Selbstbestimmung? Selbstverständlich!
Seit 1. November 2024 gilt das neue Selbstbestimmungsgesetz. Dank des neuen Gesetzes können Geschlechtseintrag und Vorname einer Person deutlich einfacher beim Standesamt geändert werden.
Selbstbestimmung? Selbstverständlich! Denn: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz gehen wir einen weiteren, längst überfälligen Schritt hin zu einer gleichberechtigten Gesellschaft.
Was?
Das Grundgesetz sichert allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu. Dazu gehört auch die Selbstbestimmung über die eigene Geschlechtszugehörigkeit. Doch die Realität sieht anders aus: Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung – das gehört für viele Trans*personen, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen zu ihrem Alltag. Was für cis*Personen (Personen, die sich mit dem bei der Geburt ihnen zugeschriebenen Geschlecht identifizieren) völlig normal ist, ist für sie mit großen Hürden verbunden: Dass der offizielle Geschlechtseintrag dem Geschlecht entspricht, mit dem sie sich identifizieren.
Das Selbstbestimmungsgesetz bringt große Erleichterungen im Alltag. Für Menschen, bei denen das bei Geburt zugeschriebene Geschlecht nicht dem tatsächlichen Geschlecht entspricht, ist eine unkomplizierte Personenstandsänderung von fundamentaler Bedeutung. Denn mit einem falschen Personalausweis müssen sie sich in jeder Behörde, vor dem Flugschalter oder beim Abschluss eines Handyvertrags jedes Mal neu erklären – immer mit der Gefahr, diskriminiert zu werden. Laut dem zweiten Berliner Monitoring-Bericht zu homo- und transfeindlicher Gewalt von 2022 haben zwei Drittel der befragten trans*Personen in den letzten fünf Jahren Gewalterfahrungen gemacht, fast die Hälfte (48 Prozent) im letzten Jahr.
Künftig kann eine Korrektur des falschen Geschlechtseintrags durch eine einfache Erklärung beim Standesamt erfolgen. Die Entscheidung über das eigene Leben geben wir zurück in die Hände derjenigen, die es betrifft.
Wir beenden damit endlich die rechtliche Diskriminierung und Herabwürdigung trans- und intergeschlechtlicher sowie nicht-binärer Menschen.
Warum?
Bislang galt das sogenannte Transsexuellengesetz. Das hat Personen, bei denen das ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht nicht dem tatsächlichen Geschlecht entspricht, also trans* oder nicht-binär sind, diskriminiert. Sie mussten für eine Änderung ihres Geschlechtseintrags oder ihres Vornamens langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren durchlaufen. Zusätzlich mussten sie sich auf eigene Kosten von zwei Gutachter*innen als psychisch krank diagnostizieren lassen, bevor sie ihren Geschlechtseintrag korrigieren oder ihren Vornamen ändern durften. In dem Prozess dieser psychologischen Gutachten wurden oft entwürdigende Fragen gestellt, beispielweise nach der Art der getragenen Unterwäsche oder auch nach Masturbationsfantasien. Auch der Ausgang des Verfahrens blieb ungewiss: Letztendlich entschied ein Gericht darüber, ob Geschlechtseintrag und Vorname geändert werden durften oder nicht.
Das neue Selbstbestimmungsgesetz ist nicht nur eine Verbesserung im Leben einer Bevölkerungsgruppe, es ist vielmehr eine Werteentscheidung: Das Versprechen unseres Grundgesetzes gilt für alle. Nur so werden wir unserem Anspruch gerecht, eine offene Gesellschaft zu sein. Denn Rechte von trans*geschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen sind Menschenrechte.
Diese stärken wir nun mit dem Selbstbestimmungsgesetz. Der Umgang mit LGBTIQ* ist ein Gradmesser für Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit. LGBTIQ* ist die international gebräuchliche Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter*, Queer (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Inter*, Queer).
Gesetz im Überblick
- Trans*geschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen können dank des Selbstbestimmungsgesetzes einfacher ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihren Vornamen ändern lassen.
- Die Änderung kann nun durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt vorgenommen werden.
- Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung ist nicht mehr erforderlich. Auch die Notwendigkeit zur Einholung zweier Sachverständigengutachten entfällt.
- Das Gesetz tritt an die Stelle des Transsexuellengesetzes (TSG) von 1980.
FAQ zum Selbstbestimmungsgesetz
„Was ändert sich denn mit dem Gesetz?“
Antwort: Wir stärken mit dem Selbstbestimmungsgesetz die persönliche Freiheit. Wenn Menschen bei der Geburt das falsche Geschlecht zugeordnet wurde, können sie es jetzt unbürokratisch ändern. Das Gesetz regelt die personenstandsrechtliche Frage. Über geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen entscheiden weiterhin die betreffenden Personen zusammen mit ihren Ärzt*innen anhand bestehender fachärztlicher Leitlinien.
