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Schwarz-Roter Koalitionsvertrag: Geschenke an die Lobby statt Zukunft für die Landwirtschaft

  • Die neue Regierung erteilt der dringend notwendigen Agrar- und Ernährungswende eine Absage. Einen Umbau hin zu einer sozial und ökologisch nachhaltigen und klimagerechten Landwirtschaft wird es mit Schwarz-Rot nicht geben.
  • Die drei großen Leerstellen sind Klimaschutz, Ernährung und Tierschutz. Statt die Zukunftsthemen anzugehen, drohen Einschnitte beim Emissionsschutz und bei Umweltstandards.
  • Lobbygeschenke werden in Form von Agrarsubventionen großzügig und nach dem Gießkannenprinzip verteilt. 

Wer die Ernährung langfristig sichern will, muss die natürlichen Lebensgrundlagen schützen, eine klimafreundliche Ernährungsvorsorge betreiben und Landwirt*innen dabei unterstützen, sich wandelnden Anforderungen zu stellen und sich als zukunftsfähiger Wirtschaftszweig aufzustellen. Ein weiter so wird unter den Bedingungen der Klimakrise, bei einer Trockenheit, einer Überschwemmung, einem Starkregen nach dem anderen, nicht funktionieren. Schwarz-Rot wird diesen Herausforderungen nicht gerecht. Die Konkurrenz um Tank, Trog oder Teller wird verschärft, indem Agrarkraftstoffe stark gefördert werden und die Tierhaltung nicht zum Klimaschutz beitragen soll. Pestizide sollen in Zukunft schneller zugelassen werden und das bislang erforderliche Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt ist gefährdet, schlechte Nachrichten für unsere Natur. Nicht einmal besonders schädliche Substanzen sollen verboten werden, dies gilt auch für die kleinsten, unauflöslichen Giftpartikel, sogenannte Ewigkeitschemikalien. Schlecht für unsere Gesundheit. 

Fatal ist auch die angestrebte Deregulierung der neuen Gentechnik. Die für Verbraucher*innen so zentrale Kennzeichnung und die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln werden rücksichtslos den Interessen der Agrar- und Chemieindustrie geopfert. Die ökologische und gentechnikfreie Landwirtschaft, unsere zukünftige Ernährung, die konventionelle & ökologische Pflanzenzüchtung und die genetische Vielfalt stehen auf dem Spiel. Nicht zuletzt steht die Abschaffung der aktuellen Gentechnikregeln im eklatanten Widerspruch zum schwarz-roten Bekenntnis zu der Universalität, Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte, die auch das Recht auf Nahrung einschließen. In der letzten Verhandlungsrunde hat sich hier die CDU/CSU durchgesetzt, die hiermit die zukünftige Ernährungssicherung mit Füßen tritt. 

Die drei großen Leerstellen: Ernährung

Der (sehr kurze) Ernährungsabschnitt im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist sehr enttäuschend und geht die zahlreichen Probleme unseres Ernährungssystems nicht an. Dabei muss dringend etwas passieren: mehr als jeder zehnte Mensch in Deutschland ist zuckerkrank, 15 Prozent der Jugendlichen sind übergewichtig und ungesunde Ernährung wird in Deutschland mit 14 Prozent aller Todesfälle in Verbindung gebracht. 

Die Verantwortung wird zukünftig auf die Verbraucher*innen abgeladen. Maßnahmen wie eine verpflichtende Zuckerreduktion der Lebensmittelindustrie oder eine Verbesserung der Ernährungsumgebung sucht man vergeblich. Die Konsument*innen werden alleine gelassen. Statt die Lebensmittelindustrie in die Pflicht zu nehmen, liegt der Fokus auf Bildung und Bewegung. Vollkommen unverständlich ist, dass die Empfehlungen des Bürger*innenrats „Ernährung im Wandel“ gar nicht aufgegriffen werden. Sogar der Prüfauftrag für ein Energydrink-Verbot von unter 16-Jährigen ist aus der finalen Version des Koalitionsvertag geflogen. Der in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundestag eingesetzte Bürger*innenrat hat gezeigt, dass gesunde, nachhaltige Ernährung von der Mehrheit der Gesellschaft gewünscht ist. Die Forderungen reichen vom kostenfreiem Schulessen über einem Wegwerfstopp von Supermärkten bis hin zu einer Umgestaltung der Mehrwertsteuer. Das müsste jetzt umgesetzt werden. 

