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Schwarz-Rot legt bei der Verkehrspolitik den Rückwärtsgang ein
- Im Verkehrsbereich hat Schwarz-Rot nichts Zukunftsweisendes vor. Unterm Strich kehren Union und SPD ambitions- und ideenlos zur Stillstands-Politik der Merkeljahre zurück.
- Vieles bleibt unkonkret und konnte offenbar in den Koalitionsverhandlungen nicht abschließend geklärt werden. So bleibt offen, ob in den nächsten Jahren endlich das Tempolimit auf Autobahnen kommt oder ob Deutschland auf europäischer Ebene das Verbrenner-Aus weiterhin unterstützt oder zu Fall bringen will.
- Schwerwiegend ist, dass Union und SPD den Ausbau des Schienennetzes finanziell nicht absichern. Mit mehr Straßenbau und noch mehr Subventionen für den Autoverkehr erteilt die neue Koalition dem Grundsatz "mehr Mobilität statt viel Verkehr" eine Absage.
Die Erwartungen waren schon niedrig, aber Schwarz-Rot hat selbst diese unterboten: Obwohl ausgestattet mit einem Milliardenpolster für die Infrastrukturentwicklung und damit mit besten Möglichkeiten, die Mobilität der Zukunft für alle nutzbar, klimafreundlich und energieeffizient zu gestalten, fallen Union und SPD zurück in die alte Versäulung der Verkehrspolitik in einzelne Verkehrsträger. Konkrete Verlagerungsziele? Neue Mobilitätskonzepte? Fehlanzeige! Straßenbau und Autoverkehr rücken wieder an die erste Stelle, während bei Schiene, ÖPNV und Radverkehr so gut wie alles vage und unkonkret bleibt. Der zwingende Anspruch aus dem Klimaschutzgesetz, für den Verkehrssektor ein Klimaschutzkonzept vorzulegen, wird komplett ignoriert.
Gut ist: Mit den Milliarden aus dem Sondervermögen kann die Sanierung von Schiene, Straße und Wasserstraße nun endlich auskömmlich finanziert werden. Das wurde viele Jahre unnötig versäumt, weil die Union bis zuletzt nicht bereit war, von ihrem Schwarze-Null-Dogma abzukehren und wichtige Investitionen durch eine Reform der Schuldenbremse zu ermöglichen.
It´s Autobahnbau, stupid!
Fatalerweise will die Koalition das Geld aber an der falschen Stelle ausgeben: die Zeichen stehen einseitig auf Straßenneubau. Denn mit der Wiedereinführung von Finanzierungskreisläufen sollen die Einnahmen aus der Lkw-Maut wieder allein den Bundesfernstraßen zur Verfügung stehen. Wenn überdies die Koalition die Autobahn GmbH kreditfähig macht, steht neuen Autobahnenpisten nichts mehr im Wege. Was am unbeirrten Festhalten am von der Zeit längst überholten Bundesverkehrswegeplan und das weitere Zubetonieren von Flächen generationengerecht sein soll, bleibt das Geheimnis von Union und SPD.
Der Schiene werden hingegen mehrere Milliarden Euro fehlen, wenn Schwarz-Rot die Lkw-Maut-Reform zurückgedreht. Die Finanzierung für den Aus- und Neubau des Schienennetzes lassen Union und SPD damit offen. Ob ausfallende Haushaltsmittel aus dem neuen Sondervermögen kompensiert werden, bleibt bis zur Vorlage des Haushaltsentwurfs abzuwarten.
Was wird aus dem Ausbau der Schiene?
Unglaublich, sie haben es getan, zum wiederholten Male: Die Parteien der Merz-Klingbeil-Söder-Koalition bekennen sich nun zum vierten Mal in Folge in einer von ihnen getragenen Koalitionsvereinbarung zum Deutschlandtakt. Der stände für einen gezielten Ausbau des Schienennetzes mit dem Ziel, Angebote und Anschlüsse im Bahnverkehr flächendeckend zu verbessern. Doch auch dieses Mal wird das absehbar ein reines Lippenbekenntnis bleiben. Schwarz-Rot bezeichnet den Deutschlandtakt zwar als Richtschnur für Infrastrukturinvestitionen, aber entscheidend ist, ob nun die Planungen für wichtige Neubaustrecken endlich vorangetrieben oder wie bisher verzögert und politisch blockiert werden. Zwar will die Koalition endlich einen Eisenbahninfrastrukturfonds schaffen, doch seine finanzielle Ausstattung bleibt ungewiss. Aus- und Neubau im Schienennetz werden so weiter das Tempo einer Bummelbahn beibehalten.
Wenig bis gar nichts soll sich auch bei der Bahnstruktur ändern. Die DB InfraGO soll unabhängiger vom Bahnkonzern werden, doch der eigentliche Kern des Problems, die Gewinnabführung an den DB-Konzern, wird weiterhin Bestand haben. Warum die Koalition trotzdem von einer grundlegenden Bahnreform spricht, während sie sich zugleich zum Erhalt des integrierten Konzerns bekennt, ist das nächste Geheimnis von CDU, SPD und CSU.