„Kann sich jetzt jede*r einfach operieren lassen?“
Antwort: Das Selbstbestimmungsgesetz regelt die Änderung von Vornamen und des Geschlechtseintrags. Über geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen entscheiden weiterhin die betreffenden Personen zusammen mit ihren Ärzt*innen anhand bestehender fachärztlicher Leitlinien.
„Jetzt kann man sein Geschlecht also hin und her wechseln wie es einem gerade passt?“
Antwort: Solche Entscheidungen trifft man nicht leichtfertig. Es kostet oft viel Kraft, seine Transgeschlechtlichkeit Freund*innen, Familie, in der Schule oder auf der Arbeit zu offenbaren. Um Missbrauch zu verhindern, z.B. durch Fake-Anträge von Gegner*innen des Selbstbestimmungsgesetzes, sieht das Gesetz eine einjährige Sperrfrist für weitere Änderungen vor.
„Sind Frauenschutzräume so überhaupt noch möglich?“
Antwort: Schutz von Frauen gilt ohne Wenn und Aber. Daran ändert das Selbstbestimmungsgesetz nichts. Erfahrungen aus anderen Ländern mit ähnlichen Gesetzen bestätigen das. Deshalb sprechen sich auch unter anderem die Frauenhauskoordinierung und der Deutsche Frauenrat für das neue Gesetz aus.
"Deutschland macht hier wieder einen komplett übertriebenen Alleingang!“
Antwort: Alle Mitgliedstaaten des Europarates sind aufgefordert, ihre Verfahren zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags auf Selbstbestimmung basierend zu gestalten. Bereits elf andere europäische Staaten haben ihre Verfahren schon niedrigschwelliger gestaltet!
„Ihr zwingt uns eure grüne Ideologie auf!“
Antwort: Die Regierungskoalition setzt die Aufforderung des Europarates und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um. Damit stärken wir die persönliche Freiheit. Auch Frauenhauskoordinierung, Deutscher Frauenrat und Zentralkomitee der Katholiken sprechen sich für das neue Gesetz aus.
„Können Kinder jetzt einfach ihr Geschlecht ändern?“
Antwort: Wir unterstützen und schützen mit dem Selbstbestimmungsgesetz junge Menschen. Je nach Altersstufe (14/18 Jahre) sieht es für eine Korrektur ihres Geschlechtseintrages die Zustimmung ihrer Eltern beziehungsweise eines Familiengerichts vor.
„Plötzlich sind alle Jugendlichen trans!“
Antwort: Es gibt heute mehr offen lebende transgeschlechtliche Jugendliche, weil sie aufgrund von Enttabuisierung und langsam steigender Akzeptanz Mut fassen. Es ist wichtig, dass Jugendliche auf ihrem Weg begleitet werden und wir allen ermöglichen, sich frei zu entfalten.
„Dann können Männer ihr Geschlecht ja einfach ändern und im Frauensport aktiv werden!“
Antwort: Das Selbstbestimmungsgesetz hat keinen Einfluss auf die Zulassung zu sportlichen Wettbewerben. Das entscheiden allein die Sportvereinigungen.
„Haben wir keine anderen Probleme?“
Antwort: Selbstbestimmt leben zu können ist ein zentrales Bedürfnis für alle Menschen. Alle sollen so sein, so leben und lieben können, wie sie es möchten. Für diese Freiheit kämpfen wir Grünen im Bundestag. Daher setzen wir uns für sexuelle Selbstbestimmung und selbstbestimmtes Leben ein. Für alle.
„Es gibt keine Probleme für Transmenschen.“
Antwort: Trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen werden beschimpft, bedroht, bespuckt oder geschlagen. Das ist keine Ausnahme, sondern oft trauriger Alltag. Auch Statistiken belegen das. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass sie frei und ohne Angst leben können.
"Ich habe noch nie von Gewalt gegen Transpersonen gehört!“
Antwort: Der zweite Berliner Monitoring Bericht zeigt, wie verbreitet Gewalt gegen transgeschlechtliche Personen ist: 48 Prozent haben im letzten Jahr Gewalterfahrungen gemacht, nur wenigen wurde von anderen Personen geholfen, kaum eine Straftat wurde angezeigt.
„Die bisherigen Gesetze waren doch ausreichend!“
Antwort: Das sogenannte „Transsexuellengesetz“ hat transgeschlechtliche Personen gezwungen, sich auf eigene Kosten als psychisch krank diagnostizieren zu lassen, um ihren Geschlechtseintrag zu korrigieren. Sie mussten intime und entwürdigende Fragen beantworten. Wir beenden das und stärken Selbstbestimmung.