Die drei großen Leerstellen: Klimaschutz

Mit jedem Zehntel Grad Erderhitzung werden Wetterextreme wahrscheinlicher und auch, dass sie in verschiedenen Weltregionen gleichzeitig stattfinden. Die Folge: unsichere Ernten und extreme Preisschwankungen bei Getreide und Lebensmitteln. Es ist deswegen wichtig, die Treibhausgasemissionen niedrig zu halten, um so die Landwirtschaft besser vor den Klimafolgen schützen. Und es muss darum gehen, klimaangepasste Anbaustrategien zu entwickeln, auch für Deutschland.

Wenn es um Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft geht, spielt die Tierhaltung eine wichtige Rolle. Schwarz-Rot setzt hier auf ein „Weiter so“ und will den Stallbau sogar noch erleichtern. Sie erteilt damit dem Ansatz „weniger Tiere besser zu halten“ eine klare Absage. Auch auf der Nachfrageseite ist Stillstand angesagt. Die Ernährungsumgebung wird nicht verbessert, die Gemeinschaftsverpflegung nicht gefördert und bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen werden keine Anreize für bio, regionale und saisonale Lebensmittel gesetzt. Lichtblicke sind lediglich der Einsatz für eine EU-Eiweißstrategie und die Förderung der Entwicklung und Markteinführung nachhaltiger alternativer Proteine.

Beim Moorschutz soll zwar immerhin die Moorstrategie und die Förderung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) verstetigt werden, aber den notwendigen Moorschutz-Booster wird es nicht geben. Dafür müsste nämlich die Förderrichtlinie zu landwirtschaftlich genutzten Moorböden und Paludikulturen schnellstmöglich veröffentlicht, ein übergeordnetes öffentliche Interesse von Moorschutz in der Raumordnung und im Wasserrecht gesetzlich verankert und insgesamt die politischen Rahmenbedingungen konsequent verbessert werden. 

Waldbesitzer sollen bei der Erbringung von Ökosystemleistungen unterstützt und die entsprechenden Förderungen zum klimaangepassten Waldmanagement im ANK und bei der GAK fortgesetzt werden. Die Rahmenbedingungen zu verbessern, muss allerdings heißen, ein modernes Waldgesetz auf den Weg zu bringen, dass das Ökosystem Wald erhält und stärkt und die lebenserhaltenden Funktionen des Waldes schützt - hier und jetzt und für nachfolgende Generationen in der Zukunft.

Die drei großen Leerstellen: Tierschutz

Der Tierschutz bleibt auf der Strecke. Als praxistauglich getarnter Bürokratieabbau und Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren erlauben in Wirklichkeit das Schleifen an Umwelt-, Klima- und Tierschutzstandards. Ein konsequentes Vorgehen gegen Amputationen an Tieren, gegen Qualzuchten oder Tierexporte wird mit keinem Wort erwähnt. Ein Ende der Anbindehaltung ist nicht in Sicht. Zwar sollen dringend nötige Tierschutzkontrollen in VTN-Betrieben eingeführt und die Tierhaltungskennzeichnung zumindest beibehalten werden, aber die Videoüberwachung in Schlachthöfen soll nur noch geprüft werden. Auch hier war Deutschland schon mal weiter, mit dem Gesetzesentwurf zum Tierschutzgesetz aus der vergangenen Legislaturperiode. 

Ländliche Räume und regionale Wertschöpfung

In Bezug auf ländliche Räume bekennt sich Schwarz-Rot zwar zu regionaler Wertschöpfung, aber bleibt maximal unkonkret. Unter grüner Hausleitung sind wichtige Programme angeschoben worden, die nun weitergeführt und ausgebaut werden müssten. Das Lebensmittelhandwerk wird nur einmal ganz am Rande hinsichtlich der Sonntagsöffnungszeiten genannt. Es bleibt die Hoffnung, dass wenigstens die Kernthemen, die im Praxis-Check Lebensmittelhandwerk aufgezeigt sind, unter die weitgefassten Bürokratieabbauambitionen von Schwarz-Rot fallen. Wir werden uns weiter dafür stark machen, dass Versorgungsstrukturen in ländlichen Räumen auf- und ausgebaut werden und die Unterstützung erfahren, die es braucht um resiliente, regionale Ernährungsinfrastrukturen aufzubauen.

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