgarantie und Steigerung der Attraktivität des ÖPNV kann autonomes Fahren künftig eine zentrale Rolle spielen. Autonomes Fahren kommt insbesondere bei schienengebundenen Fahrzeugen sowie bei Shuttles bis fünfzehn Personen und kleinen Bussen ab fünfzehn Sitzen zum Einsatz. Während kleinere Fahrzeuge sich bereits in der zweiten Hälfte der 20er Jahre verfügbar sein werden, wird die Entwicklung größerer autonomer Buse noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen.
Dabei kann bspw. eine Buslinie, die bisher ein Gebiet mit einem normalen Stadtbus im Stundentakt bedient, durch zwei autonom fahrende Midibusse ersetzt werden und der Takt dadurch bei geringeren Gesamtkosten verdoppelt werden. In Randgebieten von Städten kann ein autonom fahrender Midibus dazu beitragen, das ÖPNV Angebot auf Strecken zu erweitern, die bislang nicht wirtschaftlich darstellbar waren. Dergestalt wird dem autonomen Fahren in den kommenden Jahren auch deshalb eine große Rolle zugeschrieben, weil es kostengünstiger und effizienter künftige Bedarfe decken kann.
Einer der wesentlichen Vorteile des Einsatzes autonomer Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr liegt in ihrer Unabhängigkeit vom Fahrpersonal, das heute bereits knapp ist. Da aufgrund der demographischen Entwicklung und des Fachkräftemangels heute und in den nächsten Jahren eine zunehmende Knappheit an Personal zu erwarten ist, führt die Automatisierung bestimmter Verkehre dazu, bei knappen Fachkräften den ÖPNV auszubauen. Hinzu kommt langfristig eine Reduzierung der Personalkosten, die heute einen bedeutenden Teil der Betriebskosten im ÖPNV ausmachen.
Auch für die deutsche Fahrzeugindustrie liegen bei autonomen Bussen und Bahnen Potenziale und Chancen. Fahrzeuge können deutlich sicherer nicht nur für die Insassen, auch für die weiteren Verkehrsteilnehmer werden. Dieser Aspekt wird den Bedarf für Fahrzeuge mit mehr automatischen und autonomen Funktionen weiter steigern und die weltweiten Fahrzeugmärkte immer stärker mitbestimmen. Gerade unter dem Aspekt Sicherheit lassen sich künftig staatliche Investitionen gut rechtfertigen. Es gilt zu zeigen, dass Innovationen wie das autonome Fahren auch in Deutschland funktionieren – und das zusammen mit deutschen Herstellern. Gleichzeitig muss es darum gehen, zusammen mit der Industrie Projekte mit größeren autonomen Bussen voranzubringen, um auch hier das öffentliche Mobilitätssystem auszubauen.
Unter Mitwirkung von Dr. Anjes Tjarks (Senator, Präses der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende der Freien und Hansestadt Hamburg) und Oliver Krischer (Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen)
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Diese Zukunftsidee ist auch Teil des Thesenpapiers "Mut macht Zukunft! Für ein Land, das einfach funktioniert"