1990 - 1994: Bündnis 90, Deutsche Einheit, Maastricht
- Am 2. Dezember 1990 finden die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen statt.
- ++ Bündnis 90/Grüne (Ost): 6,1 Prozent ++ Die Grünen (West): 4,4 Prozent ++ SPD: 33,5 Prozent ++ CDU/CSU: 43,8 Prozent ++ FDP: 11 Prozent ++ PDS Ost: 11,1 Prozent ++ PDS West: 0,3 Prozent ++
- Sprecher und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der bündnisgrünen Bundestagsgruppe ist Werner Schulz.
- Es regiert die schwarz-gelbe Koalition aus CDU/CSU und FDP. Helmut Kohl wird erneut zum Kanzler gewählt. Genscher bleibt Außenminister bis 1992 und Rita Süssmuth wird Bundestagspräsidentin (CDU). Bündnis 90/Grüne ziehen mit acht Abgeordneten in den Bundestag ein. Das ist möglich, weil bei dieser Wahl die Fünf-Prozent-Klausel auf Ost- und Westdeutschland getrennt angewendet wird.
Zeitenwende
Im Jahr 1990 hat sich die Welt komplett verändert. Die Sowjetunion befindet sich in Auflösung, der Eiserne Vorhang ist gefallen, die SED-Diktatur zusammengebrochen. Die erste frei gewählte Volkskammer und das Bonner Parlament beschließen einen Wahlvertrag für gesamtdeutsche Wahlen. Am 3. Oktober 1990 tritt die DDR der Bundesrepublik bei.
Gelebte Einheit
Die acht Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne beschließen sich zu einer Bundestagsgruppe zusammen. Die Gruppe hält an dem Ziel einer gesamtdeutschen Verfassung fest und stellt im Mai 1991 den Antrag zur Errichtung eines Verfassungsrates. Sie unterstützt das von der Heinrich Böll-Stiftung organisierte Verfassungskuratorium und legt im Januar 1994 einen Gesetzentwurf zur Verfassungsreform vor. Er schreibt unter anderem dem Datenschutz, der Frauengleichstellung und Diskriminierungsverboten für Homosexuelle und Behinderte Verfassungsrang zu. Auch die Grundlagen der Außenpolitik nach dem Ende des kalten Krieges werden neu beschrieben.
"Wir kommen wieder"
Schock im Westen: Bei der Wahl im Dezember 1990 scheitern Die Grünen im Westen an der 5-Prozent-Hürde. Bündnis 90/Grüne erreichen im Osten 6,1 Prozent und damit acht Bundestagsmandate.
Einsicht in die Akten
Dass das Stasi-Unterlagen-Gesetz beschlossen wird, ist das Verdienst der Bündnisgrünen im Bundestag. Im Juni 1991 legen sie einen Gesetzentwurf vor, im November 1991 beschließt der Bundestag das Gesetz.
Ein gewaltsames Ende
Am 19. Oktober 1992 werden Petra Kelly und Gert Bastian in ihrem Haus in Bonn tot aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt: Bastian hat zunächst Kelly, danach sich selbst erschossen.
Der Untersuchungsausschuss Schalck-Golodkowski
Der 1. Untersuchungsausschuss wird im Juni 1991 eingerichtet und soll aufklären, wie die geheime DDR-Organisation „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) in Westdeutschland Geld für die SED-Elite beschaffte.
Nach 189 Sitzungen wird festgestellt, dass ohne westliche Unterstützung die KoKo nicht so erfolgreich hätte arbeiten können. Zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses schreibt Ingrid Köppe, Mitglied des Untersuchungsausschusses und Berichterstatterin, ein Minderheitenvotum, das die Mitverantwortung westdeutscher Institutionen und Personen, insbesondere auch des Verfasssungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes am Erfolg der KoKo-Arbeit benannte. Ihr Bericht wird als geheim eingestuft und vom Bundestag für 30 Jahre gesperrt, weil er „vertrauliche“ und „geheime“ Dokumente enthalte. Dennoch kommt das Minderheitenvotum 1994 an die Öffentlichkeit. Gegen Ingrid Köppe wird ermittelt, das Verfahren jedoch eingestellt.
Der Vertrag von Maastricht
Erste Schritte von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union (ab 2009)
Am 2. Dezember 1992 verabschiedet der Bundestag den Maastrichtvertrag. Drei bündnisgrüne Abgeordnete stimmen dafür (Poppe, Ullmann, Schulz), vier dagegen, eine nimmt nicht teil. In der Debatte fordert Gerd Poppe die Schaffung institutioneller Voraussetzungen für eine Demokratisierung der Europäischen Union: die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments für alle Politikbereiche der Gemeinschaft, ein Mandat des EP zur Erarbeitung eines europäischen Verfassungsentwurfs, eine wirksame Exekutive der Gemeinschaft in der Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik, eine Wirtschaftspolitik die sich einem ökologischen Entwicklungsleitbild verpflichtet und die Einführung einer existenzsichernden Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger. Parallel dazu reichen vier Mitglieder der Grünen im Europäischen Parlament eine Verfassungsbeschwerde gegen den Maastrichtvertrag ein.
Fazit zur Zeitenwende
Einer der ersten Anträge der bündnisgrünen Bundestagsgruppe zielt darauf, mit derZählung der Legislaturperioden neu zu beginnen, um der historischen Situation in Deutschland Rechnung zu tragen. Seine Ablehnung gibt einen Vorgeschmack auf die "schwer zu erschütternde Selbstgefälligkeit und geistige Trägheit der Parlamentsmehrheit. Disziplin, Karrieredrang und Furcht aufzufallen waren allemal stärker als Vernunft und Verantwortungsgefühl", so das Fazit der Gruppe am Ende der Legislatur.
Bilanz
Insgesamt bringt die bündnisgrüne Bundestagsgruppe 42 Gesetzentwürfe, 195 Anträge, 14 Große Anfragen und 305 Kleine Anfragen ein. Darunter Gesetzentwürfe und Vorarbeiten zum Einwanderungs-, Flüchtlings- und Niederlassungsgesetz, zur Energiewende, zur sozialen Grundsicherung und Direkten Demokratie wie auch für das spätere Lebenspartnerschaftsgesetz und das Gesetz zur gewaltfreien Erziehung von Kindern. Unter dem Eindruck des Krieges von Serbien und Kroatien gegen Bosnien entwickelt die Gruppe die grüne Außen- und Menschenrechtspolitik weiter. Einzelne Abgeordnete reisen in die Krisenregion und fordern einen militärischen Schutz der bosnischen Bevölkerung durch die Nato.