Deutschlandticket für den Fall, dass…
…die Finanzierung steht. Zwar bekennen sich Union und SPD zum Deutschlandticket und versprechen bis zum Ende 2028 einen stabilen Preis in Höhe von 58 Euro im Monat. Ob das angesichts der vielen ungedeckten Schecks aber auch wirklich eingehalten wird, bleibt abzuwarten. Wir befürchten: Mobilität wird teurer, wenn Union und SPD nicht zügig die Finanzierung dauerhaft sicherstellen. Denn nur wenn diese Sicherheit besteht, wird der Zuspruch zum Deutschlandticket weiter zunehmen und sich dadurch auch die Finanzierungsbasis wiederum erweitern.
Entscheidend wird am Ende auch sein, ob Bus und Bahn auch weiterhin fahren, also Ticket und Mobilitätsangebot zusammenpassen. Und auch hier hinterlässt der Koalitionstext dicke Fragezeichen. Die Verkehrsunternehmen warnen, dass allein bis 2030 sage und schreibe 40 Milliarden Euro fehlen, um das bestehende Angebot abzusichern. Von den notwendigen und überall ersehnten Angebotsverbesserungen ganz zu schweigen. Bei der künftigen ÖPNV-Finanzierung drücken sich Union und SPD vor der Verantwortung und bleiben nebulös, was sie unter einem Modernisierungspakt verstehen. Auch hier wieder ein Geheimnis statt klarer Antworten für alle, die vermehrt auf den klimafreundlichen Nahverkehr setzen.
„Technologieoffenheit“: Für Verbrenner
Eine Leerstelle bleibt offenkundig: Die neue Koalition bekennt sich nicht ausdrücklich zum Verbrenner-Aus 2035 und damit fehlt ein klares Bekenntnis für den kompletten Umstieg auf den klimaneutralen, elektrischen Straßenverkehr. Stattdessen hat es die Union aber geschafft, den Begriff Technologieoffenheit im Koalitionsvertrag zu verankern. Was heißt das jetzt? Schafft Deutschland die Antriebswende, erreicht es seine Klimaschutzziele, entstehen hier die Autos und die Industriearbeitsplätze der Zukunft? Oder wird Deutschland mehr und mehr auf die Bremse treten, in Brüssel gegen EU-Kommission und Flottengrenzwerte agieren, alle bisherigen Subventionen für fossile Kraftstoffe und Verbrenner beibehalten, um derzeitige Strukturen und Geschäftsmodell so lange wie nur irgendmöglich zu erhalten. Es ist letzteres zu befürchten.
Die Koalition kündigt für E-Autos neue Kaufanreize an, bleibt aber, was Ausgestaltung, Umfang und Zeitpunkt betrifft, völlig im Unklaren. Wer Unsicherheit und Kaufzurückhaltung bei potenziellen E-Auto-Kunden erzeugen will, der muss es genau so machen! Denn schließlich garantiert gerade die üppige Erhöhung der Pendlerpauschale, die in erster Linie Langstreckenpendlern mit höheren Einkommen zugutekommt, dass der Umstieg auf ein E-Auto ruhig noch länger warten kann. Und während immer noch die günstigen, kleinen E-Autos auf dem Markt fehlen, setzen CDU/CSU und SPD neue Anreize zum Kauf teurer Luxusdienstwagen.
Sonst noch was?
Was CDU/CSU und SPD zu Fuß- und Radverkehr, zu Sharing, autonomem Fahren oder Verkehrssicherheit sagen, kann man eigentlich übergehen – die dürren Sätze hätte sich die neue Koalition eigentlich auch ganz sparen können. Union und SPD haben offenbar kein Problem damit, dass Deutschland seine eigenen Verkehrssicherheitsziele um Längen verfehlt und nach wie vor viel zu viele Menschen im Straßenverkehr getötet und schwerverletzt werden – Tag für Tag.
Die neue Koalition tut unterm Strich viel dafür, die fatale Autoabhängigkeit in der Mobilität in Deutschland zu erhalten und fiskalisch zu unterfüttern. Während sie das Fernpendeln mit dem Auto dauerhaft fördern und Fliegen wieder billiger machen will, kann der Preis für das Deutschlandticket anscheinend gerne steigen.
Aber immerhin bleibt es für Bürgerinnen und Bürger spannend in der Verkehrspolitik. Denn Fragen, die in den Koalitionsverhandlungen strittig geblieben sind, klammert der Koalitionsvertrag einfach aus. So bleibt auch die Position von Schwarz-Rot zum Tempolimit auf Autobahnen offen. Das ist erst einmal schlecht für Klimaschutz und Verkehrssicherheit. Andererseits: Die gesellschaftliche Debatte ist offen wie nie. Und bei Friedrich Merz weiß man ja nie. Wäre nicht das erste Mal, dass er einfach nur etwas länger braucht. Und dann könnte er ja direkt mit seiner Richtlinienkompetenz… Mal sehen.
Wir Grüne im Deutschen Bundestag werden der Koalition in der Verkehrspolitik in jedem Fall auf die Sprünge helfen und da, wo sie Klimaschutz und Fortschritte für mehr Mobilität aufhält, viel grünen Druck machen. Das, ist definitiv kein Geheimnis.
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